Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck. (Foto: Frank Peter)

Herr Habeck, bereuen Sie als frisch gekürter Grünen-Chef, dass Sie das Amt des Umweltministers von Schleswig-Holstein – spätestens im September – aufgeben müssen?

Robert Habeck: Das war ein schwerer Schritt für mich. Aber ich habe das bewusst so entschieden. Die Herausforderung und die Verantwortung sind selten so groß gewesen wie jetzt. Und ich weiß, wenn ich das jetzt nicht machen würde, würde ich in ein paar Jahren denken: Du hast gekniffen!

Was wollen Sie in den letzten Monaten der Amtszeit noch unbedingt erledigen?

Das Wichtigste ist die Neuregelung der Windausbaupläne. Wir haben uns daher nun auf die wichtigsten Eckpunkte der Windenergieplanung der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein verständigt. Bis zu den Sommerferien sollen sie als Pläne vorliegen.

Aber auch der Rückbau der Atomkraftwerke und die Suche nach Deponieraum sind zentrale Themen. Der Netzausbau, die Umsetzung der neuen Düngeverordnung und das Landesbodenschutzprogramm stehen ebenfalls auf unserer Agenda. Arbeit gibt es genug!

Auf Bundesebene hat es mit Jamaika nicht geklappt – anders als in Schleswig-Holstein. Welchen Eindruck haben Sie nach einem knappen Jahr von der Zusammenarbeit mit Union und FDP in der Umweltpolitik?

Gut! Die Arbeit mit FDP und CDU ist vertrauensvoll, geräuschlos und konstruktiv. Richtig ist aber auch, dass wir politische Reibungen und Konflikte haben, die zwischen SPD und Grünen so vorher nicht da waren. Doch eine Regierung ohne Konflikte gibt es nicht. Die Frage ist also nicht, ob es Konflikte gibt, sondern wie man damit umgeht.

Ein Konflikt ist der Zubau von Windenergie. Kritiker sprechen von "Wildwuchs". Nun gibt es sogar bis September ein Windkraft-Moratorium. Wie wollen Sie das Problem der Flächenzuweisung lösen?

Es gibt keinen Wildwuchs in Schleswig-Holstein, sondern seit 20 Jahren einen geregelten Ausbau auf vom Land ausgewiesenen Flächen. Die Windanlagen, die momentan in Schleswig-Holstein stehen, gehen ursprünglich im Wesentlichen auf den Wunsch von Gemeinden zurück. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Schleswig hat diese gute Lösung einkassiert – und insbesondere den planerischen Gedanken, diesem Gemeindewunsch einen Vorzug einzuräumen. Ich halte das immer noch für ein Problem.

Aufgrund des Urteils musste eine Neuplanung vorgenommen werden, in der wir nun mittendrin stecken. Der neu aufgesetzte Planungsprozess sieht zukünftig Vorranggebiete für die Windenergienutzung im Umfang von rund zwei Prozent der Landesfläche vor; 98 Prozent der Landesfläche werden damit freigehalten.

Unternehmen und Projektierer kritisieren nun fehlende Planungssicherheit. Wie geht es jetzt weiter?

Wir sind dabei, wieder für Planungssicherheit zu sorgen und zwar auf Basis der auch von den Grünen mitbeschlossenen Klimaschutzziele. Die Projektierer müssen jetzt noch ein halbes Jahr länger durchhalten. Das ärgert uns natürlich, aber das ist nicht das größte Problem.

Viel gravierender ist der Fadenriss, der durch die neue Ausschreibepraxis entstanden ist, die der Bund mit dem EEG 2017 eingeführt hat. Davon ist Schleswig-Holstein doppelt betroffen. Einerseits drohen die schlecht gemachten Ausschreibungen bundesweit dazu zu führen, dass der Ausbau von Windkraftanlagen an Land in nächster Zeit stark einbricht.

