Geld regiert die Welt. Die Weltgemeinschaft streitet um ihr Finanzsystem, Staaten geben immer wieder Reformversprechen ab. So wie zuletzt am 18. Juni in New York: Nach wochenlangen Verhandlungen und nachdem kurz vor der Abstimmung die USA den Raum verließen, einigten sich die UN-Staaten im Konsens auf den "Compromiso de Sevilla".

Das spanische compromiso bedeutet nicht "Kompromiss", sondern "Verpflichtung": Es geht um das Versprechen, die globale Finanzarchitektur nachhaltiger und gerechter zu gestalten. Mehr Chancengleichheit, mehr finanzielle Unterstützung, mehr Mitspracherechte, das fordern Länder des globalen Südens nicht erst seit gestern.

 

Ihre Unzufriedenheit mit dem internationalen Finanzsystem war es, die 2001 den FfD‑Prozess angestoßen hatte. FfD steht für Financing for Development, Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit. Die erste FfD-Konferenz fand 2002 in Monterrey statt, die zweite folgte 2008 in Doha, geprägt durch die globale Finanzkrise. Die dritte Konferenz setzte 2015 in Addis Abeba einen globalen Finanzrahmen für nachhaltige Entwicklung.

Zentrales Element dieses Finanzrahmens: Die Industriestaaten verpflichten sich, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) zu investieren. Zu dieser "ODA-Quote", die bereits 1970 versprochen wurde, bekennen sich die Staaten auch in dem am 18. Juni verabschiedeten UN-Abschlusspapier zur vierten FfD-Konferenz im spanischen Sevilla.

Industrieländer halten 0,7-Prozent-Ziel nicht ein

Allerdings hält sich bisher praktisch kein Land an das selbstgesteckte Ziel. Im Gegenteil: "Die ODA-Quote ist weltweit im Sturzflug, losgetreten von den USA", kritisiert Sabine Minninger von der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt gegenüber Klimareporter°.

Auch Deutschland, bisher das zweitgrößtes Geberland, plant für 2025 Kürzungen. Und: Im schwarz-roten Koalitionsvertrag fehlt jede Spur vom 0,7-Prozent-Ziel.

Viele arme Länder stecken immer noch in der Schuldenfalle – und schon mitten in der Klimakrise. (Bild: Tuncay Işık/​Shutterstock)

"Das hat wirklich globale Auswirkungen", warnt Minninger. "Menschen werden dadurch sterben, wenn sie zum Beispiel lebensnotwendige Hilfe in der Anpassung an den Klimawandel oder nach Klimakatastrophen nicht finanzieren können."

Laut einer Berechnung von Brot für die Welt sind die sieben Staaten mit dem höchsten Klimarisiko auch die Staaten, die am stärksten unterfinanziert sind. Neun von zehn Entwicklungsländern fehlt es an Geld für eine nachhaltige Entwicklung. Insgesamt klafft eine jährliche Lücke von vier Billionen US-Dollar, um die Nachhaltigkeitsziele der UN wie vorgesehen bis 2030 erreichen zu können.

Trotz eskalierender Klimakrise leidet darunter auch die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Denn dies wird bisher ebenfalls aus dem ODA-Topf finanziert. "Das ist per se nicht verwerflich, denn natürlich ist jedes Klimaprojekt auch automatisch ein Entwicklungsprojekt", meint Sabine Minninger. "Aber verwerflich ist, dass die Mittel nicht aufgestockt werden."

Schuldenerlass bleibt auf der Tagesordnung

Besonders, wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht und den Wiederaufbau nach Klimakatastrophen, ist es nicht mit einer Anschubfinanzierung getan. Es braucht laut Minninger öffentliche Mittel – als Schenkung, nicht als Kredite.

Das wäre auch im Sinne des Verursacherprinzips: Industriestaaten als die Verursacher des Klimawandels kämen so für Schäden auf, die mehrheitlich Länder des globalen Südens treffen.

Doch im beschlossenen "Compromiso" fehle es an klaren Zusagen für genau diese zusätzlichen Mittel, meint Christian Gröber von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Die Formulierungen zur öffentlichen Klimafinanzierung sind schwach und unkonkret, obwohl gerade sie für globale Klimagerechtigkeit zentral sind."

Immerhin werde die Bedeutung öffentlicher und vergünstigter Klimafinanzierung unterstrichen, vor allem im Hinblick auf Klimaanpassung sowie klimabedingte Schäden und Verluste, sagt Gröber. Aber: "Beim Thema Schuldenerlass wird nicht anerkannt, dass das bestehende System strukturell ungeeignet ist, um auf klimainduzierte Krisen zu reagieren."

Deutschland soll bei der Klimafinanzierung mehr Ehrgeiz zeigen

47 Länder des globalen Südens sind laut einem aktuellen Report von Entwicklungsorganisationen hoch verschuldet. Häufigere Klimakatastrophen treiben diese Länder noch weiter in die Verschuldung. Oft genug investieren sie dann in fossile Rohstoffprojekte, um ihren Schuldenberg tilgen zu können.

"Ein Schuldenerlass ist unerlässlich, damit sich Staaten angemessen an die Klimakrise anpassen und auch darauf antworten können", findet Sabine Minninger.

Eine Zusage zur Entschuldung fehlt aber im Compromiso. Es werden lediglich Schuldentausch-Instrumente erwähnt.

Formal ist das Dokument zwar beschlossen, doch die vierte FfD-Konferenz steht noch aus. Von heute an werden Regierungsvertreter, Zivilgesellschaft sowie Finanzinstitutionen wie Weltbank und IWF vier Tage lang im spanischen Sevilla konferieren.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich dort am Compromiso noch etwas ändert. "Es kann aber noch politische Akzente geben, etwa durch bilaterale Statements oder Initiativen", meint Christian Gröber.

Auf einer "Platform for Action" könnten sich einzelne Staaten zu Koalitionen der Willigen zusammenschließen, um zum Beispiel in Schuldenfragen konkretere und verbindlichere Maßnahmen zu beschließen. Dabei komme es auf den politischen Druck an, sagt Gröber. "Genau deshalb ist es wichtig, dass Akteure wie Deutschland sich dort sichtbar für ambitionierte Klimafinanzierung positionieren."

 

Viele Länder des globalen Südens werden in Sevilla mit Finanzministern und Regierungschefs vertreten sein. Ein wichtiges Zeichen wäre es, wenn auch aus europäischen Ländern die höchste Führungsebene anreiste.

"Auch ein Friedrich Merz" sollte kommen, fordert Sabine Minninger. "Damit von so einer Konferenz der Schrei nach Unterstützung endlich gehört wird. Wir müssen mehr und nicht weniger Geld bereitstellen, um für alle Menschen eine sichere Zukunft in der Klimakrise zu schaffen."

Der Beitrag entstand im Rahmen eines Medienworkshops der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) und des Pressenetzwerks für Jugendthemen (PNJ), gefördert aus Mitteln des Bundesentwicklungsministeriums.

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