Äste und Wurzeln im Regenwald
Der Regenwald ist die grüne Lunge unseres Planeten. (Foto: Birke Laubinger)

Der Regenwald ist das Zuhause unzähliger Insekten, Papageien, Großkatzen und anderer Wildtiere. Bis zu 50 Meter hohe Bäume mischen sich mit Schlingpflanzen, Lianen und Palmen. Mitten durch die Waldlandschaft ziehen Flüsse ihre Bahnen. An diesen feuchten Stellen sind die Böden besonders fruchtbar. Eine solche unberührte Natur findet sich heute nur noch selten auf der Erde. In Acre gibt es sie aber noch. Der westbrasilianische Bundesstaat ist nahezu gänzlich von Regenwald bedeckt.

Acre gilt als Waldschutzpionier und ist ein Vorzeigeprojekt der deutschen Bundesregierung. Mithilfe des "REDD Early Movers"-Programms (REM) konnte nach ihren Angaben die Entwaldung in dem Bundesstaat bis 2017 um 60 Prozent reduziert werden.

Das REM-Programm war von der Bundesregierung 2011 ins Leben gerufen worden. Es wendet REDD an, ein Konzept, das von der UN-Klimakonvention geschaffen wurde. REDD soll die Erhaltung der Wälder lukrativ machen, indem es dem dort gespeicherten Kohlenstoff einen ökonomischen Wert gibt. Kann ein Gebiet, wie eben Acre, vorweisen, dass es seine CO2-Emissionen verringert, erhält es aus dem REDD-Programm Kompensationszahlungen für den Klimaschutz.

Das Entwicklungsministerium unterstützte das Amazonasgebiet bis 2016 mit 25 Millionen Euro. 2017 startete eine neue Phase des REM-Programms. Weitere zehn Millionen Euro aus Deutschland sollen in die Region fließen.

Bundesregierung fordert zertifizierten Sojaimport

Auch Minister Gerd Müller selbst bemüht sich um mehr Klimaschutz. Anfang der Woche traf er sich mit der Landwirtschaftsministerin und dem Umweltminister Brasiliens, um über den Schutz des Regenwaldes zu verhandeln. Müller will die illegale Brandrodung und die Abholzung stoppen. Waldschutzprojekte sollen ausgebaut, Sojalieferungen aus Brasilien zertifiziert werden. "Es darf kein Soja nach Europa gelangen, für das Tropenwald illegal gerodet wurde", forderte der Minister vor Antritt seiner Reise.

Wie die vom Entwicklungsministerium vorgeschlagene Zertifizierung von nachhaltigem Soja jedoch aussehen soll, ist bisher unklar.

Viele Ideen, viele Maßnahmen, viele Gelder – trotzdem sieht es momentan so aus, als trete der Minister den Wettlauf um die Regenwaldrettung allein an. Denn während die deutsche Regierung Millionen in Regenwaldprojekte steckt, werden in Brasilien Rodungen auf Rekordniveau verzeichnet.

Eine der ersten Amtshandlungen des rechten Präsidenten Bolsonaro war es, die Verantwortung für die indigenen Schutzgebiete im Regenwald dem Landwirtschaftsministerium zu übertragen. Dort steht der wirtschaftliche Nutzen aus den Waldflächen im Vordergrund, heißt es in Medienberichten. 

Dem brasilianischen Weltraumforschungsinstitut Inpe zufolge wurden allein im Monat Juni 920 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald zerstört, eine Fläche so groß wie Berlin. Das ist ein Anstieg von 88 Prozent gegenüber demselben Monat des Vorjahres. Von verstärkter Entwaldung ist auch Acre betroffen. 2018 wurden 444 Quadratkilometer Tropenwald abgeholzt, eine Verdopplung gegenüber dem Schnitt der Vorjahre.

Deutschlands Interesse am Regenwald 

Grund für die Abholzungen sind größtenteils wirtschaftliche Interessen – auch deutsche. So ist eine der Hauptursachen für die Waldzerstörung der Sojaanbau. Die Ölbohne wird nicht nur nach China, sondern auch in die EU exportiert. Allein 2017 erforderte der EU-weite Sojaimport im Umfang von 35 Millionen Tonnen nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums eine Anbaufläche von 13 Millionen Hektar. Das reicht an die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche Deutschlands heran.

Hierzulande wird das Soja hauptsächlich an Schweine verfüttert. "Durch den massiven Sojaimport beteiligt sich Deutschland an den Waldrodungen", schlussfolgert Gesche Jürgens von der Umweltorganisation Greenpeace.

Das jüngst beschlossene Freihandelsabkommen EU–Mercosur könnte die Abholzung aus wirtschaftlichen Interessen sogar noch verstärken, befürchtet Jürgens. Mit dem Abkommen zwischen der EU und den vier südamerikanischen Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay sollen schrittweise bis zu 90 Prozent der Zölle wegfallen. Während sich große Teile der Wirtschaft über die Marktöffnung freuen, da beispielsweise auch Zölle auf Autos wegfallen, befürchten Umweltverbände negative Folgen für Natur und Klima.

Für Waldexpertin Jürgens sind Investitionen in den Waldschutz und auch der Dialog mit Bolsonaro wichtig, um die Entwaldung zu verringern. Ihr reichen die Waldschutzprojekte der Bundesregierung aber nicht aus. Greenpeace fordert ein grundlegendes Umdenken.

Die vom Minister vorgeschlagene Soja-Zertifizierung sieht Jürgens kritisch, vor allem wenn die Bundesrepublik trotzdem weiterhin massenweise Futtersoja importiert. "Deutschland müsste die Zahl der Tiere in der eigenen Landwirtschaft reduzieren, statt sich mit Feigenblattprojekten zu schmücken", meint sie. "Bislang verdienen wir aber daran mit, dass Wälder gerodet werden."

Das Sojaimportsystem durch Gesetzgebung grundlegend ändern will Deutschland allerdings nicht. "Die Bundesregierung kann allenfalls Nachhaltigkeitsbedingungen mitdefinieren", erklärt ein Sprecher des Entwicklungsministeriums. So plane der Gesetzgeber auch keine Reduzierung der Sojaeinfuhren – für den Import seien die Futtermittelgroßhändler zuständig.

Gesche Jürgens fordert daher Gesetze in Deutschland und auf EU-Ebene, die wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Ziel in Einklang bringen, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. "Deutschland muss zusammen mit anderen Ländern über Klimaschutz diskutieren, statt sich mit Einzelprojekten aus der Verantwortung zu ziehen", fordert die Expertin, "Lösungen müssen sich an der Wissenschaft und nicht am Interesse einzelner nationaler Wirtschaftsbranchen wie der Autoindustrie orientieren."

Außerdem könne Deutschland auch seine eigenen Wälder stärker schützen und ökologischer bewirtschaften.

Der Beitrag wurde am 17. Juli um 16:45 Uhr korrigiert: Müller hat sich mit brasilianischen Ministern, aber nicht mit Bolsonaro getroffen.

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