Öl-Industrie USA
Corona-Pandemie als Vorwand: Die Erdölbranche in den USA darf nun offiziell Umweltauflagen umgehen. (Foto: Ian D. Keating/​Flickr)

Die US-Umweltschutzbehörde will geltende Umweltgesetze während der anhaltenden Corona-Pandemie nicht länger durchsetzen.

Wie die Environmental Protection Agency (EPA) schon Ende März mitteilte, drohen Unternehmen, die Verstöße gegen Umweltvorschriften nicht mehr überwachen oder melden, weder Geldstrafen noch Sanktionen – sofern sie erklären, dass der Verstoß in Verbindung mit der Corona-Pandemie steht. 

Zuvor hatte die US-amerikanische Wirtschaft Druck aufgebaut. In einem zehnseitigen Brief forderte der Interessenverband der Öl- und Gasindustrie, das American Petroleum Institute (API), von der EPA Lockerungen von Vorschriften wegen der Coronakrise.

So schlug die Ölindustrie unter anderem vor, höhere Anforderungen an den Umgang mit Fracking-Abwasser zu verschieben und die Berichterstattung über Treibhausgas- und andere Emissionen auszusetzen. Die Umweltbehörde reagierte innerhalb weniger Tage auf den Appell der Branche.

"Die EPA setzt sich für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ein, aber erkennt die Herausforderungen, die sich aus den Bemühungen zum Schutz der Arbeiter und der Öffentlichkeit vor Covid-19 ergeben", sagte EPA-Chef Andrew Wheeler. Die Pandemie erschwere es Unternehmen, die bundesstaatlichen Vorschriften zu erfüllen.

Die neue Richtlinie, die über die Forderungen der Industrie noch deutlich hinausgeht, gilt bis auf Weiteres. 

Umweltschützer:innen übten Kritik an dem Vorgehen der Umweltbehörde. "Trump und Wheeler demonstrieren weiterhin schamlos, dass sie, wann immer sie vor die Wahl gestellt werden – selbst in Zeiten einer Pandemie –, immer auf der Seite der Umweltverschmutzer stehen werden", sagte Michael Brune von der Umweltorganisation Sierra Club.

Mehrere Umweltverbände schrieben in einem Brief an die EPA: "Es ist nicht zu erklären, warum Raffinerien, Chemiefabriken und andere Einrichtungen, die ihren Betrieb fortsetzen und Mitarbeiter beschäftigen, nicht mehr das Personal oder die Zeit haben sollten, um die Umweltgesetze einzuhalten."

Wissenschaftler warnt vor Lücken im Klimaregime

Das Aussetzen der Berichterstattung über Treibhausgas- und andere Emissionen könnte auch Auswirkungen auf die internationale Klimadiplomatie haben. Die Klimarahmenkonvention UNFCCC verpflichtet die Staaten, jährlich Inventare zu ihren Treibhausgasemissionen vorzulegen. Wenn die USA nun aber ihre Unternehmen von der Pflicht entbinden, ausgestoßene Emissionen zu melden, könnte das auch den Emissionsbericht der USA beeinflussen.

"Die Coronakrise mag für die US-Umweltbehörde ein Anlass sein, die US-Unternehmen bei ihrer Pflicht, Emissionen zu begrenzen, zu entlasten", meint Jochen Luhmann vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. "Die EPA hält auch durchaus zu Recht Situationen für vorstellbar, in denen Unternehmen in ihrer Fähigkeit eingeschränkt sind, nach üblichen Standards ihre Emissionen festzustellen und zu melden", so Luhmann gegenüber Klimareporter°.

Das befreie die USA aber nicht von ihrer internationalen Verpflichtung, über die Emissionen von ihrem Territorium auch in der Zeit der Covid-19-Pandemie realitätsgerecht zu berichten, speziell an die Gremien der Klimarahmenkonvention und des Genfer Luftreinhalteabkommens.

"Diese Fähigkeit wird erheblich eingeschränkt, wenn die EPA den möglicherweise Corona-betroffenen Unternehmen für Zeiträume von bis zu drei Monaten freistellt, ob sie Zahlen liefern oder nicht", warnt der Wissenschaftler. Ein sich abzeichnendes systematisches "Under-Reporting" der USA sei nicht hinnehmbar.

Für das Bundesumweltministerium ist aber noch nicht absehbar, ob der Schritt der EPA Auswirkungen auf die Klimaberichterstattung hat. "Ob und, wenn ja, welche Auswirkungen diese temporäre Aussetzung von Umweltauflagen für Unternehmen auf die UNFCCC-Berichtspflichten hat, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt und ohne genauere Analyse der betroffenen Daten kaum abschätzen", sagte eine Ministeriumssprecherin. Gleiches gelte für die Berichtspflichten für Luftschadstoffe nach der Genfer Luftreinhaltekonvention. 

Die Berichtspflichten seien vielfältiger Natur und es würden hierzu Daten und Informationen aus den verschiedensten Bereichen erhoben. "Nicht alle erhobenen Daten gehen zwingend in die UNFCCC-Berichterstattung ein", sagte die Sprecherin weiter. Aus Sicht des Bundesumweltministeriums entbindet die Corona-Pandemie die Industrieländer nicht von ihrer Pflicht, Treibhausgasinventare zu veröffentlichen. Die Daten für 2020 würden - den Zeitplänen entsprechend - 2022 vorgelegt und einer Überprüfung durch internationale Expert:innen unterzogen. 

Mit der Aussetzung der Vorgaben treibt die US-Umweltbehörde die Deregulierung von Umweltrecht weiter voran. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump wurden bereits wichtige Umweltgesetze aus der Obama-Ära außer Kraft gesetzt.

Auch die EPA selbst wurde geschwächt, Lobbyisten wurden in den höchsten Ämtern platziert. Ein Bericht der Umweltrechtsschutzorganisation Environmental Integrity Project (EIP) aus dem vergangenen Jahr dokumentiert den Rückgang bei der Durchsetzung von Umweltauflagen unter der Trump-Administration.

Der Beitrag wurde am 15. und 18. April aktualisiert (Statements von Jochen Luhmann und Bundesumweltministerium).

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