Klimaschutz kostet nicht nur – er kann sich auch wirtschaftlich lohnen. Zu diesem Schluss kommt ein neuer Bericht des Industrieländerklubs OECD und des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, der letzte Woche auf einer Konferenz in Berlin vorgestellt wurde. Das Treffen wurde unter anderem vom deutschen Umweltministerium ausgerichtet. Vertreter:innen aus über 50 Ländern nahmen teil.
Der Report analysiert, wie eine ambitionierte Klimapolitik ausgestaltet werden muss, damit sie nicht nur dem Planeten nützt, sondern auch ein Treiber für wirtschaftliche und soziale Vorteile ist. Klimaziele sollten nicht als Pflichtübung, sondern als Chance für eine nachhaltige und widerstandsfähige globale Entwicklung verstanden werden, heißt es.
Im Zentrum steht die Botschaft: Wenn Staaten ihre nationalen Klimapläne, die sogenannten "Nationally Determined Contributions" (NDCs), ehrgeiziger und konkreter ausgestalten, fördern sie damit nicht nur die CO2-Einsparung, sondern auch ihr eigenes Wirtschaftswachstum.
Diese Haltung teilt der deutsche Umweltminister Carsten Schneider. Kluger Klimaschutz ist für ihn die richtige Modernisierungs- und Wachstumsstrategie für die deutsche Volkswirtschaft. "Nicht mehr Klimaschutz gefährdet den Wohlstand, sondern zu wenig", erklärte Schneider anlässlich der heute beginnenden Klima-Zwischenkonferenz in Bonn.
Die Autor:innen des Berichts argumentieren so: Eine gezielte Ausrichtung der Klimapolitik an wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten – etwa Energiesicherheit und Armutsbekämpfung – könne zu einem höheren Bruttoinlandsprodukt (BIP), besserer Luftqualität und positiven gesundheitlichen Effekten führen.
"Ehrgeizige Klimaziele, die durch solide Umsetzungs- und Investitionspläne untermauert werden, können wirtschaftliche Chancen bieten, Investitionen freisetzen und nachhaltige Entwicklung und Wachstum unterstützen", heißt es in dem OECD-Report weiter.
Erst 22 Staaten haben ihre Klimapläne aktualisiert
Zwar habe es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben – Investitionen in saubere Energien übersteigen mittlerweile jene in fossile Brennstoffe, und die Pläne der Staaten, klimaneutral zu werden, decken inzwischen rund 90 Prozent der Weltwirtschaft ab –, doch die globalen Treibhausgas-Emissionen steigen weiter.
2024 verzeichnete der CO2-Ausstoß einen neuen Höchststand, nachdem die Lockdowns während der Corona-Pandemie zeitweise einen Rückgang verursacht hatten. Zudem wurde erstmals ein volles Kalenderjahr mit einer globalen Durchschnittstemperatur von mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau gemessen – ein Alarmsignal.

Gemäß dem Pariser Klimaabkommen von 2015 sind die Regierungen der Vertragsstaaten verpflichtet, alle fünf Jahre neue Klimapläne vorzulegen. Eigentlich hätte dies für 2025 bereits geschehen müssen, Stichtag war der 10. Februar. Doch erst 22 der 197 Staaten haben neue NDCs eingereicht – weitere dürften allerdings bis zum Weltklimagipfel COP 30 im November in Brasilien folgen.
Laut OECD und UNDP bietet sich damit eine einmalige Gelegenheit, die globalen Ambitionen deutlich zu steigern, um den im Paris-Vertrag fixierten Erwärmungskorridor von 1,5 bis zwei Grad noch zu halten.
Der neue Bericht rechnet vor, dass anspruchsvollere NDCs in Verbindung mit einer effektiven Umsetzung das globale BIP zwischen 2022 und 2040 um rund 60 Prozent steigern könnten – 2040 läge es dann etwa 0,2 Prozent höher als bei unveränderter Politik.
