Die sachsen-anhaltische Umweltministerin Claudia Dalbert. (Foto: Rainer Kurzeder/​MULE Sachsen-Anhalt)

Frau Dalbert, während die Bundesregierung sich beim Kohleausstieg noch ziert, machen Sie in Sachsen-Anhalt schon Nägel mit Köpfen: Was können sich andere Länder davon abschauen?

Claudia Dalbert: Wir haben einen sehr guten Koalitionsvertrag mit CDU und SPD ausgehandelt. Dort steht klar drin, dass es keine Genehmigungen für neue Braunkohletagebaue geben wird. Wenn unsere Tagebaue ausgekohlt sind, hat sich das Thema Braunkohleverstromung in Sachsen-Anhalt erledigt. Das wird zwischen 2030 und 2035 der Fall sein.

Wir haben also ein klares Ausstiegsszenario. Natürlich wäre ein noch schnellerer Ausstieg wünschenswert. Für das Braunkohleland Sachsen-Anhalt ist dieser Zeitraum jedoch eine vernünftige Perspektive.

War es schwer, den Kohleausstieg mit einem konkreten Szenario in den Koalitionsvertrag hinein zu verhandeln?

Man darf sich von seinen Zielen in Verhandlungen nicht abbringen lassen. Für uns als Grüne war das in den Koalitionsgesprächen ein zentrales Zukunftsthema. Denn wir werden die Klimaziele nicht erreichen, wenn wir weiter an der Kohle festhalten. Sicherlich ist die Braunkohle für den Burgenlandkreis vor allem als Arbeitgeber wichtig.

Welche Herausforderungen sind damit verbunden?

Der Strukturwandel hat bereits begonnen. Schon heute arbeiten viel weniger Menschen in der Braunkohle als noch vor zehn Jahren. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir in diesen Regionen zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen können. Dafür gibt es eine von der Landesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe, in der Vorschläge koordiniert werden. Neben der Frage nach neuen Jobs geht es dabei auch darum, wie die Bergbaufolgelandschaft einmal aussehen soll.

Das organisiert bei uns das Wirtschaftsministerium und erfolgt in Abstimmung mit Thüringen und Sachsen. Unsere Arbeitsgruppe ist auch eine gute Vorbereitung für die Strukturwandel-Kommission, die der Bund nun plant.

Bis Ende 2018 will Ihre Landesregierung ein Klimaschutz- und Energiekonzept erarbeiten. Wie ist weit der Prozess und was sind die Schwerpunkte?

Wir haben im Koalitionsvertrag ein ambitioniertes Klimaschutzziel formuliert. Bis 2020 wollen wir den Ausstoß von Treibhausgasen um 31,3 Millionen Tonnen reduzieren. Das entspricht gegenüber 2012 einem Minus von rund 14 Prozent und etwa 2,4 Tonnen pro Kopf und Einwohner.

Dazu haben wir eine Kommission gegründet, die das Klimaschutz- und Energiekonzept erarbeiten wird. Facharbeitsgruppen kümmern sich um die Bereiche Energiewirtschaft, Gebäude und Verkehr, Industrie und Wirtschaft sowie Landwirtschaft, Landnutzung, Forst, Ernährung. Das sind Aufgaben, die alle Ministerien betreffen. Darüber hinaus wir binden auch Verbände und Kommunen mit ein. Bis zum Ende des Jahres wollen wir dem Kabinett einen Vorschlag vorlegen.

Bis zum Sommer wollen wir uns zunächst auf die wichtigsten Maßnahmen einigen und davon dann die 50 wichtigsten Vorhaben noch einmal gesondert prüfen. Wir untersuchen, welche für Einsparungen damit erreicht werden, wie viel das kostet und wie schnell die Einzelmaßnahmen auch umgesetzt werden können. Es geht uns nicht darum, möglichst viel zu tun, sondern das Richtige.

Wie konkret wollen Sie denn in diesem Energiekonzept werden?

