In der Kombüse wird vegan gekocht. (Bild: Kathrin Henneberger)

"Hurra, die Welt geht unter" – zu Henning-May-Musik tanzend bereite ich bei hohem Wellengang um sechs Uhr morgens das Frühstück vor.

Ich püriere Kichererbsen und Rote Beete zu pinkem Hummus, schneide Bananen und rühre im schwankenden Porridge, schaffe es beinahe, mich mit kochendem Wasser zu übergießen, renne den kullernden Äpfeln hinterher und sammle am ganzen Körper blaue Flecken.

Von Lissabon bis Teneriffa ist es meine Verantwortung, dass alle gestärkt in den Morgen starten – und so verwandelt sich der Küchentisch in einen Regenbogen.

Ohne Vitamine gibt es auf See schließlich Skorbut, so die alten Berichte von Seefahrer:innen. Und ohne Proteine und Kohlenhydrate wird das nichts mit Segelsetzen und Absichern.

Brot wird an Bord frisch gebacken (das beste der Welt, versteht sich) – vom Bootsmann aus Mexiko und einem mitfahrenden Biobauern aus Brandenburg. Genug zu essen für alle ist die Grundvoraussetzung, damit die Stimmung nicht kippt und wir genug Energie haben, den Tag (und die Nacht) durchzuarbeiten.

Finnwale kreuzen vor der spanisch-portugiesischen Küste unseren Weg. Da wir ohne Motorgeräusche fahren, kommen sie unserem Schiff recht nah, tauchen hinter uns plötzlich auf, machen sich mit einer Blasfontäne bemerkbar und versuchen – sich aus dem Wasser hebend – neugierig, einen Blick aufs Deck zu erhaschen.

Dann tauchen sie wieder ab, bis eine erneute Fontäne mehrere hundert Meter entfernt einen Abschiedsgruß sendet.

Lissabon erreichen wir im Sonnenaufgang und nehmen weitere Klimaaktivist:innen an Bord. Ein Fahrrad wird im Laderaum des Segelschiffs verstaut. Es gehört Antoine, Aktivist der "COP Bike Ride" – einer Initiative, die von der letzten Weltklimakonferenz in Baku mit dem Fahrrad nach Belém fährt und den Atlantik mit dem Segelboot überquert. Das Ziel: mit einer globalen Fahrrad-Sternfahrt Aufmerksamkeit schaffen für eine Dekarbonisierung der Mobilität.

An Bord werden die neuen Mitfahrenden schnell eingewiesen – vom Putzplan bis zum Brandschutz- und Sicherheitstraining. Damit das Leben auf dem Schiff funktioniert, muss jede:r das eigene Ego etwas zurückstecken, Verantwortung übernehmen, wenn es einer anderen Person nicht gut geht, und bereit sein, im Notfall schnell in Aktion zu treten. Im Kleinen wird bereits gelebt, wie die Menschheit eigentlich miteinander umgehen sollte.

Geldströme und Gerechtigkeit

Am Ende steht die Frage, ob wir es schaffen, das, was die Ökosysteme uns für ein gutes Leben aller zur Verfügung stellen, gerecht zu teilen – und ob wir unsere eigene Erfindung, das Geld, so einsetzen, dass es diesem Zweck dient. Dafür braucht es klimagerechte Entscheidungen von Staaten, Banken, Unternehmen und Menschen mit Privatvermögen.

Die aktuelle Logik unserer Wirtschaft ist: Investitionen, die getätigt werden und für die Kredite aufgenommen werden, sollen sich finanziell rentieren. Bei fossilen Investitionen hat dies den Effekt, dass Unternehmen nicht freiwillig auf ihre Profite verzichten wollen – kurzfristige Interessen stehen hier gegen das Allgemeinwohl. 

Bild: privat

Kathrin Henneberger

ist Klimaaktivistin und ehemalige Bundes­tags­abgeordnete der Grünen und engagiert sich seit vielen Jahren in der Klima­gerechtigkeits­bewegung. Als Teil der "Flotilla 4 Change" schreibt sie für Klima­reporter° eine Gast­beitrags-Serie auf dem Weg zur Klima­konferenz COP 30 in Brasilien sowie vom Gipfel selbst.

Dies führt dazu, dass fossile Unternehmen, die jetzt beispielsweise noch auf LNG-Infrastruktur setzen oder neue Gas- und Ölvorkommen erschließen, sich dafür einsetzen, dass sich ihre Investitionen rentieren und so lange wie möglich Gewinne erwirtschaften können.

Hier liegt die Gefahr: Wenn Unternehmen und Staaten weiterhin in fossile Infrastruktur investieren und Banken finanzielle Mittel bereitstellen, werden diese – einmal gebaut – über Jahrzehnte weitergenutzt.

Fossiler Lock-in-Effekt wird das genannt: Wir verharren in der Nutzung fossiler Rohstoffe, statt endlich voll auf hundert Prozent Erneuerbare zu setzen.

Ob wir die Klimakrise noch aufhalten und mit den bereits auftretenden Folgen gerecht umgehen, hängt also entscheidend von der Antwort auf die Frage ab: Wohin und wie fließt staatliches und privates Geld? Unter dem großen Oberthema Klimafinanzierung wird dies auch auf den UN-Klimakonferenzen, den COPs, verhandelt.

