Plakat auf der Klimakonferenz COP25 in Madrid: Nennt es nicht Klimawandel, nennt es Klimanotfall
Papier ist geduldig, auch in Plakat-Form. "Nennt es nicht Klimawandel, nennt es Klimanotfall", hieß es auf zahlreichen Wänden in Madrid. (Foto: John Englart/Flickr)

Klimareporter°: Herr Latif, die Klimakonferenz in Madrid hat nur minimale Ergebnisse gebracht. Sollte man die UN-Klimagipfel einstellen?

Mojib Latif: Nach einem Vierteljahrhundert zäher Verhandlungen steht man immer noch mit leeren Händen da. Von der Konferenz in Madrid geht ein Signal der Uneinigkeit aus.

Ich wäre dafür, dass sich eine Allianz der Willigen bildet, aus Ländern, die beim Klimaschutz vorangehen wollen.

Die globalen Treibhausgas-Emissionen haben seit dem UN-Erdgipfel 1992 in Rio deutlich zugenommen, statt zu sinken. Sehen Sie nach der Erfahrung von Madrid überhaupt noch die Chance auf eine schnelle Trendwende?

Schon zu Beginn der 1990er gab es den Konsens in der Wissenschaft, dass sich die Erde deutlich erwärmt, wenn die Treibhausgase in der Luft zunehmen.

Genau das ist passiert. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

Eine Trendwende erscheint aus heutiger Sicht als nicht realistisch, insbesondere, wenn man bedenkt, dass der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen, die USA, aus dem Pariser Klimavertrag aussteigen wollen. Theoretisch kann man die Ziele des Abkommens aber noch erreichen.

Die EU hat beschlossen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ist das das richtige Signal?

Absolut! Aber die EU muss glaubwürdig bleiben und jetzt auch die entsprechenden Maßnahmen einleiten.

Porträt von Mojib Latif
Foto: GEOMAR

Mojib Latif

ist Professor für Ozean­zirkulation und Klima­dynamik am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozean­forschung Kiel und an der Universität Kiel, außerdem Präsident der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome und Vorstands­vorsitzender des Deutschen Klima-Konsortiums.

Die EU hat mit dem Green Deal eine große Verantwortung auf sich genommen. Scheitert die EU mit der Initiative, wäre das ein fatales Signal an die anderen Länder.

Sollte die EU an ihrem Kurs festhalten, auch wenn die anderen Schlüsselstaaten – siehe Madrid – auf der Bremse stehen?

Auf jeden Fall! Und die EU sollte sich Partner suchen. Zum Beispiel China, den mit 28 Prozent Anteil an den weltweiten Emissionen größten Verursacher von CO2.

Hier stecken auch enorme wirtschaftliche Chancen. Wenn sich die ökonomischen Hoffnungen erfüllen, dann werden auch die Blockiererländer wieder offen für Klimaschutz sein.

Auf welche Vorreiter setzen Sie sonst noch?

Ich setze zum Beispiel auf die nordeuropäischen und baltischen Länder. Eine Kooperation mit Nordafrika wäre ebenfalls wünschenswert. Die Region ist mit erneuerbarer Energie gesegnet. Man würde dort zudem die Demokratisierung fördern.

Um das 1,5-Grad-Limit aus dem Paris-Vertrag einzuhalten, müssten die globalen Emissionen ab 2020 jedes Jahr um mehr als sieben Prozent sinken. Das müssen wir wohl als unrealistisch abhaken – oder?

Das sehe ich auch so.

Bleibt am Ende doch nur Aufforstung, CO2 großtechnisch wieder aus der Luft holen oder sogar Geoengineering?

Das wird wohl die einzige Option sein, um eine Überhitzung der Erde zu vermeiden. Aufforstung wäre ein probates Mittel, sie wird aber nicht ausreichen.

Geoengineering lehne ich strikt ab. Die Risiken wären viel zu groß und der finanzielle Aufwand völlig unakzeptabel.

Ich plädiere für die industrielle Nutzung von CO2 aus der Luft, etwa in Form synthetischer Treibstoffe.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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