Uns geht es darum, Maßnahmen zu benennen und nicht nur Fernziele. Den Prozess begleitet das renommierte IFOK-Institut für Organisationskommunikation. Die Berater sollen beispielsweise helfen, die Prioritätenliste zu gewichten: Was sind wirklich die Top-Vorschläge, was bringen sie, was kosten sie und wie effizient sind sie tatsächlich. Ich will am Ende einen Plan haben, in dem konkrete Maßnahmen stehen und klar benannt wird, wie viel sie bringen und wie man sie umsetzen kann.

Sprechen wir vom Hier und Jetzt: Wie weit sind Sie in Sachsen-Anhalt schon heute bei der Nutzung von Ökostrom für Wärme?

Wenn wir unsere ehrgeizigen Klimaziele erreichen wollen, müssen wir den schlafenden Riesen wecken. Es ist wichtig, die erneuerbaren Energien, die man produziert, möglichst direkt und effizient als Energie umzusetzen. Wir haben Zeiten, in denen wir mehr erneuerbare Energien haben, als wir in die Netze abgeben können. Da macht es Sinn, diese überschüssige Energie mit dem Power-to-Heat-Verfahren umzuwandeln.

Dazu haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, dass die Infrastruktur dazu vorhanden ist – denken wir nur an Fernwärmenetze. Diese sind gerade im Osten Deutschlands sehr verbreitet. Allerdings fehlen bisher noch die Rahmenbedingungen. Hier muss die Bundesregierung nachsteuern.

Wir arbeiten aber auch an anderen Lösungen, wie etwa Wärmespeichern. In Halle wird gerade der größte seiner Art gebaut.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Probleme bei der Verringerung von Abregelungen beim Windstrom. Wie ist der aktuelle Stand?

Wir haben in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht. Das liegt daran, dass die Süd-West-Leitung fertiggestellt wurde. Deshalb haben sich die Redispatch-Kosten seit 2015 halbiert.

Bei anderen Übertragungsleitungen wie jener vom Norden Sachsen-Anhalts bis zur Isar sind wir weniger optimistisch, weil der Zeitplan bis 2025 doch sehr ehrgeizig ist. Wenn es darum geht, wie man Erneuerbare in den Strommarkt bekommt, geht es allerdings nicht nur um Netze, sondern auch um intelligente Steuerung.

Die Biokraftstoffproduktion ist eine wichtige Industrie für Sachsen-Anhalt. Welche Perspektiven hat dieser Wirtschaftszweig?

Wir haben eine starke chemische Industrie und eine starke Landwirtschaft. Pro Jahr produzieren wir konstant 500.000 Kubikmeter Ethanol. Das ist ungefähr ein Drittel der Gesamtmenge in Deutschland. Bei Biodiesel ist das ähnlich.

Aber wir müssen natürlich die Biokraftstoffproduktion vorantreiben, bei der die ganze Frucht genutzt wird. Auch geht es darum, die Energiepflanzen in richtige Fruchtfolgen einzubetten, um eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu sichern.

Auch über den Verkehr muss dabei geredet werden. Die Frage ist: Welchen Platz haben die Biokraftstoffe in einem nachhaltigen Verkehrssystem? Zwischen vielen anderen Lösungen wie der Elektromobilität muss sich hier noch erweisen, welche Zukunft die Biokraftstoffe haben werden.

Steht die Produktion der Biokraftstoffe für Sie im Gegensatz zu einer ökologischen Landwirtschaft?

Das ist auf jeden Fall ein Problem. Bei diesem Thema schwingt natürlich immer die Konkurrenz um Boden mit und die Frage, welche Ausgangsstoffe die Biokraftstoffindustrie verwerten sollte. Wir können es uns jedoch nicht zu einfach machen und sagen, dass wir diese Technologie pauschal ablehnen. Denn für die Zukunft des Verkehrs werden die Biokraftstoffe zweifellos eine wichtige Rolle spielen.

Sehen sich nur den Flugverkehr an. Die Umstellung auf Elektro-Flugzeuge wird so schnell nicht kommen. Hier brauchen wir andere Lösungen, und da kommen eben die Biokraftstoffe ins Spiel.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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