Smartphone mit AGL-Logo in Form einer stilisierten Hand aus türkisfarbenen Fingern, dahinter ein verschwommenes Balkendiagramm, das fast kontinuierlich fallende Werte zeigt.
Australiens größter fossiler Energiekonzern AGL geriet in den letzten fünf Jahren auf den absteigenden Ast. (Foto: T. Schneider/​Shutterstock)

Mike Cannon-Brookes hatte sein Informatikstudium abgeschlossen hatte und wollte einen Job, in dem er das normale Anfangsgehalt für Programmierer von umgerechnet rund 2.500 Euro pro Monat verdient.

Zugleich hatte Cannon-Brookes aber keine Lust, für einen großen Softwarekonzern zu arbeiten. Zusammen mit seinem besten Freund Scott Farquhar gründete er deshalb 2002 das Unternehmen Atlassian, das Software zum Projektmanagement entwickelt.

Mittlerweile gehört Atlassian zu den zehn teuersten Unternehmen Australiens. Cannon-Brookes' Vermögen wird auf 14 Milliarden US-Dollar geschätzt. Aufgrund des ungewöhnlichen Werdegangs wird Cannon-Brookes oft als "Milliardär aus Zufall" bezeichnet.

Cannon-Brookes interessiert sich aber nicht nur für Software, sondern auch fürs Klima, und dieses wird in Australien besonders durch einen Energiekonzern geschädigt: AGL Energy.

AGL ist für gut acht Prozent der australischen Emissionen verantwortlich. Das sind rund 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Vor einem Jahr entschied der Konzern dann, dass es nicht länger zeitgemäß ist, die Rangliste der größten Klimasünder des Landes anzuführen.

Statt aber einen Plan zu entwickeln, wie sich der Kohleausstieg beschleunigen ließe, sollten die Kohlemeiler einfach in ein separates Unternehmen ausgelagert werden, ähnlich wie bei Eon in Deutschland. Genau das wollte Cannon-Brookes verhindern, denn das separate Unternehmen würde die fossilen Anlagen noch Jahrzehnte laufen lassen.

Aus Cannon-Brookes' Sicht sollte AGL ein vertikal integrierter Energiekonzern – vom Kraftwerk bis zur Steckdose – bleiben und die Gewinne nutzen, um schneller vom Verbrennen von Kohle und Gas wegzukommen.

Um das zu erreichen, machte Cannon-Brookes im Februar ein Übernahmeangebot für AGL, das er im März noch einmal nachbesserte.

Die Geschäftsleitung von AGL lehnte beide Angebote ab – mit der Begründung, das Unternehmen würde zu niedrig bewertet. Diese Sicht teilten genügend der anderen Aktionäre, sodass die Übernahme nicht zustande kam.

Das Unternehmen hielt an seinen Abspaltungsplänen fest und AGL-Chef Graeme Hunt bezeichnete Cannon-Brookes' Ansinnen noch vor zwei Wochen noch als "abgehobenen, undurchführbaren und verantwortungslosen Nonsens".

Paukenschlag in der Chefetage

Im Juni sollte bei einer Aktionärsversammlung die Aufteilung von AGL formal beschlossen werden. Dazu ist eine Mehrheit von 75 Prozent der Anteilseigner erforderlich. Doch in der Zwischenzeit war Cannon-Brookes mit einem Anteil von 11,3 Prozent zum größten Einzelaktionär von AGL aufgestiegen.

Am gestrigen Montag warf das Unternehmen dann das Handtuch und teilte mit: "In Anbetracht der zu erwartenden Wahlbeteiligung und des erklärten Widerstands einer kleinen Anzahl von Investoren ist AGL Energy der Ansicht, dass der Abspaltungsvorschlag nicht genügend Unterstützung erhalten wird, um die 75-Prozent-Schwelle zu erreichen." Außerdem kündigte AGL an, seine Unternehmensstrategie zu überarbeiten.

Doch damit war Cannon-Brookes' Sieg noch nicht komplett. Die Geschäftsleitung von AGL sah ein, dass es ihr an Glaubwürdigkeit für einen Strategiewechsel mangelte. Daher kündigten der Aufsichtsratschef Peter Botten, zwei weitere Mitglieder des Aufsichtsrats sowie AGL-Chef Graeme Hunt ihren Rücktritt an.

Glenn Walker von Greenpeace Australien kommentierte das so: "Graeme Hunt und Peter Botten, die Hauptverantwortlichen für dieses Versagen, sind auf ihre kohleschwarzen Schwerter gefallen. Sie haben es versäumt, auf die große Zahl von Investoren zu hören, die auf der letzten Jahreshauptversammlung für eine Klimaresolution gestimmt haben. Sie haben nicht verstanden, dass sich die politische Landschaft in Richtung Klimaschutz verändert hat."

Genau dafür will Cannon-Brookes AGL jetzt fit machen. "Der erste Schritt ist die Erneuerung des Vorstands", sagte er dem australischen Fernsehsender ABC. "Der zweite Schritt ist ein klar am Paris-Abkommen ausgerichteter Plan, der die wissenschaftlichen Ziele erfüllt, denn das wird die Finanzierung freisetzen und die Kapitalkosten senken."

Damit könnte er recht haben, denn das frühere Management hat einen enormen Wertverlust zu verantworten: AGL hat in den letzten fünf Jahren drei Viertel seiner Marktkapitalisierung eingebüßt. Da kann es eigentlich nur besser werden.

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