Auf der anderen Seite ist Schleswig-Holstein Netzausbaugebiet. Wir bekommen hier im Norden also nur noch einen Teil der Zuschläge. Diese auf der Bundesebene getroffene Regelung ist ein großer Nachteil für unsere Windmüller und klimapolitisch fatal.

Schleswig-Holstein war bisher der Windkraftvorreiter Deutschlands. Allerdings mussten in den vergangenen Jahren immer wieder Anlagen abgeregelt werden, weil die Leitungen überlastet waren. Welche Fortschritte gibt es beim Netzausbau?

Das Problem ist nicht größer geworden, aber es ist immer noch groß. Das liegt daran, dass der Netzausbau nur schleppend voranschreitet. In rund anderthalb bis zwei Jahren werden wir in Schleswig-Holstein allerdings damit durch sein. Die Netzbetreiber mussten rund 650 Kilometer 380-kV-Leitungen ausbauen. Die wichtigsten Zweidrittel davon sind genehmigt und befinden sich im Bau.

Ein Drittel muss noch durch das Planfeststellungsverfahren. Das werden wir zeitnah voranbringen. Dann fließt der Strom bis zur Elbe und das Problem wird sich aus unserem Bundesland weiter in den Süden der Republik verlagern, denn es fehlt immer noch die SüdLink-Leitung.

Dann bleiben also die südlichen Bundesländer auf den Kosten sitzen?

Der Schwerpunkt bei Abschaltungen und damit verursachten Kosten wird sich voraussichtlich in der Tat stärker in Richtung Süden verlagern. Hätte der Bund, so wie wir, seine Hausaufgaben gemacht – nämlich innerhalb von vier Jahren 650 Kilometer Freileitungen zu genehmigen, damit die Netzbetreiber bauen können – dann wären wir alle Probleme los.

Wir haben vier Jahre gebraucht. Der Bund braucht dazu ganze 16 Jahre. Das könnte nun dazu führen, dass Deutschland in verschiedene Preiszonen unterteilt wird. Dann wird es eine günstige Preiszone im Norden geben, weil der erneuerbare Strom den Strompreis senkt, und eine teure Strompreiszone im Süden. Wer das verhindern will, muss SüdLink schnell ausbauen.

Gibt es mittlerweile Lösungen, wie man den überschüssigen Strom vielleicht doch nutzen kann?

Es gibt dafür vielversprechende Technologien, aber leider sperrt sich der Bund, diese Technologien neutral zu betrachten. Wir haben immer dafür geworben, nicht den Strom abzuschalten, sondern Lasten zuzuschalten. Diese Lasten müssten aber neutral definiert sein und es muss mehr möglich sein, als der Bund jetzt zulässt.

Das kann Power-to-Heat sein, also Wärme, aber auch Wasserstoff oder Batteriespeichersysteme. Der Bund hat diese Regelung jedoch nur für Wärmespeicher in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) freigegeben, die fossile Kraftwerke ersetzen sollen.

Die 300 Millionen Euro, die jährlich abgeschaltet werden, könnte man dramatisch vermindern, indem man Technik und Technologie aufbaut. Der Bund schützt die Vergangenheit und eine alte Industrie. Er zeigt einfach keinerlei Interesse am konsequenten Ausstieg aus fossilen Energien.

Das große Problemkind der Energiewende ist die Wärme. Sie wollen laut Koalitionsvertrag die erneuerbare Wärme stärken. Wie genau wollen Sie vorgehen und was ist bereits erreicht?

Schon in der vergangenen Legislatur haben wir unsere Wärme-Strategie geändert. Bei uns gilt nicht mehr die Einzelhausbetrachtung, also die Gebäudesanierung und Wärmedämmung als Einzelfaktor. Uns geht es darum, auch die Wärmeversorgung selbst mit in Angriff zu nehmen. Wir unterstützen die Gemeinden dabei, Fernwärmenetze und im ländlichen Raum Nahwärmenetze aufzubauen. In größeren Städten wie Flensburg gibt es diese Netze bereits, und kleine Kommunen schließen sich zunehmend diesem Trend an.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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