Am Donnerstag endete die diesjährige Klima-Zwischenkonferenz in Bonn. Zum Auftakt hatte UN-Klimachef Simon Stiell den diplomatischen Vertreter:innen aller Länder die Bedeutung ihres Tuns in Erinnerung gerufen. Die Fortschritte der kommenden zehn Tage würden "einen sehr realen Unterschied für Milliarden von Menschen, in allen Ländern" machen.

Nach zehn Tagen Verhandlungen am Rhein ist von diesen "realen Unterschieden" wenig zu spüren. Im Gegenteil, es bleiben viele lose Verhandlungsstränge und zähe, inhaltliche Differenzen, die an den Klimagipfel COP 30 im November durchgereicht werden.

 

Sinn und Zweck der alljährlichen Konferenz am Sitz des UN-Klimasekretariats in Bonn ist es, den später im Jahr stattfindenden UN-Klimagipfel, diesmal im brasilianischen Belém, vorzubereiten. Agendastreitigkeiten sollen früh benannt und möglichst aus dem Weg geräumt, inhaltliche Kompromisslinien vorbereitet und noch zu verhandelnde Beschlusstexte auf die wesentlichen Differenzen eingedampft werden.

"Etwas angespannter als sonst war die Stimmung in Bonn", resümiert Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Viele Punkte, in denen man schon auf dem letzten Klimagipfel in Baku nicht vorangekommen sei, seien weiter ungeklärt und müssten in Belém weiterdiskutiert werden, so der Finanzexperte und erfahrene Beobachter der internationalen Klimaverhandlungen. Dass es in dieser festgefahrenen Situation viel Frustration gegeben habe, sei keine Überraschung.

Die Herausforderungen sind bekanntermaßen gewaltig und werden Studie um Studie gewaltiger. Das verbleibende CO2-Budget, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird laut einem neuen Bericht, den die Wissenschaftsinitiative Indicators of Global Climate Change (IGCC) in Bonn vorstellte, beim derzeitigen Emissionsniveau bereits in drei Jahren zur Neige gehen.

Kurskorrektur muss warten

Dass die Klimaanstrengungen keineswegs mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind, ist der Weltgemeinschaft natürlich nicht neu. Schwarz auf Weiß hat sie es seit dem Klimagipfel 2023 in Dubai.

Der erste "Global Stocktake", eine globale Bestandsaufnahme der internationalen Klimabemühungen, ergab damals, was alle schon wussten: Die Welt ist nicht auf Kurs. Die Staaten reagierten in Dubai mit einem Beschluss zur Kurskorrektur mithilfe zahlreicher Maßnahmen, darunter prominent eine "Abkehr von fossilen Energien" und eine Verdreifachung der globalen Erneuerbaren-Kapazität bis 2030.

Seit 1996 treffen sich die Länder der Klimarahmenkonvention einmal jährlich in Bonn. (Bild: Kiara Worth/IISD/ENB)

Wie diese meist reichlich unkonkreten Ziele erreicht werden sollen, darauf konnten sich die 197 Länder bislang nicht einigen, weder in Dubai noch im Jahr darauf in Baku. Und auch die vergangenen Tage in Bonn haben an den festgefahrenen Positionen kaum rütteln können.

Es seien vor allem arabische Länder, aber auch große Schwellenländer, die auf der Bremse stünden, sagt Kowalzig.

Viele Schwellen- und Entwicklungsländer knüpfen ihre Zusage zu mehr Klimaschutz an Zusagen der Industrieländer für mehr Klimafinanzierung. Zur Wahrheit gehört auch, dass Industrienationen beim Thema Finanzen nicht nur bremsen, sondern mit Verweis auf den letztjährigen Gipfel in Baku versuchen, jeden erneuten Diskussionsversuch im Keim zu ersticken.

Dort einigten sich die Länder, die Klimafinanzierung bis 2035 von 100 Milliarden auf 300 Milliarden US-Dollar anzuheben.

Der Abschlusstext erkannte dabei an, dass die Summe viel zu gering ist, und beauftragte die Präsidentschaften der beiden Klimakonferenzen in Aserbaidschan und Brasilien, einen Fahrplan zu erarbeiten, um die gesamte Klimafinanzierung auf 1,3 Billionen Dollar zu steigern.

Mit anderen Worten: Die Anhebung der Geldflüsse auf 300 Milliarden ist zugesagt und die Notwendigkeit von mindestens 1,3 Billionen anerkannt. Das heißt aber auch, dass es bislang gar keine konkreten Zusagen für mehr Unterstützung zwischen 2025 und 2035 gibt.

