Ist der Schutz vor einer gefährlichen Störung des Weltklimas ein wichtiges Thema? Natürlich, sagen die meisten Menschen, auch die an den Regierungsspitzen.

In der politischen Realität ist anderes wichtiger. Es muss die Wirtschaft mit allen Mitteln in Schwung gebracht, die Zustimmung der Wählerschaft mit Milliarden-Geschenken erkauft, ein Krieg mit Hochrüstung abgewehrt werden.

 

Das war in den gut drei Jahrzehnten, in denen national und international Klimapolitik gemacht wird, schon häufig so. Doch so deprimierend wie aktuell war die Lage selten. Das überragende Menschheitsthema ist in der Bedeutung dramatisch abgestürzt – und das just im zehnten Jahr nach dem Weltklimagipfel in Paris. Die politische Klasse versagt.

Beispiele für die Klima-Amnesie? Die sind schnell gefunden. Etwa: Als sich vorige Woche in Kanada die G7-Staaten trafen, also der Club der altindustrialisierten Länder mit seinen enormen historischen CO2-Schulden, wurde die Klimakrise einfach totgeschwiegen.

Aus Sorge, den fossilen "Drill-Baby-Drill"-Präsidenten Donald Trump zu verärgern, hatte Gipfelgastgeber Kanada das Thema schon vorab aus der Abschlusserklärung genommen. Doch das Wegschauen hatte Methode. Auch, nachdem Trump das Treffen vorzeitig verlassen hatte, kam es nicht aufs Tapet.

Man konnte sich des Eindrucks kaum erwehren, als hätten die G6-Spitzen sich nur zu gerne der Methode des US-Präsidenten bedient, unliebsame Fakten zu ignorieren.

Ernüchterung bei den Klimaverhandlungen

Noch ein Beispiel? Die vorige Woche zu Ende gegangene Klima-Zwischenkonferenz in Bonn. Natürlich, gar so blind wie die Mächtigen der industrialisierten Welt konnten die Verhandler:innen dort gegenüber den Herausforderungen nicht sein.

Es ist ja – wie immer bei dem Treffen am Sitz des UN-Klimasekretariats – der Job, den großen jährlichen Klimagipfel im Herbst vorzubereiten, diesmal in Belém in Brasilien. Doch auch in Bonn machte sich Ernüchterung breit. Der Trump-Virus wirkte selbst dort.

Flaggen an Fahnenmasten vor einem grauen Himmel.
Die Bewältigung globaler Krisen wie der Erderwärmung braucht globale Kooperation. Damit steht es derzeit nicht zum Besten. (Bild: Hxdbzxy/​Shutterstock)

Schlimm genug, dass Brasiliens Regierung als Belém-Gastgeber just zum Start der Bonner Konferenz eine Versteigerung von neuen Erdöl- und Erdgasrechten abhielt. "Weltuntergangs-Auktion" nannten Kritiker das.

Doch auch bei den Gesprächen selbst ging es mehr als zäh zu. Es gab kaum Fortschritte bei den wichtigen Fragen, die in Belém gelöst werden sollen – stärkere CO2-Reduktionsziele der Staaten, mehr internationale Klimafinanzierung, Ausstieg aus den fossilen Energien.

Nicht wenige Delegierte verließen die Konferenz ernüchtert vorzeitig – manche, um nach London zu fahren, wo gleichzeitig die "Climate Action Week" stattfand, eine große Messe zur praktischen Energiewende weltweit. Das versprach offenbar weniger Zeitverschwendung als Bonn.

Thema zweiter Klasse auch hierzulande

Es ließe sich eine Reihe weiterer Beispiele anfügen. Leider zählt auch das Handeln der neuen Bundesregierung dazu, die das Klima als Thema zweiter Klasse behandelt.

Sie will zu viele Erdgaskraftwerke bauen und die Erdgas-Speicherung ausgerechnet aus dem Klimafonds finanzieren, sie fährt die Förderung des Umstiegs auf Wasserstoff in der Industrie herunter und setzt weder ein Klimageld noch die im Koalitionsvertrag angekündigte starke Stromverbilligung für die Haushalte um.

Dabei täte die drittgrößte Volkswirtschaft weltweit doch wirklich gut daran, bei der Energiewende wieder den Anschluss an die Spitze zu suchen, den sie im vorigen Jahrzehnt fahrlässig an die Chinesen abgab.

 

Die Beispiele machen trübsinnig, richtig. Deswegen bleibt nur zu hoffen, dass sie nicht das letzte Wort sind.

Es gibt ja auch die positiven Nachrichten, den Siegeszug der erneuerbaren Energien, den Boom bei der E‑Mobilität, Erfolge bei der Renaturierung von Ökosystemen. Sie sich zu vergegenwärtigen, kann helfen, die politisch trüben Klimazeiten zu überstehen.

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