Matthias Willenbacher
Matthias Willenbacher. (Foto: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, Siemens-Chef Kaeser hat auf der Hauptversammlung Fehler beim Auftrag für eine Mega-Kohlemine in Australien eingestanden. Doch trotz Protesten will er an dem Auftrag festhalten. Wie kommt Siemens aus der Zwickmühle?

Matthias Willenbacher: Joe Kaeser hat vor einem halben Jahr mit großem Pathos seine Überzeugung kundgetan, dass Unternehmen der Gesellschaft zu dienen hätten. Schon vor fünf Jahren hat er das Ziel ausgegeben, dass Siemens bis 2030 klimaneutral wird. Aber Kaeser ist bisher jede ernst zu nehmende Strategie zum Erreichen dieser Ziele schuldig geblieben.

Auch auf der Hauptversammlung am vergangenen Mittwoch gab es kaum ein konkretes Wort dazu. Dass ihm Larry Fink, Chef eines der größten Siemens-Aktionäre, dies trotz seines eigenen Appells für eine klimafreundliche Unternehmensführung durchgehen lässt, ist peinlich.

Kaeser wird die schwierige Position, in die er Siemens mit seinem Festhalten an dem Adani-Projekt gebracht hat, nur unter einer Voraussetzung auflösen können: Er muss transparent, nachvollziehbar und überzeugend darlegen, wie er das selbst formulierte Ziel, Emissionsfreiheit über die gesamte Wertschöpfung zu erreichen, einlösen will.

Und er muss zeigen, wie er das so hinbekommen möchte, dass die Menschen vor Ort an der Wertschöpfung selbstbestimmt und in größter Würde teilhaben können. Denn neben der ökologischen ist auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit zu beachten. Und in dieser Hinsicht hat sich Siemens in der Vergangenheit – auch unter Kaesers Führung – ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert.

Man darf Zweifel haben, ob ihm all das gelingen wird. Bisher gibt es jedenfalls kein schlüssiges Konzept "made by Siemens" für eine Konzernausrichtung, die den Geboten ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit entsprechen würde.

Die Bundesregierung und der Kohlekonzern Uniper werben mit Klimaschutz für Datteln 4, denn dafür sollen andere, ältere Kraftwerke vom Netz gehen. Die Anti-Kohle-Bewegung hat am vergangenen Sonntag Verladekräne des Steinkohlekraftwerks im Ruhrgebiet besetzt, weil sie dem Versprechen nicht glaubt. Zu Recht?

Natürlich zu Recht. Denn die Bundesregierung weicht ja von dem an sich schon fragwürdigen Kompromiss der Kohlekommission in fast allen relevanten Punkten nochmals ab. Es gibt für den Erfolg der Energiewende und damit des wichtigsten Klimaschutzprojekts überhaupt kein größeres Hindernis als das unnötige Hinauszögern des Kohleausstiegs.

Deutschland macht sich damit in Europa zunehmend lächerlich. Ziviler Widerstand gegen das unverantwortliche Handeln der Bundesregierung und des Datteln-4-Betreibers Uniper ist also nicht nur legitim, sondern sogar geboten.

Viele halten sich schon für Umweltschützer, weil sie den Müll trennen und gelegentlich bio kaufen, kritisiert der Chemiker und Exchef des Öko-Instituts Rainer Grießhammer. Machen wir es uns zu leicht?

Natürlich hat jede und jeder eine Verantwortung für Klimaschutz – in der Rolle als Staatsbürgerin ebenso wie als Konsument. Wir sollten das aber nicht so negativ kommunizieren. Von einem Selbstbetrug der Menschen zu sprechen, wie es Grießhammer tut, halte ich für wenig zielführend.

Ich würde eher darauf setzen, die positive Seite eines klimafreundlichen Lebens aufzuzeigen. Gerade die dezentrale Bürgerenergiewende ist ein Beispiel dafür, dass Klimaschutz Spaß machen kann. Diese Spielart der Transformation zur Klimaneutralität zu stärken ist sinnvoll.

Vor allem müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden – wie es Grießhammer ja ebenfalls fordert. Das Beschimpfen der Menschen als Klimasünder bringt dagegen wenig.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die positive Entwicklung der Energiewende in Europa. Der Rückgang der Kohleverstromung um 24 Prozent zeigt, dass die Energiewende wirkt. Überraschend auch das rasante Comeback der Photovoltaik in Spanien, nachdem die Regierung Sanchez die richtigen Weichenstellungen vorgenommen hat.

Vielleicht nimmt sich Wirtschaftsminister Altmaier daran endlich ein Beispiel. Doch leider lässt seine Rede auf dem Jahrestreffen der Erneuerbaren-Branche wenig Gutes erwarten. Er beharrt auf den Abstandsregeln für Windräder und verknüpft ein Zugeständnis der SPD in dieser Frage mit dem eigentlich längst beschlossenen Wegfall des Photovoltaik-Deckels. Diese Art von Anti-Politik ist wirklich kaum zu ertragen.

Fragen: Sandra Kirchner

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