Klimafinanzierung bleibt unkonkret

Auch etliche weitere Fragen ließ der Abschlusstext von Baku offen. Große Uneinigkeit herrscht etwa darüber, wie sich die 300 Milliarden aus öffentlichen und privaten Geldern zusammensetzen sollen.

Die Industrienationen betonen immer wieder, dass der Löwenanteil von privaten Investitionen stammen müsse. Diese sollen lediglich durch öffentliche Gelder angereizt werden.

Die nachvollziehbare Sorge der Entwicklungsländer ist, dass Klimaanpassung bei diesem Vorgehen wieder mal hinten runterfällt. Schließlich lassen sich mit der Errichtung von Dämmen oder dem klimaresilienten Umbau der Landwirtschaft nur schwerlich Renditen erzielen.

Ein Delegierter der unabhängigen lateinamerikanischen Staatengruppe kritisierte denn auch bei der jetzigen Bonner Zwischenkonferenz: "Das Engagement des Privatsektors und philanthropischer Einrichtungen muss die Verpflichtungen der Industrieländer ergänzen und darf sie nicht ersetzen."

Auch bei der seit Langem erhobenen Forderung der ärmeren Länder, spezifische Finanzierungsziele für Klimaanpassung festzulegen und Finanzierungshilfen für Klimaschäden – neben Klimaschutz und -anpassung – in die Diskussion einzubeziehen, gab es kein Entgegenkommen der Industriestaaten. 

Unter der Führung Indiens forderten Entwicklungsländer deshalb, die direkte Finanzverpflichtung der Industrienationen als eigenen Tagesordnungspunkt für Belém aufzunehmen. Insbesondere die EU stellte sich gegen den Vorschlag.

Der Konflikt legte die Verhandlungen in Bonn letzte Woche für etwa zwei Tage lahm. Als Kompromiss durften die Entwicklungsländer ihre Kritik bei einer formellen Anhörung vortragen. Gesammelt in einem Bericht, soll die Kritik in die Verhandlungen in Belém einfließen.

Für 80 Prozent aller Emissionen fehlen verbesserte Klimapläne

Die Gipfel COP 30 im November in Belém gilt als der wichtigste seit Paris 2015. "Wenn Verhandlungen in Bonn stocken, ist das noch keine Katastrophe", erklärt Kowalzig. Multilateralismus sei nun mal langsam. Aber in Belém müsse geliefert werden. "Da ist Kassensturz."

In Brasilien soll die nächste Generation der nationalen Klimapläne, der sogenannten NDCs, ausgewertet werden. In seinem NDC-Dokument beschreibt jedes Land, wie sein Beitrag zum Erreichen des Pariser Klimaziels aussieht.

Obwohl die Deadline für die neuen, bis 2035 geltenden Pläne bereits im Februar verstrichen ist, liegen von den knapp 200 Ländern erst 23 NDCs vor.

Insgesamt fehlen die Pläne von Ländern, die zusammen 79 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ausmachen, darunter die EU und China. Aber auch von den 23 Einreichungen greift nicht mal die Hälfte eine Abkehr von fossilen Energien auf.

In Bonn verhandelten die Diplomat:innen nicht direkt über die NDCs. Aber die Frage, wie auf den erwartbar ernüchternden "Kassensturz" reagiert werden soll, steht natürlich im Raum. Bislang sträubt sich die brasilianische Gipfelpräsidentschaft, die Diskussion über eine mögliche Verfehlung auf die offizielle Tagesordnung zu setzen.

Technologieoptimismus stößt an seine Grenzen

Brasilien wolle einen erfolgreichen Klimagipfel, meint Kowalzig. Da sei die Diskussion über unzureichende Klimapläne nicht unbedingt förderlich.

Doch am Ende wird sich die globale Klimadiplomatie an ihrer Antwort auf die schwachen Klimapläne messen lassen müssen, daran ändert auch der brasilianische Unwillen nichts. Denn die Klimaanstrengungen bis 2035 entscheiden darüber, ob die 1,5 Grad überschritten werden oder nicht.

Ein Zurück ist danach nur mit gewaltigen Anstrengungen möglich, wie der Klimaexperte Niklas Höhne am Rande der Verhandlungen mahnte. Um die Erde auch nur um 0,1 Grad abzukühlen, müssten der Atmosphäre 200 Milliarden Tonnen CO2 entnommen werden.

Das ist mehr als das Fünffache des gegenwärtigen Jahresausstoßes.

Selbst die größten Technikoptimist:innen werden zugeben: Noch nicht einmal am fernen Horizont sind die sogenannten Negativemissions-Technologien imstande, solche Mengen aus der Luft zu saugen.

Anzeige