Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hat letzte Woche ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das es in sich hat: Der Ausstoß von Treibhausgasen kann gegen das internationale Seerecht verstoßen.
Eine Koalition kleiner Inselstaaten hatte das Gericht um das Gutachten gebeten und damit einen beachtlichen Erfolg erzielt.
Die 21 Richterinnen und Richter kamen einstimmig zum Schluss, dass das Seerecht den Ländern eine "Verpflichtung zum Schutz der Meeresumwelt auferlegt" und dass diese Verpflichtung geltend gemacht werden könne, "um jede Form der Verschlechterung der Meeresumwelt zu bekämpfen, einschließlich der Auswirkungen des Klimawandels wie der Erwärmung und Versauerung der Ozeane sowie des Anstiegs des Meeresspiegels".
Daher müssten die Länder "alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Meeresverschmutzung durch Treibhausgasemissionen zu verhindern".
"Heute trafen Recht und Wissenschaft in diesem Gericht aufeinander, und beide haben gewonnen", sagte die Botschafterin der Bahamas, Cheryl Bazard, nach der Veröffentlichung des Gutachtens.
Das Gutachten ist für die Länder nicht verbindlich. Es kann aber als Grundlage für Klagen von einem Staat gegen einen anderen Staat dienen, wenn letzterer nicht genug tut, um Treibhausgasemissionen zu verhindern.
Und bei der Frage, was "genug" ist, kommt das Gutachten sogar zu einer überraschenden Antwort: Ausschlaggebend seien hier die Erkenntnisse der Klimawissenschaften.
EU scheitert mit ihrer Rechtsauffassung
Dies bedeutet, "dass die Einhaltung des Paris-Abkommens allein nicht ausreicht", sagte die Juristin Nikki Reisch von Ciel, einer auf Umweltrecht spezialisierten US-Organisation. Die Länder könnten sich folglich nicht länger "hinter den Schwächen der internationalen Klimaverträge verstecken".
Genau das hatte die EU versucht. In einer Eingabe des Staatenbundes an das Hamburger Gericht heißt es: Das Seerecht erlege den Ländern "keine strengeren Verpflichtungen auf als die im Übereinkommen von Paris festgelegten". Doch das Gericht kam zu einem anderen Schluss.
Das Gutachten kommt kurz nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte im April geurteilt, dass die Schweiz nicht genug gegen den Klimawandel tut und damit die Menschenrechte der Klägerinnen, gut 2.000 "Klimaseniorinnen", verletzt.
Das Urteil war wegweisend, da nun auch die anderen 45 Mitglieder der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie etwa Deutschland, verklagt werden können, wenn sie durch mangelnde Klimapolitik die Menschenrechte ihrer Bewohner verletzen.
Im Fall von Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht allerdings schon im Jahr 2021 ein ähnliches Urteil gefällt: Es kam zu dem Schluss, dass mit der damaligen Klimapolitik die Freiheitsrechte junger Menschen unverhältnismäßig eingeschränkt werden, woraufhin die Bundesregierung ihr Netto-Null-Emissionsziel von 2050 auf 2045 vorzog.
Klimaurteile können somit die Klimapolitik von Ländern maßgeblich beeinflussen. Und seit letzter Woche ist klar: Grundlage für Klimaklagen kann auch das internationale Seerecht sein.