Frau Pop, am 24. Mai 2017 sprach Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller von einem "historischen Datum". Der Tag markierte den Ausstieg der Hauptstadt aus der Braunkohle-Verstromung. Sind Sie zufrieden mit dem, was Ihre rot-rot-grüne Koalition in Bezug auf die Energiewende bislang auf die Beine gestellt hat?
Ramona Pop: Wir haben grundlegende Weichenstellungen vorgenommen. Dass Energie überhaupt ein eigenes Ressort hat, ist der Verdienst von Rot-Rot-Grün – das gab es vorher nicht.
Mit dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 haben wir eine Strategie festgelegt, mit der wir die Energiewende und unsere Klimaschutzziele schaffen wollen. Sie enthält rund 100 Maßnahmen, verteilt auf die Handlungsfelder Energie, Wirtschaft, Gebäude und Stadtentwicklung, Verkehr sowie private Haushalte und Konsum; sie ist langfristig, weitreichend, transparent und demokratisch angelegt. Wir arbeiten in allen Ressorts an der zügigen Umsetzung.
Berlin hat außerdem als erstes Bundesland den Kohleausstieg gesetzlich beschlossen. Und mit den Berliner Stadtwerken haben wir ein landeseigenes Unternehmen, das die Energiewende vorantreibt.
Die Stadtwerke haben doch aber vor vier Jahren noch Ihre rot-schwarzen Vorgänger gegründet, oder?
Das schon, aber unsere Vorgänger haben erhebliche Hemmnisse für das Unternehmen bestehen lassen. Rot-Rot-Grün hat unsinnige Beschränkungen aufgehoben und die Stadtwerke mit Eigenkapital ausgestattet.
Berlinerinnen und Berliner können jetzt lokalen Ökostrom beziehen, denn die Stadtwerke investieren in eigene Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Region. Sie unterstützen außerdem öffentliche Einrichtungen und Landesunternehmen bei der Energiewende und investieren in die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude.
Trotz intensiver Werbung hat das Unternehmen bisher nur etwa 6.000 Kunden. Wie können sich die Stadtwerke gegen die mehr als 400 Konkurrenten durchsetzen?
Die Berliner Stadtwerke haben im vergangenen Herbst zum ersten Mal mit einer berlinweiten Kampagne auf sich aufmerksam machen können. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das sehr engagierte Unternehmen nun mit seinen regional erzeugten nachhaltigen Stromprodukten und guten Energiedienstleistungen überzeugen wird.
Bei der Erzeugung und bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist Berlin das Schlusslicht unter den Bundesländern. Wie steht es um den geplanten Masterplan Solarcity?
Ja, Berlin hat in Sachen Ausbau von Erneuerbaren einiges nachzuholen. Deshalb haben wir beim Ausbau des Stadtwerks und beim Energie- und Klimaschutzprogramm Tempo gemacht.
Die aktuellen Zahlen zum Bundesländervergleich beim Photovoltaik-Ausbau zeigen auch, dass Berlin aufholt – und im vergangenen Jahr Spitzenreiter beim Ausbau der Photovoltaik war, wenn man ihn ins Verhältnis zur Landesfläche setzt. Der Masterplan Solarcity ist ein wichtiger Teil des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms. Mit dem Masterplan wollen wir das Potenzial der Solarenergie schnell und zuverlässig in nennenswerter Höhe erschließen.
Was kann der Masterplan leisten?
Im Masterplan werden Ausbauziele definiert und konkrete Maßnahmen verabredet. Mein Haus erarbeitet ihn zusammen mit Unternehmen und Expertinnen und Experten in einem Diskussionsprozess.
In diesem Prozess diskutieren wir auch den Unterstützungsbedarf. Wir entwickeln und realisieren Beratungsansätze. Ziel ist es, unterschiedlichen Akteuren von Hauseigentümern bis zu kleinen und mittelständischen Unternehmen die Umsetzung von Modellen zur Solarstromerzeugung unkompliziert zugänglich zu machen. Von Beratung über die rechtlichen Voraussetzungen bis zur Vernetzung von Kompetenzen ist da vieles möglich.
