Keine Industriemesse, sondern eines von zahlreichen "Side Events" beim letztjährigen Klimagipfel in Baku. (Bild: Anastasia Rodopoulou/​IISD/​ENB)

Knapp einen Monat vor Beginn des UN-Klimagipfels COP 30 in Belém steht die Gastgeber-Nation Brasilien unter Druck – nicht nur wegen logistischer Engpässe und enorm hoher Unterkunftspreise, sondern auch wegen der Frage, wie unabhängig der Gipfel von fossilen Interessen sein wird.

Mehr als 225 Nichtregierungsorganisationen haben in einem offenen Brief an die brasilianische COP‑30-Leitung gefordert, die diesjährigen UN-Klimaverhandlungen zu einer "polluter-free COP" zu machen – einer Konferenz ohne Sponsoren, deren Geschäftstätigkeit den Klimawandel befeuert. "Die Organisatoren sollten mit gutem Beispiel vorangehen und sich zu einer Konferenz ohne Umweltverschmutzer verpflichten", heißt es darin.

"Seit Jahren untergraben große Konzerne – besonders aus der fossilen und anderen stark verschmutzenden Branchen – den Klimaschutz durch intensives Lobbying, auch bei den Vereinten Nationen", sagte Lien Vandamme vom Center for International Environmental Law (CIEL) in Genf dem britischen Informationsdienst Climate Home News. Eine Reform der Klimaverhandlungen sei dringlicher denn je. Die COPs dürften "keine Industriemessen bleiben".

"Die Öllobby wird an den Tisch gebeten"

Die NGOs appellieren an Brasilien, nicht nur das direkte Sponsoring von Konzernen aus der Öl-, Gas- und Kohlebranche auszuschließen, sondern auch die Zusammenarbeit mit der PR-Agentur Edelman zu beenden.

Edelman hat laut Climate Home News einen Vertrag über 835.000 US-Dollar erhalten, um die internationale Kommunikationsstrategie für die COP 30 zu betreuen, während die New Yorker Agentur gleichzeitig für den Ölkonzern Shell arbeitet, der in Brasilien und anderen Ländern massiv in neue Öl- und Gasprojekte investiert

 

Hintergrund der Kritik ist die wachsende Präsenz der Fossilindustrie bei den Klimakonferenzen: Laut der Kampagne "Kick Big Polluters Out" erhielten bei der COP 29 letztes Jahr in Aserbaidschan fast 1.800 Lobbyist:innen aus der Öl- und Gasbranche Zugang – mehr als die Delegationen der zehn vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder zusammen an Mitgliedern zählten.

Die NGOs fordern deshalb ein "Verantwortungs- und Transparenzsystem", das klar definiert, was bei den UN-Klimagesprächen als Interessenkonflikt gilt und wie damit umzugehen ist.

Während Brasilien verspricht, die COP 30 zur "größten Marktplattform für transformative Klimaschutz-Lösungen" zu machen, sehen Kritiker darin eher den Versuch, Unternehmen ohne ausreichende Kontrolle einzubinden. "Es ist inakzeptabel, dass der COP‑30-Präsident Firmen an den Tisch bittet, ohne das Risiko von Greenwashing und Interessenkonflikten klar anzusprechen", sagte Vandamme.

Unterkunftsfrage immer noch ungelöst

Neben diesen politischen Spannungen kämpft der Belém-Gipfel mit massiven logistischen Problemen. Die Stadt im Nordosten der Amazonas-Region verfügt über rund 18.000 Hotelbetten, erwartet wurden aber bis zu 45.000 Gäste. Hotels und Vermieter nutzen die Situation – mit dramatischen Preissteigerungen.

Zimmer, die sonst 50 bis 100 US-Dollar kosten, werden derzeit für mehrere hundert bis über 4.000 Dollar pro Nacht angeboten. Einige Hotels verlangten für den gesamten COP-Zeitraum von zwölf Tagen Pauschalpreise von 5.000 bis 50.000 Dollar.

Auf der offiziellen Buchungsplattform des Veranstalters wurden laut Climate Home News selbst Stundenhotels für 570 Dollar pro Nacht und Dreizimmerwohnungen für bis zu 3.400 US-Dollar angeboten. Delegationen müssen meist zehn bis 15 Nächte im Voraus buchen – häufig ohne Rückerstattungsmöglichkeit.

Das UN-Klimasekretariat schlug bereits im Sommer Alarm: Wegen der "sky-high costs" wurde im Juli eine Krisensitzung einberufen.

 

Um gegenzusteuern, charterte Brasilien zwei Kreuzfahrtschiffe mit insgesamt rund 3.800 Kabinen als schwimmende Hotels. Außerdem versprach die Regierung, mindestens 2.500 Zimmer zwischen 100 und 600 US-Dollar bereitzustellen – mit günstigeren Kontingenten für ärmere Staaten.

Doch auch diese Maßnahmen reichen offenbar nicht aus. Laut der Agentur Reuters haben viele Staaten noch keine Unterkünfte sichern können. Mehrere Länder erwägen, ihre Teams drastisch zu verkleinern oder gar nicht anzureisen, entsprechende Ansagen kamen aus den kleinen Inselstaaten im Pazifik, aber auch aus den EU-Ländern Litauen und Lettland.

Damit droht der "Gipfel am Amazonas", der eigentlich ein Symbol für Klimagerechtigkeit sein sollte, zum Sinnbild struktureller Ungleichheit zu werden – und zum Prüfstein dafür, ob globale Klimapolitik tatsächlich alle an den Tisch holt oder nur jene, die sich einen Platz leisten können.