Nach dem Hurrikan "Maria" 2017 auf Dominica. Die Schäden erreichten fast das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts des karibischen Inselstaates. (Foto: Roosevelt Skerrit/​Wikimedia Commons)

Es ist keine zwei Wochen her, dass auf den Marshallinseln wieder Wasser durch Häuser, Keller, Straßen lief. "Direkt, bevor ich nach Madrid kam, habe ich heftigen Seegang mit durchschnittlich fünf Meter hohen Wellen erlebt", berichtet Carlon Zackhras auf der Weltklimakonferenz in der spanischen Hauptstadt.

Der junge Mann hat gerade diesen Sommer die Highschool auf dem Atoll Kwajalein der Marshallinseln beendet. Jetzt sitzt er für die Umweltbewegung Fridays for Future auf einem Podium in Madrid und berichtet vor der Weltpresse von den Klimawandelfolgen in seiner Heimat.

Eingeladen haben ihn die Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg sowie Luisa Neubauer, die bekannteste Repräsentantin der Jugendbewegung in Deutschland. Beide sind in Madrid – allerdings nicht in erster Linie, um selbst zu reden.

"Luisa und ich haben bemerkt, dass wir eine gewisse mediale Aufmerksamkeit bekommen", sagt Thunberg mit einem Schmunzeln. "Unsere Geschichten werden oft erzählt, aber es sind die Menschen im globalen Süden und von indigenen Gruppen, die ihre Geschichten erzählen sollten."

So wie Carlon Zackhras. Die Flutwellen im November waren nicht die höchsten, die der Inselstaat erlebt hat. Die Atolle der Marshallinseln liegen an den meisten Stellen nicht einmal zwei Meter über dem Meeresspiegel – fünf Meter hohe Wellen sind also gefährlich. "200 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen", schildert Zackhras.

Die Schäden waren glücklicherweise moderat. Für den Notfall sind die Marshallinseln außerdem versichert.

"Beginn des Risikotransfers in großem Stil"

Solche Versicherungen mehr Ländern im globalen Süden zugänglich zu machen, gehört zu einem Projekt, das die Bundesregierung am heutigen Montag am Rande der Klimakonferenz vorstellte.

Den Finanzminister wird es freuen: Dank der deutschen Beteiligung an einer Rückversicherung winken in Zukunft Gewinne. Das Ziel ist allerdings ein anderes. Klimarisiken sollen von armen Ländern auf Versicherungskonzerne übertragen werden.

In Entwicklungsländern sind weniger als fünf Prozent der Menschen gegen Naturkatastrophen versichert. Das deutsche Entwicklungsministerium will das ändern und kündigte gestern auf der Klimakonferenz in Madrid "den Beginn eines Risikotransfers in großem Stil" an – und zwar "von den Entwicklungsländern zu den internationalen Rückversicherungsmärkten".

Dazu beteiligt sich Deutschland mit 25 Millionen Euro am "Natural Disaster Fund" (NDF). Der Fonds wurde letztes Jahr von Großbritannien ins Leben gerufen und ebenfalls mit 25 Millionen alimentiert. Außerdem beteiligt sich nun auch der Versicherungskonzern Hannover Rück mit 50 Millionen Euro.

Große Buchstaben, grün angestrahlt:
Foto: Susanne Schwarz

Live von der COP 25

Die 25. UN-Klimakonferenz findet vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid statt. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet direkt vom Konferenzparkett.

Der NDF funktioniert wie eine normale Rückversicherung, bei der sich Versicherungen, aber auch Regierungen oder humanitäre Organisationen gegen Naturkatastrophen versichern können.

Neu ist allerdings, dass die Versicherungsnehmer dafür keine konkreten Schadensfälle nachweisen müssen. Es reichen zum Beispiel meteorologische Parameter, die zeigen, dass eine Insel von einem Wirbelsturm getroffen wurde.

Anschließend schüttet die Versicherung sofort Geld an die Bewohner oder an eine Hilfsorganisation aus. Es handelt sich daher um eine "parametrische Wetterversicherung".

Deutschland wird zum Rückversicherungsunternehmen

Die neue Initiative ist Teil des Insuresilience-Programms der G20-Staaten, mit dem bis zum Jahr 2025 insgesamt 500 Millionen Menschen gegen Naturkatastrophen versichert werden sollen.

Mit der Beteiligung am Natural Disaster Fund wird Deutschland ein im Grunde gewinnorientiertes Rückversicherungsunternehmen, denn die Versicherungsnehmer müssen natürlich eine Prämie bezahlen.

"Die Erwartung ist, dass über die Zeit und über all diese Projekte die Summe aller Prämien höher ist als die Summe aller Schäden", sagt Henning Ludolphs von der Hannover Rück. Und wenn für den Rückversicherer ein Gewinn anfällt, dann auch für Deutschland, denn alle NDF-Teilhaber sind, so Ludolphs, "im gleichen Boot".

Die zu zahlenden Prämien werden eine "große Bandbreite von vielleicht zwei bis 15 Prozent" der maximal versicherten Schadenssumme haben, schätzt Ludolphs. Wie bei jeder anderen Versicherung gelte auch beim NDF: "Je höher das Risiko, desto höher die Prämie."

Bei den Nichtregierungsorganisationen sind die Reaktionen auf die deutsche NDF-Beteiligung zweigeteilt. "Wir begrüßen die Ankündigung der Bundesregierung, Klimarisiken in armen Ländern finanziell abzufedern", sagt Sabine Minninger vom Hilfswerk Brot für die Welt.

"Gerecht wäre es aber eigentlich, wenn die Industriestaaten die Prämien komplett übernehmen würden. Sie haben die Klimakrise zum allergrößten Teil verursacht."

"Das ebnet Versicherungskonzernen den Markteintritt im Süden"

Harjeet Singh von der Hilfsorganisation Action Aid kritisiert hingegen das NDF-Modell: "Warum können Deutschland und die anderen Industriestaaten ihre Faszination von Versicherungslösungen nicht überwinden? Versicherungen helfen nicht gegen den steigenden Meeresspiegel."

Singh stößt sich auch am privatwirtschaftlichen Ansatz: "Damit hilft man nur Versicherungskonzernen beim Markteintritt in Entwicklungsländern."

Einig sind sich Minninger und Singh in einem anderen Punkt. Die Entwicklungsländer fordern in Madrid, dass ein Fonds geschaffen wird, der für Verluste und Schäden infolge des Klimawandels aufkommt. Dies wollen besonders Australien und die USA, aber auch die meisten anderen Industriestaaten verhindern.

Für Singh ist der NDF daher ein "Ablenkungsmanöver". Minninger attestiert Deutschland durch das neue Projekt eine Vorreiterrolle. Sie fordert: "Die Bundesregierung sollte diese Chance nutzen und die anderen Industriestaaten motivieren, auf die Forderung der Entwicklungsländer einzugehen."

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid und zum Alternativgipfel in Santiago finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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