Der Rauch der Waldbrände in Brasilien vom All aus gesehen
Rauch von den Waldbränden in Brasilien, aufgenommen am 20. August von einem Nasa-Satelliten. (Foto: NASA/​Wikimedia Commons)

"Entschuldigung, tausendfach Entschuldigung", twitterte der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho. Und der bekannte Autor ist bei Weitem nicht der einzige in Südamerikas größtem Land, der sich über den Umgang der Bolsonaro-Regierung mit der Amazonas-Katastrophe und ihre Ausfälle gegen Frankreichs Präsident Macron empört, der das Thema auf die internationale Bühne gehoben hatte.

Angesichts der Feuersbrünste im Regenwald und drohender Handelssanktionen stellten sich jetzt sogar fünf Gouverneure aus der Amazonas-Region gegen den Kurs des Präsidenten.

Der Druck auf Bolsonaro ist enorm gewachsen, gerade auch national. Vor dem spektakulären Schritt der Gouverneure hatten sich bereits acht frühere Umweltminister zu Wort gemeldet. Sie erarbeiteten eine Petition an den Kongress in Brasilia. Ziel: Das Parlament solle alle derzeit im Parlament behandelten Gesetzentwürfe stoppen, die Anreize zur Abholzung schaffen. Und Umweltaktivisten riefen zu Protesten gegen den Kurs Bolsonaros auf, der die Amazonas-Region als Eldorado für die Agrar- und Rohstoffindustrie freigegeben hat.

Angesichts der dramatischen Bilder aus der Region und der Rauchwolken, die sogar den Himmel über der 2.000 Kilometer entfernten Metropole São Paulo verfinsterten, musste der Präsident reagieren. Inzwischen hat er das Militär zum Löschen geschickt. Er kündigte "null Toleranz" gegenüber Umweltsündern an. Und er ließ die Bundespolizei gegen die Organisatoren der "Tage des Feuers" ermitteln, die mit den von ihnen gelegten großflächigen Bränden Bolsonaros Amazonasplan unterstützen wollten.

Bolsonaro wird seinen Kurs wohl nicht ändern

Trotzdem glaubt kaum ein Beobachter, dass der rechtspopulistische Politiker seine Politik grundsätzlich ändern wird, die auf eine weitere Dezimierung des größten, noch halbwegs ökologisch funktionierenden Regenwaldgebiets der Erde und seine Umwandlung in Agrarland, Asphaltpisten und Rohstofflager abzielt.

Wie wichtig eine intakte Amazonas-Region ist, wurde Tausende Male beschrieben. Für das Weltklima, die CO2-Speicherung, die Sauerstoff-Produktion, die globale Artenvielfalt. Das beeindruckt Bolsonaro, der als verlängerter Arm der Soja- und Fleischbarone agiert, offenbar überhaupt nicht.

Näher müsste ihm eigentlich die Warnung gehen, dass ein teilweiser oder gar kompletter Kollaps der "Regenmaschine" Amazonas-Wald den gesamten südamerikanischen Kontinent und damit auch sein eigenes Land in schwerste Dürre-Krisen stürzen würde, die derzeit noch alle Vorstellungskraft übersteigen.

Möglicherweise ist der Punkt, an dem eine solche Entwicklung beginnt, nicht mehr fern. In den letzten 50 Jahren sind bereits rund 17 Prozent der Regenwald-Fläche vernichtet worden, ein etwa gleich großer Teil gilt als geschädigt. Umweltexperten schätzen, dass die kritische Grenze zwischen 20 und 25 Prozent liegt und die starken Amazonas-Dürren in den Jahren 2005, 2010 und 2016 schon Vorboten waren.

Doch offenbar scheint Bolsonaro selbst diese Warnung nicht zu scheren. Denn seine Wirtschaftsstrategie läuft darauf hinaus, den Kollaps immer wahrscheinlicher zu machen. Motto: Nach mir die Wüste. Bolsonaro droht als Öko-Terminator in die Geschichte einzugehen, der die Tropenwald-Vernichtung im kritischsten Moment eskaliert hat.

Was wirklich zählt, sind handelspolitische Schritte

Doch damit ist die Schuldfrage nur auf einer oberflächlichen Ebene geklärt. Brasiliens Präsident agiert ja nicht im luftleeren Raum. Er hat den Regenwald zwar persönlich zum offenen Spielfeld der Agrarkonzerne erklärt. Das konnte aber nur funktionieren, weil es auch eine wachsende Nachfrage für deren Produkte auf dem Weltmarkt gibt – vor allem Sojamehl als Tierfutter in der Massentierhaltung, Fleisch von den Rinderherden, der Agrosprit Ethanol. Die Fleischexporte zum Beispiel sind seit 2005 um nicht weniger als 700 Prozent angestiegen.

Es klingt nicht schön in den Ohren der ach so umwelt- und klimabewussten Europäer, aber es stimmt: Der Raubbau am Amazonas findet auch in ihrem Auftrag statt. Brasilien ist mit 14,5 Milliarden Euro Jahresumsatz der größte Exporteur von Agrarprodukten in die Europäische Union, und durch das erst kürzlich vereinbarte EU-Mercosur-Freihandelsabkommen mit seinen niedrigeren Zöllen auf Soja- und Rindfleisch-Importe dürfte es in Zukunft noch mehr werden.

Europa macht sich also, wenn es an dieser Globalisierungsstrategie nichts ändert, eindeutig mitschuldig an den verheerenden Bränden. Den Brasilianern Geld für Feuerbekämpfung und Wiederaufforstung anzubieten, ist gut. Doch das bleibt Symbolpolitik, solange die tieferen Ursachen der Waldvernichtung nicht angetastet werden.

Nötig ist erstens eine Handelspolitik, die wirklich Wert auf Nachhaltigkeit legt. Die EU und Deutschland müssen deswegen striktere Sozial- und Öko-Mindeststandards in dem Freihandelsabkommen nachverhandeln. Funktioniert das nicht, ist ein Importverbot für brasilianische Agrarprodukte, vor allem Soja, Fleisch und Ethanol, die richtige Antwort, bis die Zerstörung des Amazonaswaldes aufhört.

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