Hinter der Klimakrise steht eine der größten Ungerechtigkeiten unserer Zeit: Diejenigen, die am wenigsten zur globalen Erwärmung beigetragen haben, leiden unter ihren Auswirkungen am schlimmsten. Diejenigen, die am meisten zu ihr beigetragen haben, am wenigsten.

Das ist nicht allein natürlichen klimatischen Bedingungen geschuldet, sondern das Ergebnis einer ungleichen globalen Wirtschaftsstruktur. Geschaffen wurde diese Wirtschaftsstruktur in der Kolonialzeit, durch Plünderung, Sklaverei und Ressourcenausbeutung. Durch ungerechten Handel und ein neokoloniales Finanzsystem besteht sie weiter fort.

Die miteinander verwobene Geschichte von Deutschland und Kamerun ist ein Beispiel dafür, wie das koloniale Erbe bis heute die Anfälligkeit für die Klimakatastrophe beeinflusst.

Deutschlands historische Verantwortung und Kameruns Klimaanfälligkeit

Die deutsche Kolonialherrschaft in Kamerun von 1884 bis 1916 war von systematischer Ausbeutung und großer Brutalität geprägt. Sie etablierte ein extraktives, auf Raubbau angelegtes Wirtschaftssystem – mit drastischen ökologischen und sozialen Folgen.

Die deutsche Kolonialverwaltung enteignete gewaltsam Land, vertrieb indigene Gemeinschaften und ließ Monokulturen für Agrarrohstoffe wie Kautschuk, Palmöl, Kakao und Bananen anlegen. Alles war den wirtschaftlichen Interessen und imperialen Ambitionen Deutschlands untergeordnet.

Divij Kapur

arbeitet im Klima-Team beim Konzeptwerk Neue Ökonomie vor allem zu den Überschneidungen zwischen sozio-ökologischen Krisen, Kolonialismus, Kapitalismus und globaler Entwicklung, mit einem Fokus auf Nord-Süd-Perspektiven. Er studierte Entwicklungsforschung an der Azim-Premji-Universität in Bangalore (Indien). Das Konzeptwerk ist ein gemeinnütziger Verein aus Leipzig, der sich seit 2012 für eine sozial-ökologische und gerechte Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt.

Die aufgezwungenen Praktiken führten zu einer großflächigen Abholzung von Wäldern und der Beeinträchtigung vieler weiterer Ökosysteme. Sowohl das ökologische Gleichgewicht als auch die traditionellen Landnutzungssysteme sind zerstört worden.

So wurden beispielsweise durch die Einführung des kolonialen Rechtsrahmens individuelle Eigentumsrechte über die traditionellen Landbesitzsysteme gestellt. Die Verwaltung der Landrechte und ‑praktiken wurde den traditionellen Autoritäten entzogen und auf die Kolonialverwaltung übertragen, und die Gemeinschaften wurden gezwungen, sich von gemeinschaftlichem Landbesitz und nachhaltigen Bewirtschaftungspraktiken abzuwenden und sich an ein neues, zunehmend industrialisiertes System anzupassen, welches der europäischen Entwicklung dienen sollte.

All das ist in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.

Die deutsche Kolonialherrschaft machte Kamerun zu einem Land, das vom Export von Nutzpflanzen abhängig ist. Spätere Kolonialmächte und Unternehmen setzten diese Praxis fort, auch nach der Unabhängigkeit 1960. Die heutigen klimabedingten Krisen bedrohen unmittelbar die Ernährungssicherheit und die lokalen Lebensgrundlagen und Gemeinschaften.

Die (neo)kolonialen Ausbeutungsmechanismen haben verhindert, dass Kamerun angesichts der Klimakrise notwendige resiliente Strukturen und finanzielle Ressourcen aufbauen konnte. Dem gegenüber steht der Wohlstand Deutschlands, eines Landes, das erheblich zu den globalen Emissionen beigetragen hat und über weitaus größere technologische und finanzielle Kapazitäten für Klimaschutz und die Anpassung an Klimarisiken verfügt.

Dieses Ungleichgewicht spiegelt den Kern von Klimaungerechtigkeit wider – die ungleiche Verteilung von Verantwortung und Verwundbarkeit.

Die Konsequenz: Forderung nach Klimareparationen

Was folgt aus dieser Analyse? Wenn man den Begriff Klimagerechtigkeit ernst nimmt, führt kein Weg vorbei an Klimareparationen von Deutschland an Kamerun. Reparationen, die über Symbolik, kurzfristige Projekte und paternalistische, an viele Bedingungen geknüpfte Entwicklungshilfe hinausgehen.

 

Nur das würde bedeuten, dass Deutschland Kolonialismus und industrielle Ausbeutung als Hauptursachen der Klimakrise anerkennt und auf gerechte, faire, inklusive und historisch fundierte Lösungen hinarbeitet.

Die Reparationen dürften außerdem nicht als großzügige Hilfe dargestellt werden, sondern als Anerkennung der Verantwortung und eine Verpflichtung zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Es müssen Reparationen sein, die die langfristige Widerstandsfähigkeit, Autonomie und Gerechtigkeit der Menschen in Kamerun unterstützen.

Reparationen können und müssen dabei verschiedene Formen annehmen. Eine aufrichtige Reparationspolitik umfasst mindestens:

  • Eine offizielle Entschuldigung, also Anerkennung der Schuld.
  • Das Begleichen der finanziellen Schuld. Dies kann direkte finanzielle Unterstützung für vom Klimawandel betroffene Gemeinden bedeuten, eine Finanzierung für Klimaanpassungsprojekte, die nicht an Bedingungen geknüpft ist, und natürlich einen Schuldenerlass.
  • Eine Garantie der Nicht-Wiederholung, was in diesem Fall eine schnell wirksame Klimapolitik innerhalb Deutschlands genauso beinhaltet wie den Einsatz für eine völlige Umgestaltung des globalen Wirtschafts- und Handelssystems, sodass nicht weiterhin auf Kosten der Länder des globalen Südens gewirtschaftet wird.

 

Die gemeinsame Geschichte Kameruns und Deutschlands in Verbindung mit der sich beschleunigenden Klimakatastrophe macht die Forderung nach Klimagerechtigkeit und ‑reparationen so dringend wie nie zuvor. Ohne konsequente Aufarbeitung der Vergangenheit bleibt Klimagerechtigkeit ein leeres Versprechen.

Es ist jetzt an der Zeit, zu handeln und eine lebenswerte Zukunft für alle zu fordern, die auf Gerechtigkeit, Verantwortlichkeit und systemischem Wandel beruht.