Der Bremer Umweltsenator Joachim Lohse. (Foto: SUBV)

Herr Lohse, Bremen wird sein Klimaziel für 2020 sehr deutlich verfehlen. Wie im Bund ist ein Minus von 40 Prozent beim CO2-Ausstoß angepeilt. Erreicht wurden erst zehn Prozent – obwohl die Emissionen der Stahlindustrie dabei ausgeklammert sind. Woran liegt das?

Joachim Lohse: Wir haben die Ursachen von externen Gutachtern analysieren lassen. Danach liegt es vor allem an der Nachfrageseite: Der Energieverbrauch im Land Bremen sinkt nicht, wie im Jahr 2009 angenommen, als das Ziel formuliert wurde – sondern er bleibt ungefähr konstant.

Zum Teil ist das auf veränderte Rahmenbedingungen zurückzuführen. Seit einigen Jahren wächst die Bevölkerung wieder, während früher von einer rückläufigen Einwohnerzahl ausgegangen wurde. Auch die bremische Wirtschaft ist stärker gewachsen als unsere Experten 2009 – also im Jahr der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise – prognostiziert hatten.

Der Senat hat sein Klimaziel vor drei Jahren sogar mit einem Gesetz festgeschrieben. Sind Klimaschutzgesetze also doch nicht das geeignete Instrument beim Klimaschutz?

Unser Klimaschutzgesetz orientiert sich an dem Leitziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Und es verpflichtet den Senat, für 2030 und 2040 Zwischenziele festzulegen. Solche Vorgaben helfen, dem Klimaschutz in der täglichen Praxis der Landes- und Kommunalpolitik möglichst viel Gewicht zu geben.

Als Umsetzungsinstrument ist ein Klimaschutzgesetz auf Landesebene tatsächlich nur bedingt geeignet, weil in vielen Bereichen vorrangige bundesrechtliche Regelungen den Spielraum des Landesgesetzgebers einschränken.

Noch in diesem Jahr soll der Pfad bis 2030 beschrieben werden. Was planen Sie konkret, wie wollen Sie die bisherige Lücke füllen?

Vor dem Hintergrund der bisher erreichten CO2-Minderung ist es dringend notwendig, dass die Klimaschutzanstrengungen im Land Bremen nochmals intensiviert werden. Wir werden deshalb alle relevanten Akteure und die interessierte Öffentlichkeit einladen, mit uns gemeinsam ein neues Klimaschutz- und Energieprogramm für den Zeithorizont bis 2030 zu erarbeiten.

Ein wichtiges Thema wird hierbei sicherlich der Ausstieg aus der Kohleverstromung sein. Im Land Bremen sind zurzeit noch mehrere Steinkohleblöcke in Betrieb, die spätestens im Jahr 2030 das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer erreichen werden. In vielen Bereichen wird es aber auch darum gehen, bereits laufende Aktivitäten fortzusetzen und nach Möglichkeit zu intensivieren, beispielsweise auf dem Gebiet der energetischen Gebäudesanierung.

Auch beim Ausbau der Erneuerbaren hinkt Bremen hinterher. Bei den jüngsten Ausschreibungen für Onshore-Wind und Photovoltaik ging das Land leer aus. Wie wollen Sie Ihren Rückstand aufholen? Ist das in einem Stadtstaat überhaupt möglich?

Ein Stadtstaat stößt beim Ausbau der erneuerbaren Energien tatsächlich deutlich eher an Grenzen als ein Flächenland. Trotzdem haben wir es im Land Bremen in den letzten Jahren geschafft, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erheblich zu steigern. Bei der Windkraft haben wir die installierte Leistung seit 2010 etwa verdoppelt, bei der Photovoltaik sogar mehr als versechsfacht. Außerdem gibt es im Land Bremen seit 2012 ein neues Wasserkraftwerk.

Die Ausbauziele für die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Wasser, die wir uns im Jahr 2009 bei der Verabschiedung unseres Klimaschutz- und Energieprogramms für das Jahr 2020 gesetzt hatten, haben wir Ende 2016 bereits erreicht und teilweise sogar übertroffen. Einen Rückstand kann ich vor dem Hintergrund dieser Zahlen nicht erkennen.

In den kommenden Jahren wollen wir die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien weiter steigern, insbesondere durch Repowering älterer Windkraftstandorte. Ob dies gelingen wird, ist allerdings auch von der weiteren Entwicklung der energiepolitischen Rahmenbedingungen abhängig.

Im Bundesrat setzt sich Bremen gemeinsam mit weiteren Nordländern für eine Anhebung des Ausbauziels für Offshore-Windenergie ein. Wie schätzen Sie die Aussichten ein?

Im beschlossenen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist die von allen Nordländern eingeforderte Anhebung des Ausbauziels nicht enthalten. Die Nordländer werden sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin konsequent für die Anhebung des Ausbauziels einsetzen, da ja zumindest ergebnisoffen verhandelt werden kann. Wie gut hierbei die Erfolgsaussichten sind, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen.

Zwei der drei Kohlekraftwerke in Bremen sollen bald stillgelegt werden. Was planen Sie als Alternative?

Bereits Ende 2013 ist in Bremen ein mit Steinkohle befeuerter Kraftwerksblock vom Netz gegangen. Der entfallene Kohlestrom ist durch den stetigen Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und eine erhebliche Ausweitung der Stromerzeugung in den Bremer Abfallverbrennungsanlagen mehr als ausgeglichen worden.

In den nächsten Jahren sollen insbesondere der weitere Ausbau der Windkraft und der vermehrte Einsatz von Blockheizkraftwerken in der Wohnungswirtschaft dazu beitragen, die sinkende Stromerzeugung auf Steinkohlebasis zu kompensieren. Außerdem ist Ende 2016 ein hocheffizientes GuD-Kraftwerk auf Erdgasbasis in Betrieb gegangen, das jedoch aufgrund der aktuellen Marktsituation bislang nicht in Volllast betrieben wird.

In welchem Umfang diese Anlage zur Substitution von Kohlestrom beitragen kann, hängt auch von der weiteren Entwicklung der energiepolitischen Rahmenbedingungen ab. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Bremen zurzeit in erheblichem Umfang Kohlestrom in andere Bundesländer exportiert. Der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung könnte deshalb zum Teil auch durch einen Rückgang der bremischen Stromexporte ausgeglichen werden.

Beim geplanten Offshore-Terminal in Bremerhaven (OTB) gibt es immer noch kaum Bewegung. Wie soll es mit diesem Prestigeprojekt weitergehen?

Die Windenergie-Wirtschaft hat ihre überragende wirtschaftliche Bedeutung für Bremerhaven bewiesen. Bremerhaven hat als einer der ersten Standorte in Deutschland erkannt, dass die Bewältigung des Klimawandels nur durch eine konsequente Energiewende erfolgen kann und diese Energiewende nur mit einem erheblichen Ausbau im Bereich der Offshore-Windenergie möglich ist.

Der OTB ist ein notwendiger Baustein des infrastrukturellen Rahmens für die Windenergie-Wirtschaft im südlichen Fischereihafen. Das Land Bremen setzt sich deshalb für einen schnellstmöglichen Abschluss der derzeit laufenden Gerichtsverfahren zum OTB ein.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.

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