Berlin ist eine Stadt der Mieter. Für Vermieter ist es aber oft nicht wirtschaftlich, eine Solaranlage auf Mietshäuser zu setzen und die Hausbewohner so direkt mit Strom zu versorgen – wenn Immobilienunternehmen auch Strom anbieten, verlieren sie ihre branchenüblichen Steuerrabatte. Tun Sie etwas, um das Problem zu lösen?
Mit Mieterstrommodellen werden Mieterinnen und Mieter aktiv in die Energiewende miteinbezogen. Diese Modelle finden viele Vermieter aber kompliziert, daher wollen wir hier durch bessere Information Hürden abbauen. Zudem haben die Stadtwerke zusammen mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften eine Mieterstromplattform aufgebaut.
Berlin gewinnt zwar keine Energie mehr aus Braunkohle, das Fernwärmenetz – es ist Europas größtes – wird aber noch zu einem Viertel mit Steinkohle betrieben. Gemeinsam mit Vattenfall hat der Senat eine Machbarkeitsstudie für einen Kohleausstieg bis 2030 in Auftrag gegeben. Wozu ist das nötig?
Inzwischen haben auch die großen Energiekonzerne begriffen, dass die Zukunft emissionsfrei ist und in den Erneuerbaren liegt. Wir müssen also den Weg aus der Kohlenutzung schnell beschreiten, aber gleichzeitig die Versorgungssicherheit bei Strom und Wärme garantieren.
Nur eine durchdachte, breit getragene Lösung, die die technischen Möglichkeiten berücksichtigt und diskutiert, wird rasch zum Erfolg führen. Darum hat das Umweltressort einen Begleitkreis zur Erstellung der Studie eingerichtet, mit Beteiligten aus unterschiedlichen Bereichen der Stadtgesellschaft.
Wie gut verstehen Sie sich eigentlich mit Ihrem Potsdamer Amtskollegen Albrecht Gerber von der SPD?
Herr Minister Gerber und ich schätzen uns sehr und haben eine gute Gesprächsebene. Wir arbeiten gemeinsam für eine starke wirtschaftliche Entwicklung und Energiewende in der Hauptstadtregion.
Anders gefragt: Die Berliner Energiepolitik kann man im Grunde nicht losgelöst von der brandenburgischen sehen. Fast die Hälfte des Hauptstadt-Stroms kommt aus dem Umland, ein Großteil davon wird aus Braunkohle gewonnen – trotz Berliner Braunkohle-Ausstieg. Wie stellen Sie sich die künftige Kooperation mit dem Nachbarland vor?
Wir treten sowohl gegenüber Brandenburg als auch auf Bundesebene für den Ausstieg aus der Braunkohle ein. Dort vertreten wir aber auch die Forderung an die Regierung, die betroffenen Regionen und Menschen zu unterstützen. Dazu leisten wir auch einen Beitrag, zum Beispiel durch den Cluster Energietechnik Berlin-Brandenburg, in dem wir gemeinsam Innovationen und die Entwicklung von nachhaltigen Technologien zur Energieerzeugung und -nutzung fördern.
Es stimmt, dass nur rund 60 Prozent des Berliner Stromverbrauchs auch in der Stadt produziert werden und der Rest aus dem übrigen Bundesgebiet gedeckt wird. Vor allem weil Berlin im Bundesländervergleich den höchsten Anteil der Haushalte mit Ökostrombezug aufweist, ist Berlin als Lastsenke aber kein Argument für ein Weiter-so bei der Braunkohle.
Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde zuerst auf dem von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) betreuten Portal "Föderal Erneuerbar" veröffentlicht.
Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Agentur für Erneuerbare Energien in einer Reihe mit 16 Länder-Interviews zur Energiewende in der Rubrik Advertorials erschienen.