Kamala Harris sitzt auf der Bühne, spricht ins Mikro und unterstreicht das Gesagte mit einer ausladenden Hand-Geste.
Senatorin Kamala Harris bei einer sozialpolitischen Debatte im vergangenen Jahr. (Foto: Gage Skidmore/​Wikimedia Commons)

Für Komplimente gelten im Jahr 2020 niedrige Maßstäbe. "Von den vier Menschen, die für die großen Parteien zum Präsidentschaftswahlkampf antreten, erscheint sie am energischsten und normalsten", hat der Umweltschützer Bill McKibben, Gründer des Klimanetzwerks 350.org, im US-Magazin New Yorker über Kamala Harris geschrieben.

Die Senatorin aus dem Bundesstaat Kalifornien wird an der Seite von Präsidentschaftskandidat Joe Biden in den Wahlkampf gegen Donald Trump ziehen. Das hat der Parteitag der Demokratischen Partei diese Woche bestätigt.

Viele Umweltschützer:innen im Land äußern sich überschwänglicher als McKibben. "Joe Biden hat sich mit Kamala Harris eine außerordentliche Vize-Kandidatin ausgesucht", schwärmt der ehemalige Vizepräsident Al Gore auf Twitter. "Kamala hat Klima- und Umweltgerechtigkeit in ihrer Karriere im öffentlichen Dienst zu einer Top-Priorität gemacht, und ich weiß, dass sie auch im Weißen Haus eine starke Fürsprecherin bleiben wird."

Von einer "langjährigen Anführerin für Umweltgerechtigkeit" sprach Tiernan Sittenfeld, Vizechefin der Umweltorganisation League of Conservation Voters, nach dem Parteitag. Die Organisation dokumentiert, wie oft Politiker:innen im US-Kongress in Öko-Fragen umweltfreundlich abstimmen. Für das Jahr 2019 hat Kamala Harris eine Quote von 71 Prozent erreicht.

Über ihre gesamte Senatskarriere gerechnet liegt Harris sogar bei 91 Prozent und damit gleichauf mit Bernie Sanders – und acht Prozentpunkte über Joe Biden. Diese "Lebenszeit-Wertung" ist allerdings nur bedingt vergleichbar. Bei den beiden Männern sind Jahrzehnte in die Rechnung eingeflossen, Harris dagegen sitzt erst drei Jahre im Kongress.

Dass sich Bill McKibben etwas zurückhaltend äußert, hat auch mit Harris' Zeit als Staatsanwältin in Kalifornien zu tun. Im vergangenen Jahr, als sie noch selbst als Präsidentin antreten wollte, sagte sie in einer Vorwahl-Debatte, sie habe damals den Ölkonzern Exxon Mobil verklagt.

"Wenn man ihnen das Geld wegnimmt, weil man sie vor Gericht stellt und verklagt, so wie ich das gemacht habe, dann ändern sie ihr Verhalten", erklärte sie damals unter Applaus. "Das ist vielleicht die Strafverfolgerin in mir, die sie zur Rechenschaft ziehen will."

Nur: Harris hat Exxon Mobil nie verklagt, wie das Online-Magazin Inside Climate News aufgedeckt hat. Ihr Team verwies dann auf eine von Harris angeschobene Untersuchung, bei der es darum ging, was Exxon über den Klimawandel wusste und was der Konzern davon an Investor:innen weitergegeben hat. Eine Klage war aber nicht gefolgt.

Die lokale Gerechtigkeitskämpferin

Gegen andere Ölkonzerne ist Harris als Staatsanwältin aber tatsächlich juristisch vorgegangen. Kurz bevor sie in den Senat wechselte, gab sie beispielsweise einen Vergleich bekannt, der BP und Atlantic Richfield zur Zahlung von 14 Millionen Dollar verpflichtete, weil sie ein unterirdisches Benzinlager nur schlampig gewartet hatten.

Um die Klimakrise ging es dabei also nicht, dafür um lokale Umweltverschmutzung. Ein entscheidender Punkt schien Harris laut früheren Statements zu sein, dass benachteiligte Gruppen durch ihre Wohnlage in solchen Fällen besonders oft zu Schaden kommen.

Klimaschützer:innen wie McKibben hätten natürlich den großen Aufschlag lieber gesehen, eben im Format einer Klimaklage gegen Exxon Mobil. Harris ist aber als flexible Politikerin bekannt. Während ihrer eigenen Präsidentschaftskandidatur war ihr das als mangelndes Profil vorgehalten worden. Es bedeutet aber auch, dass sie sich antreiben lässt.

In ihrem Wahlkampf im vergangenen Jahr hatte sie beispielsweise eine wichtige Debatte zum Klimawandel zunächst zugunsten eines Spenden-Events abgesagt. Auf Drängen der Klimabewegung nahm sie schließlich doch teil und stellte danach einen eigenen Klimaplan auf die Beine. Er sah ein Zehn-Billionen-Dollar-Klimaschutz-Programm vor – und die Klimaneutralität der USA bis 2045.

Außerdem bringt Harris die soziale Perspektive auf Umweltprobleme mit, die für den linken Flügel der Demokraten mit ihrem Green New Deal und auch für die Klimagerechtigkeitsbewegung so entscheidend ist. Vielleicht trägt das dazu bei, dass manche von ihnen inzwischen mit dem Duo Biden/​Harris ihren Frieden gemacht zu haben scheinen.

Am Ende ist für viele eben doch das Wichtigste, Trump abzuwählen. Auch Bill McKibben will die Geschlossenheit des irgendwie-progressiven Lagers deshalb bewahren. "Es geht mir nicht darum zu fragen, ob man sie wählen sollte", schreibt McKibben über Harris und Biden.

Die Antwort steht für den Umweltschützer außer Frage. "In Klimafragen wäre eine eingeschweißte Palette mit Tiefkühl-Pommes eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem Amtsinhaber." Schon wieder so ein Satz, der noch vor Kurzem nicht als Kompliment durchgegangen wäre.

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