Qualmende Fabrikschlote
Im Paris-Abkommen haben die Staaten vor drei Jahren die Trendumkehr beim Ausstoß von Klimagasen vereinbart. Die Praxis sieht bislang anders aus, die Emissionen steigen und steigen. (Foto (Ausschnitt): Chris LeBoutillier/​Pixabay)

Im Dezember 2015 fand in Paris die "beste und friedlichste Revolution" statt, "eine Revolution gegen den Klimawandel". So vollmundig jedenfalls kommentierte der damalige französische Präsident François Hollande den Abschluss des Weltklimaabkommens, laut dem die globale Erwärmung auf höchstens zwei, besser aber 1,5 Grad begrenzt werden soll.

"Historisch" war das damals am meisten strapazierte Wort für das Ereignis. Der Vertrag sende den Märkten das Signal: "Nun kommt der grüne Umbau" – so gab sich US-Außenminister John Kerry überzeugt.

Und nun, drei Jahre später? Der Umbau hat Pause. Und man ist schon froh, wenn nicht die Konterrevolutionäre übernehmen.

Das ist die Situation zu Beginn des UN-Klimagipfels in Polen, der nun begonnen hat. Die Konferenz in Katowice war eigentlich "nur" als technisches Treffen auf dem Weg zur Umsetzung des Abkommens geplant, das ab 2020 gilt. Es geht vor allem darum, den Vertrag in ein Regelwerk zu übersetzen, das sicherstellt, dass alle 197 Unterzeichnerländer Klimaschutz auf der gleichen Berechnungsgrundlage betreiben und keiner den anderen durch Tricksereien über den Tisch zieht.

Außerdem soll Bilanz gezogen werden, wie stark die Klimaziele der Staaten nachgeschärft werden müssen, um das 1,5-bis-zwei-Grad-Ziel tatsächlich einzuhalten – als Sicherheitslimit gegen Kippelemente des Weltklimas, die eine globale Katastrophe auslösen würden. Doch nun gibt es eine weitere, hochpolitische Dimension.

Die zusätzliche Dimension von Katowice

Tatsächlich wird der dritte Klimagipfel nach Paris an den von dort ausgesandten Signalen gemessen werden, ob der 2015 beschworene Wille zum Abschied von den fossilen Energien überhaupt trägt. Denn bisher steuert die Welt ja faktisch weiter mit Vollgas in die Klimakrise.

Die Klimaschutz-Lücke ist zuletzt sogar größer geworden, nicht kleiner, wie man drei Jahre nach Paris doch wohl erwarten könnte. Die Hoffnung, die globalen Emissionen würden nun endlich sinken, hat getrogen. Sie steigen seit 2017 wieder deutlich an, und die CO2-Reduktionsziele der Regierungen reichen bei Weitem nicht aus, um das Zwei-Grad-, geschweige denn das 1,5-Grad-Limit zu halten.

Werden die Ziele nicht drastisch verschärft, wird die untere Sicherheitslinie bereits in zwei Jahrzehnten überschritten. Bis 2100 ist eine Erwärmung von über drei Grad wahrscheinlich, und danach würde der Anstieg weitergehen. Die Erde droht dann unbewohnbar zu werden.

Immerhin hat der G20-Gipfel in Argentinien jetzt kurz vor der Katowice-Konferenz das Paris-Abkommen in seiner Abschlusserklärung bekräftigt. Erstmals wird sogar das 1,5-Grad-Limit in einem solchen Papier der Obereinheizer des Planeten erwähnt und damit quasi als Messlatte für das eigene Handeln definiert.

Es ist ein Erfolg, dass die USA unter ihrem Klimaleugner-Präsidenten Donald Trump isoliert blieben und kein anderes Land ausscherte, auch nicht der Erdöl-Staat Saudi-Arabien und auch nicht das ab Januar von dem Rechtsextremen Jair Bolsonaro regierte Brasilien.

Trotzdem sichert das längst nicht die Erfüllung des Paris-Abkommens. Der Trump-Virus bleibt aktiv, und hehre Pro-Paris-Bekenntnisse nützen nichts, wenn sie nicht dazu führen, dass auch gehandelt wird.

Das Hauptproblem: Mit der Wahl von Trump zum US-Präsidenten ist die Achse USA–China weggebrochen, die das Paris-Abkommen erst möglich gemacht hatte. Seither schlingert die internationale Klimapolitik, es fehlt die Führung, es fehlen Vorreiter.

Die wirkliche Prüfung für die Welt steht noch aus

Kein Wunder daher, dass Trumps Nach-mir-die Sintflut-Haltung die Paris-Architektur erschüttert hat. Der US-Präsident hat den Austritt aus dem Abkommen angekündigt, milliardenschwere Zusagen der USA für die globale Klimafinanzierung zurückgezogen und lässt nichts aus, um das Vertrauen in die multinationale Zusammenarbeit zu zerstören.

Bolsonaro, Brasiliens künftiger Präsident, schickt sich derweil an, Trumps fossiles Zerstörungswerk im globalen Norden vom Süden her zu ergänzen. Er will den fürs Weltklima so wichtigen Amazonas-Regenwald zur Plünderung durch die Forst- und Agrarindustrie freigeben.

Mit dem Ausstieg aus Paris hat er auch schon gedroht. Und gerade erst demonstrierte Bolsonaro, wie unwichtig ihm die UN-Klimaverhandlungen sind, indem er die Bewerbung seines Landes um die Ausrichtung des nächsten Klimagipfels 2019 zurückziehen ließ.

Fazit: Für ein Aufatmen gibt es trotz der G20-Erklärung, die beim Klimaschutz ohnehin nur eine G19-Erklärung ist, keinen Anlass.

Selbst wenn der Katowice-Gipfel gut läuft und die fast 200 Staaten das "Regelbuch" für das Paris-Abkommen ohne große Friktionen verabschieden, steht die wirkliche Prüfung der Weltgemeinschaft noch bevor. Sie muss ans Eingemachte gehen.

Das heißt, endlich die Subventionen für fossile Energien abbauen, die weltweit die gigantische Summe von rund 600 Milliarden Dollar jährlich betragen – nur dann haben die erneuerbaren Energien wirklich eine Chance.

Und das heißt auch, dem Treibhausgas CO2 einen realistischen Preis geben, per Emissionshandel oder per CO2-Steuer. Ohne eine solche Korrektur bleibt die "beste Revolution" eine Fantasie.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz COP 24 in Polen finden Sie in unserem Katowice-Dossier

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