In Kapstadt hat das südafrikanische Parlament seinen Sitz. (Bild: David Stanley/​Flickr)

"Wir hatten verheerende Waldbrände im Westkap, zerstörerische Überschwemmungen in KwaZulu-Natal, unerträgliche Hitzewellen im Nordkap, anhaltende Dürre im Ostkap und heftige Stürme in Gauteng." In nüchternen Worten zählte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Folgen des Klimawandels für die Provinzen des Landes in seiner Rede an die Nation Anfang Februar auf.

In der Rede, die den Auftakt zur Wahlkampagne seiner Partei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) darstellte, klapperte der 71-Jährige alle großen Themen ab: die grüne Transformation, die Millionen von Jobs schaffen soll, den Kampf gegen Stromausfälle, Korruption und Kriminalität.

Am 29. Mai, 30 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika, stimmt das Land über ein neues Parlament und damit indirekt einen neuen Präsidenten ab.

Es ist das erste Mal, dass der ANC um seinen Regierungsanspruch bangen muss. Mit 39 Prozent liegt die Partei laut aktuellen Umfragen weit hinter vergangenen Wahlergebnissen. Seit Nelson Mandela nach dem Ende der Apartheid 1994 zum Präsidenten gewählt wurde, regierte der ANC das Land ausnahmslos mit absoluter Mehrheit.

Veraltete Infrastruktur, Korruption, wachsende soziale Ungleichheit und steigende Kriminalitätsraten – viele Wähler:innen sehen den seit drei Dekaden regierenden Afrikanischen Nationalkongress als gemeinsamen Nenner dieser Krisen. Ramaphosa versprach in seiner Rede zwar, gegen die Korruption vorgehen zu wollen, der Präsident sah sich während und vor seiner Amtszeit allerdings selbst zahlreichen Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.

Gegenwärtig laufen zudem Ermittlungen gegen Parlamentspräsidentin Nosiviwe Mapisa-Nqakula. Vor weniger als einem Monat durchsuchte eine Spezialeinheit die Wohnung der ANC-Politikerin. Ihr wird vorgeworfen, 120.000 US-Dollar Bestechungsgeld angenommen zu haben.

Misswirtschaft und Korruption beim staatlichen Energiekonzern

Viele Expert:innen zeichnen schon seit Jahren ein düsteres Bild von der sich stetig verschlechternden Lage in Südafrika. 2020 schrieb der Experte für internationale Entwicklung David Himbara in einem Gastbeitrag für das Magazin The African Report, das Land sei ein klassisches Beispiel für einen De-facto-Ein-Parteien-Staat. Die staatlichen Institutionen seien "geplagt von einer schlechten Verwaltung und Korruption." Der Artikel hieß: "Südafrika – ein hoch entwickelter Failed State".

Zu einer ähnlichen Analyse kam Eddy Maloka, renommierter Historiker und Professor an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. Der ANC sei für die Probleme Südafrikas verantwortlich. "Die Südafrikaner haben sich das Problem nicht selbst eingebrockt – es ist ein Problem, das von der Regierungspartei verursacht wurde."

Wenn in Südafrika von Misswirtschaft und Korruption die Rede ist, fällt ein Name besonders oft – Eskom. Der staatliche Energieversorger scheitert seit Jahren daran, eine verlässliche Stromversorgung zu gewährleisten.

Seit 2007 gibt es in Südafrika immer wieder großflächige kontrollierte Stromabschaltungen, um einem Blackout vorzubeugen. Die Situation hat sich über die Jahre immer weiter verschärft. Im ganzen Land kommt es beinahe täglich zu Stromausfällen. Wirtschaftszweige sterben, weil den Unternehmen Strom für die Produktion fehlt, und ganze Stadtteile müssen teilweise mehrere Tage ohne Strom auskommen.

Schuld daran sind ein schlecht ausgebautes Stromnetz und marode Kohlekraftwerke, die nach wie vor für 85 Prozent der Stromproduktion verantwortlich sind. Staatsgelder, die in den Ausbau der Strominfrastruktur hätten fließen sollen, scheinen vielfach irgendwo versickert zu sein.

Das Problem des Stromsystems sehen alle Parteien, bieten aber unterschiedliche Lösungen an.

