Herr Pinkwart, seit einem Jahr ist die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen im Amt. Welche energiepolitischen Schwerpunkte setzen Sie?
Andreas Pinkwart: Das Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit ist und bleibt die Richtschnur unserer Energiepolitik. Da die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit in den vergangenen Jahren auf Bundesebene leider nur unzureichend berücksichtigt wurden, gilt es, alle drei Ziele wieder gleichrangig nebeneinander zu behandeln.
Selbstverständlich steht Nordrhein-Westfalen zum Pariser Klimaschutzabkommen. Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für ein Miteinander von Wirtschaft und Umwelt zu schaffen. Konkrete Schwerpunkte sehe ich darin, den Netzausbau zu beschleunigen, die EEG-Förderung und Netzentgeltsystematik zu reformieren und einen Leistungsmarkt einzuführen.
Ihre Regierung hat den Windenergie-Erlass geändert, sodass Kommunen nun größere Abstände zur Bebauung festlegen können. In Bayern ist der Windkraft-Ausbau abgeflacht, seitdem eine Abstandsregelung eingeführt wurde. Wie wollen Sie verhindern, dass in NRW das Gleiche passiert?
Ich betone ausdrücklich, dass auch wir in Nordrhein-Westfalen den Ausbau der erneuerbaren Energien wollen und im Interesse des Klimaschutzes vorantreiben. Die Windenergie ist zusammen mit dem Netzausbau eine tragende Säule der Energiewende in Deutschland. Das steht außer Frage.
Darüber hinaus ist unser Land wichtig als Zulieferindustrie für Windkraftanlagen in ganz Europa. Kaum ein Windrad dreht sich ohne ein Teil aus Nordrhein-Westfalen. Allerdings brauchen wir ebenso eine stärkere Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Anwohner und des Natur- und Landschaftsschutzes, damit die Akzeptanz für die Erneuerbaren nicht gefährdet wird.
Was ändert sich genau?
Mit dem Windenergieerlass wird die geltende Rechtslage nicht geändert, sondern präzisiert. Konkret werden die Lärmimmissionen nach dem neuen Berechnungsverfahren des Länderausschusses für Immissionsschutz beurteilt. Sobald der Erlass in Kraft tritt, muss das im Rahmen der Genehmigung von Windenergieanlagen berücksichtigt werden. Das haben auch andere Bundesländer so vollzogen.
Parallel hat die Landesregierung Änderungen des Landesentwicklungsplans auf den Weg gebracht. Damit wird der Vorrang für Windenergieanlagen im Wald aufgehoben. Außerdem müssen in den Regionalplänen keine Vorranggebiete für Windenergie mehr ausgewiesen werden.
Fest steht: Die Windenergie bleibt auch in Nordrhein-Westfalen bedeutsam, ihr Ausbau erfolgt aber mit mehr Augenmaß.
Im Bundesrat haben Sie einen Antrag eingebracht, das Ausschreibungsvolumen für Windkraft an Land im Jahr 2018 um 50 Prozent zu erhöhen und die Ausnahmen für Bürgerenergieprojekte bis Ende 2019 auszusetzen. Was wollen Sie erreichen?
Im Ausschreibungsdesign für Windenergie an Land sehen wir derzeit eine Fehlentwicklung. Die Auswirkungen müssen kompensiert werden – das ist Ziel unseres Antrags. Es bestand die Gefahr, dass es zu empfindlichen wirtschaftlichen Verwerfungen in der Branche kommen würde.
Den damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere für Projektierer, Anlagenhersteller und Zulieferindustrie, musste entgegengesteuert werden. In diesem Jahr würden auch ab der dritten Ausschreibungsrunde die Vereinfachungen für Bürgerenergieprojekte wieder greifen.
Auch vor diesem Hintergrund war unsere Gesetzesinitiative kurzfristig notwendig, im Bundesrat erfolgreich und hat gute Aussicht, von Bundesregierung und Bundestag angenommen zu werden.
Der Anteil an Strom aus Photovoltaik lag in NRW 2015 bei 2,3 Prozent an der Bruttostromerzeugung. Wie wollen Sie die Solarenergie fördern?
Photovoltaik hat eine tragende Rolle bei der Energiewende. Aktuell prüfen wir eine Änderung des Landesentwicklungsplans und eine Öffnung des Denkmalschutzes für Photovoltaik.
Außerdem setzen wir auf dezentrale Quartierskonzepte mit integrierter Energieversorgung aus Sonne, Erdwärme, Kraftwärmekopplung und Elektromobilität, die eine Netzeinspeisung überflüssig macht. Wir arbeiten an einem flächendeckenden Solarkataster Nordrhein-Westfalen. Das soll neue Investitionsanreize in die Solarenergie schaffen.
Wie wollen Sie den Einsatz von erneuerbaren Energien in der Industrie stärken?
Nordrhein-Westfalen steht für urbane Lösungen zur Energieversorgung und Nutzung. Die intelligente, durch Smart Grids und leistungsfähige, von Verteilnetzbetreibern getragene Kombination von Photovoltaik, Blockheizkraftwerken, Fernwärmestrukturen, Batteriespeichern und letztlich Mobilitätskonzepten auf Basis von Elektromobilität bieten gute Chancen für unser Land und unsere Industrie.
In Ihrem Koalitionsvertrag schreiben Sie, dass die fossile Energieerzeugung noch auf absehbare Zeit unverzichtbar sein wird. Wann soll der Kohleausstieg kommen?
Den Weg zu mehr Klimaschutz können wir nur mit einem "schrittweisen Fahrplan" für den Kohleausstieg gehen. Auch in einem zunehmend von erneuerbaren Energien geprägten System werden flexible fossile Kraftwerke als Ergänzung noch so lange gebraucht, bis Stromspeicher, flexiblere Kundennachfrage und intelligente Netze diese Rolle vollständig übernehmen können.
Wir wollen das Miteinander erneuerbarer und konventioneller Energieerzeugung kostengünstig und effizient organisieren, damit die Energieversorgung sicher und bezahlbar bleibt. Insbesondere die heimische energieintensive Industrie ist auf hohe Versorgungssicherheit und -qualität, aber auch auf bezahlbare Energiepreise angewiesen. Schon heute führen steigende Strompreise zu Wettbewerbsnachteilen. Solange Speicher, Nachfrageflexibilität und intelligente Netze nicht ausreichend vorhanden sind, können die erneuerbaren Energien auf absehbare Zeit nicht alleine die Versorgungssicherheit garantieren.
Ein vorzeitiger oder "ruckartiger" Ausstieg aus der Kohleverstromung ist daher der falsche Weg. Deutschland würde als einziges großes Industrieland gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohleverstromung aussteigen. Für das Rheinische Braunkohlerevier gilt, dass im Rahmen der Sicherheitsbereitschaft bereits bis 2023 fünf Braunkohleblöcke stillgelegt werden. Der Tagebau Inden wird bis Ende 2030 ausgekohlt sein, die Tagebaue Garzweiler und Hambach bis Ende 2045. Damit spätestens endet die Braunkohleverstromung in Nordrhein-Westfalen.
Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.
Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.