Eine Klimakonferenz journalistisch aufzubereiten, ist dankbare Arbeit. Liegen die Beschlüsse vor, muss der Schreiberling nicht mehr tun als aufschlüsseln, einordnen und ein paar kritische Reaktionen von Beobachter:innen einsammeln.
Was aber, wenn es keine Beschlüsse gibt? Eben dieser Frage mussten sich Berichterstatter:innen am vergangenen Donnerstag, dem letzten Tag der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn, stellen.
Nun greift die Autorität einer Vorbereitungs- oder Zwischenkonferenz nicht weit genug, um, sagen wir mal, die Sprengung aller Kohlekraftwerke zu beschließen. Aber zumindest irgendein Anzeichen der Kompromissfindung, ein beherzter Schritt nach vorn bei einem der ewigen Streitthemen – das würde dem bemühten Journalisten schon aus der Patsche helfen.
Von alldem kann bei der Konferenz in Bonn nicht die Rede sein. Die Leiden des Berichterstatters sind dabei das geringste Problem.
Es ist wahrscheinlich, dass wir in den nächsten fünf oder zehn Jahren das 1,5-Grad-Limit reißen. Eine Rückkehr von so einem "Overshoot"-Szenario ist theoretisch möglich, aber wirklich nicht realistisch.
Dieser unbestreitbaren Dringlichkeit zum Trotz überdauert der stehende Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern scheinbar unbeeindruckt Konferenz um Konferenz. Viele der armen – und nicht mehr ganz so armen – Länder weigern sich, über ambitionierten Klimaschutz zu verhandeln, solange die Frage der Klimafinanzierung nicht geklärt ist.
Die Industrienationen verweigern ihrerseits, die Klimafinanzierung wieder auf den Verhandlungstisch zu legen. Aus ihrer Sicht ist spätestens seit dem Klimagipfel letztes Jahr in Baku alles geklärt. Dort steht im Abschlussdokument: Die Klimafinanzierung soll bis 2035 von 100 auf 300 Milliarden US-Dollar anwachsen, und es sollen Anstrengungen unternommen werden, 1,3 Billionen zu mobilisieren.
Große Zahlen und viele Fragen
Das sind schöne, weitherzig wirkende Summen und dazu auch noch in einem so angenehm freien Regelkorsett. Welchen Anteil die Industrieländer davon tatsächlich aus öffentlichen Mitteln zu zahlen haben und welcher von privaten Investor:innen kommen soll? Dazu findet sich im Schlussdokument nichts.
Wie private Investor:innen – deren Bedeutung vor allem die Industrieländer stets betonen – für Klimaanpassung ohne Gewinnaussichten begeistert werden sollen? Wie ärmere Länder gegen den kompletten Ausverkauf ihrer Infrastruktur geschützt werden sollen? Totale Leerstellen.

Auch welche Finanzunterstützung zwischen 2025 und 2035 fließen soll, ist nicht geklärt.
Es ist noch nicht einmal definiert, was Klimafinanzierung ist. Also unter welchen Bedingungen die Förderung eines Projekts als Klimafinanzierung gewertet werden darf. Auch daran haben Deutschland und Co kein Interesse, schließlich dürfen sie sich dabei bislang selbst auf die Finger schauen.
Ist das einzige und ursächliche Hemmnis der internationalen Klimadiplomatie also die Knausrigkeit der Industriestaaten? Auch das würde der Wahrheit wohl nicht Genüge tun.
Erstens würde das die grundsätzliche Bereitschaft aller Länder für wirksamen Klimaschutz voraussetzen. Die ist zweifelsohne nicht gegeben. Zu groß ist die Abhängigkeit vieler Industrie- wie auch Entwicklungsländer von dem fossilen Geschäft.
Faire Klimafinanzierung: Todesurteil für jede Regierung
Und zweitens: Die Kausalleiter lässt sich munter weiter hinabsteigen. Fünf oder gar zehn Prozent des Staatshaushalts als faire Klimafinanzierung in den globalen Süden zu senden, wäre mit Sicherheit das Todesurteil für jede Regierung.
Das nationale Kapital, Seite an Seite mit den liberalen, konservativen und rechten Kräften, stünde auf den Barrikaden, bevor die Regierungssprecherin das Wort "Klimagerechtigkeit" aussprechen könnte.
Ob ein entsprechender politischer Wille auf den Regierungsbänken existiert, ist eine andere, aber im Endeffekt nebensächliche Frage.
Deshalb greifen auch die immer mal wieder aufflammenden und nachvollziehbaren Rufe nach einer Reform des Klimagipfel-Prozesses zu kurz. Der Ausschluss von Lobbyist:innen, die Auswahl des Gastgeberlandes nach objektiven Kriterien, die stärkere Einbeziehung der Wissenschaft – all das wären sinnvolle Neuordnungen, aber am Ende würden die Konferenzen dennoch an dieselben strukturell vorgegebenen Grenzen stoßen.
Denn am Ende ist das Gelingen einer klimagerechten Transformation, so abgedroschen es klingt, eine Frage der Machtverhältnisse zwischen den Staaten und innerhalb der Gesellschaften. Und diese wurden in Bonn genauso wenig verhandelt wie letztes Jahr in Baku. Und im November in Brasilien wird es auch nicht anders sein.