Günstige Solaranlagen und Millionen Energiewende-Jobs

Präsident Ramaphosa steht weiter zu Eskom. Auch ihm ist klar, dass er damit einen politischen Hemmschuh behält. Letztes Jahr versuchte er, das Problem in Angriff zu nehmen, indem er den nationalen Notstand ausrief, mit einem Elektrizitätsminister ein neues Amt schuf und mehr finanzielle Transparenz versprach. An den Stromausfällen hat das nichts geändert und damit auch nichts am Zorn der Wähler:innen.

Das Wahlprogramm des ANC verspricht außerdem subventionierte Solaranlagen für Privathaushalte und 2,5 Millionen neue Stellen, die durch die "gerechte Energiewende" entstehen sollen. Dafür sollen bis 2027 knapp 11,7 Milliarden Euro investiert werden.

Superwahljahr 2024

In dieser Serie setzt sich Klimareporter° mit den klimapolitischen Implikationen der anstehenden Wahlen auseinander. Welche Tendenzen lassen sich erkennen, welche Rolle spielt das Klima und welche Konsequenzen lassen sich daraus ziehen? Und letztendlich die immer mitschwingende Frage: Sind unsere etablierten Politsysteme fähig, mit der Klimakrise umzugehen?

Auf eine dezentrale Energiewende setzt auch die zweitstärkste Partei, die zentristische Demokratische Allianz (DA). Die Energiekrise soll dadurch gelöst werden, dass Haushalte einen einfacheren und billigeren Zugang zu eigener Stromerzeugung bekommen und Möglichkeiten geschaffen werden, um den Strom bei Überproduktion ins Netz einzuspeisen.

Die DA wirbt aber auch dafür, Eskom zu entflechten und möglichst viele Aufgabenbereiche zu privatisieren.

Die wirtschaftspolitisch linke Partei "Economic Freedom Fighters" (EFF) will Eskom umstrukturieren und zu einem grünen Energieunternehmen machen. Zwar widmen die "Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit" einen großen Abschnitt in ihrem Programm der Klima- und Umweltpolitik, aber auf Kohlestrom will auch die EFF nicht so bald verzichten.

Die DA versucht, bereits im Vorfeld der Wahlen Bündnisse mit einer bunten Zusammenstellung aus Kleinstparteien zu schmieden. Damit will sie sowohl eine weitere ANC-Regierung verhindern als auch ein Erstarken der EFF unterbinden.

Die EFF machte in der Vergangenheit nicht nur mit ihrem "antikapitalistischen" Wirtschaftsprogramm, sondern auch durch offenen Rassismus gegen indische Migrant:innen und einen ausgeprägten Personenkult um ihren populistischen Vorsitzenden Julius Malema von sich reden.

Ex-Präsident Zuma tritt mit neuer Partei an

Keine der Parteien liefert dabei ein detailliertes Klimaprogramm. Klimapolitik gilt laut Umfragen auch nicht als besonders wahlentscheidendes Thema.

Südafrika hat zwar die Subventionen für Kohle reduziert, investiert allerdings in einen Ausbau der Öl- und Gasförderung. Das Land hat in verschiedenen Dokumenten zugesagt, Klimaneutralität bis Mitte des Jahrtausends anzustreben, bisher steht dieses Ziel jedoch nicht in dem nationalen Klimaprogramm, das den Vereinten Nationen vorgelegt werden muss.

Der ANC wird aller Voraussicht nach stärkste Kraft bleiben. Fraglich ist hingegen, ob die Partei Koalitionspartner:innen finden wird oder ob stattdessen eine breite, aber instabile Koalition ihrer Gegner:innen versuchen wird, eine Regierung zu bilden.

Noch schwerer vorherzusagen ist, welche Auswirkungen jedweder Wahlausgang auf die Klimapolitik des Landes haben würde.

 

Mit der Ankündigung von Ex-Präsident Jacob Zuma, nicht mehr den ANC wählen zu wollen, sondern mit einer eigenen Partei anzutreten, kommt eine weitere Unabwägbarkeit hinzu. Zuma erklärte, dass er eine Zwei-Drittel-Mehrheit anstrebe.

Nach den bisherigen Umfragen liegt seine Partei uMkhonto we Sizwe (Speer der Nation) allerdings mit rund 13 Prozent weit hinter dem ANC und etwa gleichauf mit der EFF.