Klimaschutz, Anpassung und Verluste

Bei der Klimafinanzierung wird unterschieden zwischen Mitteln für Klimaschutz, für Klimaanpassung sowie für "Verluste und Schäden".

Im Klimaschutz geht es zum Beispiel um den Aufbau erneuerbarer Energieinfrastruktur oder energieeffizienter Industrien. Zur Klimaanpassung gehören Maßnahmen vom Stadtumbau gegen Hitzestress bis hin zu wassersparender Landwirtschaft. "Verluste und Schäden" erfordern Mittel für den Wiederaufbau nach Wetterextremen oder bei Landverlust durch Wüstenbildung oder Meeresspiegelanstieg.

Die Bereitstellung ausreichender Klimafinanzierung bedeutet auch, regionale sowie globale Sicherheit zu gewährleisten. Zu oft kommt es bereits durch die Klimakrise zu gewalttätigen Landnutzungskonflikten, oder bestehende Konflikte werden verstärkt.

Klimafinanzierung ist damit auch eine effektive Friedenspolitik. Anders als für militärische Aufrüstung sind diese Gelder jedoch nicht leicht zu mobilisieren. Wir befinden uns hier in einer Schieflage, ähnlich wie bei der Finanzierung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.

Für fünf Dollar Klimadarlehen sind sieben zurückzuzahlen

Eine weitere Schieflage betrifft die unterschiedliche wirtschaftliche Stärke der Länder, die fortbestehende koloniale Ausbeutung des globalen Südens durch den globalen Norden und die hohe Verschuldung besonders jener Länder, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind, ohne nennenswert zu ihr beigetragen zu haben.

Die Klimakrise verschärft die ganze Situation: Missernten oder Wetterextreme zerstören aufgebauten Wohlstand und verringern die Möglichkeit der Staaten, Maßnahmen für Klimaresilienz zu finanzieren.

Der jetzt erschienene Bericht von Oxfam und Care hat zudem Alarm geschlagen: Klimafinanzierung, die als Darlehen bereitgestellt wird, kann zu einer weiteren Verschiebung von Vermögen führen. Aktuell müssen demnach für fünf US-Dollar an Darlehen sieben Dollar zurückgezahlt werden.

Um die Klimakrise aufzuhalten und die bereits eintretenden Folgen abzumildern, ist es also nicht nur notwendig, die fossilen Ressourcen im Boden zu lassen. Es müssen auch hohe Summen bereitgestellt und regelmäßig an die realen Bedürfnisse angepasst werden.

Alle, die Gelder bereitstellen können, sind gefordert und dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen – besonders Industrieländer und die durch Öl- und Gasverkäufe reich gewordenen Länder.

Auch das Vermögen der fossilen Großkonzerne sowie das der Superreichen muss einbezogen werden. Von Steuergesetzgebung über die Funktionsweise von Entwicklungsbanken bis hin zur Erhöhung der globalen Klimafinanzierung in den jeweiligen nationalen Budgets – es gibt auf allen politischen Ebenen viel zu tun.

All hands on deck!

Auf dem Segelschiff Richtung Belém erschallt der Ruf "All hands on deck" – alle müssen so schnell wie möglich aufs Deck. Die Segel müssen umgesetzt werden, damit der Wind richtig ausgenutzt wird und uns unserem nächsten Ziel – Teneriffa – entgegenträgt. Meeresschildkröten schwimmen derweil unbeeindruckt an uns vorbei.

In der Nacht geht der Vollmond auf und lässt seine Strahlen silbrig glitzernd auf der Meeresoberfläche reflektieren. Meine Wache beginnt – die Wellen heben uns, und das Übernehmen des Ruders fühlt sich wieder wie Fliegen an.

Im Morgengrauen sind die Berge der Insel erstmals sichtbar. Wir müssen langsamer werden und an der nun deutlich sichtbaren Vulkanküste vorbei in den Hafen von Santa Cruz einlaufen.

In meiner Wache sind Casper, ein 21 Jahre alter ausgebildeter Seemann aus Dänemark, und Johannes, ebenfalls Anfang zwanzig und Sportstudent aus Deutschland.

Johannes hat bereits eine Atlantiküberquerung mit dem alten, aber stabilen Segelfrachter hinter sich und leitet das Setzen der Segel. Er schafft es selbst in stressigsten Situationen, die Ruhe zu bewahren, als wäre er seit Jahrzehnten zur See gefahren, behält den Überblick, welches Seil noch mit aller Kraft gezogen und bei welchem nachgegeben werden muss.

Casper klettert derweil geschwind – selbstverständlich gesichert – am Bug und Segelmast, dieses Mal, um die eingeholten Segel zu sichern. Ich stehe am Steuer und versuche, den Kurs und das Schiff trotz Wellengang so stabil wie möglich zu halten – auch, um es meinen Kolleg:innen der Wachschicht einfacher zu machen.

 

In Teneriffa werden Casper und Johannes von Bord gehen, und andere Menschen, meist Klimaaktivist:innen, werden ihren Platz einnehmen. Nach mittlerweile drei Wochen auf See fällt es mir aber verdammt schwer, den beiden Lebewohl zu sagen.

Gemeinsam das Meer zu bereisen, schweißt schnell zusammen. Vielleicht sollten wir die Verhandlungen der UN-Klimakonferenzen auf einem Segelschiff stattfinden lassen.