Dieser scheinbar geringe Unterschied entspricht immerhin dem Umfang der schwedischen Volkswirtschaft. Bis 2050 sei sogar ein Plus von drei Prozent denkbar, bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es laut OECD-Modellen bis zu 13 Prozent sein.
Einer von fünf Menschen kann es aus der Armut schaffen
Bei einem Zögern drohen hingegen Risiken: Unklare Klimapolitik könnte das globale BIP bereits 2030 um 0,75 Prozent drücken. Für 2050 kamen andere Studien auf noch größere Risiken. Für Europa hatte das UN-Klimasekretariat erläutert, extreme Wetterereignisse könnten bis dahin ein Minus von 2,3 Prozent pro Jahr bescheren – Jahr für Jahr wie eine anhaltende tiefe Rezession.
Zugleich betonen die Autor:innen des aktuellen Berichts, dass ihre Modellierungen eher vorsichtig kalkuliert seien – sie berücksichtigen nicht die massiven wirtschaftlichen Schäden, die durch das Überschreiten sogenannter Kipppunkte des Klimasystems entstehen könnten. Dazu zählen unter anderem das Abschmelzen der großen Eisschilde an Nord- und Südpol oder das Austrocknen des Amazonas-Regenwaldes, was teils unumkehrbare und globale Klimaveränderungen nach sich ziehen würde.
OECD-Generalsekretär Mathias Cormann betonte, mit der richtigen Politik könnten ambitionierte Ziele nicht nur Investitionen in eine emissionsarme Zukunft lenken, sondern auch Armut verringern und die Energiesicherheit stärken. UNDP-Chef Achim Steiner ergänzte: "Der Bericht zeigt, dass der Übergang zu einer grüneren Wirtschaft das BIP-Wachstum tatsächlich ankurbeln und nicht behindern kann."
Klimaschutzmaßnahmen entfalten ihre Wirkung dabei nicht nur über das BIP. Werden Klima- und Entwicklungsstrategien enger verzahnt, könnte dadurch laut dem Report bis 2050 jeder fünfte Mensch, der heute in extremer Armut lebt, finanzielle Sicherheit gewinnen.
Investitionen in saubere Energien, emissionsarmen Verkehr und nachhaltige Stadtentwicklung verbesserten zudem die Luftqualität – besonders in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, die unter hoher Umweltbelastung leiden.
China sorgt für zwei Drittel des Erneuerbaren-Wachstums
Damit Länder diese Potenziale auch heben können, enthält der Bericht eine Reihe konkreter Empfehlungen für den NDC-Zyklus 2025.
Dazu zählen unter anderem ein starkes politisches Engagement auf höchster Ebene, die bessere Koordination von Klima- und Entwicklungszielen, die frühzeitige Einbindung des Privatsektors sowie der zielgerichtete Einsatz öffentlicher Mittel und internationaler Unterstützung. Wichtig sei auch, dass besonders betroffene Bevölkerungsgruppen nicht zurückgelassen werden.
Wie wichtig aktive Energiepolitik ist, unterstreichen die Daten der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien Irena. Sie zeigen für das vergangene Jahr ein rekordverdächtiges Wachstum von 15 Prozent bei den Kapazitäten für erneuerbare Energien, wobei fast zwei Drittel des Wachstums aus China kamen.
Erneuerbare Energien seien wirtschaftlich rentabel und leicht einsetzbar, betonte Irena-Generaldirektor Francesco La Camera. Fossile Brennstoffe ziehen allerdings nach wie vor Investitionen an.
Im Jahr 2023 wurden weltweit rund 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze im Sektor der grünen Energien geschaffen. Aber auch im Sektor der fossilen Brennstoffe kamen fast eine Million neue Arbeitsplätze hinzu.
Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump fördert sogar ein Rollback zu den fossilen Energien, wobei die USA bereits heute der weltweit größte Produzent von Erdöl und Erdgas sind.
Die OECD kündigte in Berlin an, sie wolle Länder weiterhin mit Analysen, Kapazitätsaufbau und internationalem Dialog unterstützen – vor allem mit Blick auf die COP 30, die in der Amazonas-Stadt Belém stattfinden wird.