Der Film wirbt mit einem spektakulären und zugkräftigen Plakat. Von rechts unten zielt ein Revolver auf die links etwas erhöht in das Bild hineinragende Erde. Auf dem Lauf des Revolvers, befinden sich Versatzstücke einer Großstadt. Am Ende des Laufs ist ein rot geschminkter Mund, der zu einem Kuss geformt ist. Die Erde wird repräsentiert durch eine junge Frau, deren Oberkörper von terrestrischen Vegetationen durchzogen ist. Auch wenn die Erde bedroht wird, wirkt sie dadurch, dass sie von links in das Bild hineinragt, dominant. Sie scheint die Bedrohung aus dem Bild drängen zu können. Die (männliche) Hand am Revolver ist überdies im Begriff zu verglühen. Siegt die Erde über ihren Zerstörer?
Das Plakat wirbt für einen Film, der von einer Konferenz handelt. Doch war es nicht irgendeine. Die Weltklimakonferenz 2015 in Paris war von weltgeschichtlicher Bedeutung. Erstmals wurde ein Abkommen der 195 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen verabschiedet. "Als wir uns entschieden, die Erde zu retten", wie Barack Obama damals meinte. Auch damit wirbt der Film. Eine ordentliche Portion Spannung steckt darin ja. Lässt sich diese Spannung in einem Dokumentarfilm vermitteln? Regisseur Filip Antoni Malinowski und sein Team haben sich der Herausforderung gestellt.
Der Bezug zum Superheldenkosmos ist nicht von der Hand zu weisen. Marvels "Guardians of the Galaxy" lassen grüßen. Beabsichtigt hat der Regisseur dies allerdings nicht. Er habe sich auf die Earth Guardians Foundation berufen, sagte er im Interview. 1992 als Jugendorganisation auf Hawaii entstanden, ist aus den Earth Guardians eine weltweite Empowerment-Bewegung der Jugend geworden, deren treibende Kraft der junge American Native Xiuhtezcatl Martinez ist. Eine der spektakulärsten Aktionen der letzten Jahre war die Klage gegen die US-Regierung, weil sie das Paris-Abkommen missachtet.
Klimahelden erweisen sich als greifbare Vorbilder
Bleiben wir dennoch bei dem Superhelden-Vergleich. Welche Heldenfiguren haben wir in "Guardians of the Earth"? Da ist Saleemul Huq, ein Klimawissenschaftler aus Bangladesch. Er ist Berater für die Least Developed Countries, bekanntlich die Länder, die am meisten unter dem Klimawandel leiden (werden). Gemeinsam mit den Vertretern der Länder bespricht er die Verhandlungsstrategien für die Klimakonferenzen.
Da ist Christiana Figueres aus Costa Rica, die von 2010 bis 2016 Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen war. Oder Laurent Fabius, französischer Außenminister und Präsident der Pariser Konferenz. Da ist Noora Hamad al-Amer, eine junge Unterhändlerin des Königreichs Bahrain, das in Öl schwimmt. Und da ist Carole Dieschbourg, Umweltministerin von Luxemburg und Vorsitzende der EU-Gruppe in den Verhandlungen. Und einige mehr.
Filmstart
Ab Donnerstag läuft "Guardian of the Earth" in ausgewählten Kinos.
Alle diese Protagonisten werden während der Klimaverhandlungen bei der Arbeit und in Interviewsituationen gezeigt, in denen sie die Abläufe erklären, kommentieren und Zusatzinformationen geben. Die Zuschauer sehen die Protagonisten in Aktion, erleben sie als Verhandlungsprofis, aber auch in emotionalen Momenten des Zweifels und der Hoffnung.
Es sind keine Superhelden, sondern greifbare Vorbilder, weil sie sich dafür einsetzen, in einer sehr komplexen Situation zu einem Abkommen zu gelangen. Die Spannung, unter der alle stehen, überträgt sich auf die Zuschauer. Es ist eine Spannung, die sich aus den Anforderungen an die Protagonisten und dem Faktor Zeit speist. Wir erkennen, was auf dem Spiel stand. Die Arbeitsintensität war enorm. Das gilt auch für die Arbeit des Filmteams, das sich immer wieder neu auf die schnell wechselnden Gegebenheiten einstellen musste. Allein auf 100 Raumänderungen musste das Filmteam jeden Tag reagieren.
Wer ist der Antagonist? Wer hält den Revolver in der Hand? Eigentlich keiner der im Film Gezeigten. Der australische UN-Botschafter für Umwelt und Chefunterhändler auf der Konferenz, Peter Woolcott, will zwar bei der Kohle bleiben. Für Australien sei das überlebenswichtig. Ein bisschen wird er per Zeitlupe auch als Schurke eingeführt. Immerhin stellt er sich aber während der Konferenz der Diskussion.
Antagonisten sind eher diejenigen, die gar kein Übereinkommen von Paris haben wollen. Die Klimaskeptiker etwa. Deshalb wird der Film von Aussagen Donald Trumps eingerahmt. Vor schwarzem Hintergrund hören wir, was Trump zu sagen hat. Ein kluges Stilmittel von Malinowski: So können wir uns auf die Unsinnigkeit dessen, was Trump sagen zu müssen glaubt, konzentrieren und werden nicht von seiner zu Vorurteilen einladenden äußeren Erscheinung abgelenkt.
Der in österreichisch-deutscher Koproduktion entstandene Film wurde bereits in einigen deutschen Kinos voraufgeführt – mit anschließenden Filmgesprächen, an denen Umweltexpertinnen und -experten teilnahmen. Die Zahl der Kinos, in denen er in den nächsten Wochen gezeigt wird, ist stattlich, doch länger als eine Woche dürfte er sich selten im Programm halten. Es ist ratsam, sich frühzeitig auf den Weg ins Kino zu machen.