Der aus den USA stammende Papst Leo XIV. hat im Mai die Nachfolge seines Vorgängers Franziskus angetreten – und es wird immer deutlicher, dass er viele von dessen gesellschaftspolitischen Positionen teilt.
In der letzten Woche veröffentlichte er das Lehrschreiben "Dilexi te", in der er unter anderem die grassierende Gleichgültigkeit gegenüber der sich ausbreitenden Armut und die abweisende Haltung gegenüber Migrantinnen und Migranten anprangert.
Doch Leo knüpft auch im Umwelt- und Klimabereich in zentralen Fragen deutlich an das Werk von Franziskus an. Es sind Ansichten, die Leo den Zorn konservativer Katholiken und in den USA der Anhänger der Trumpschen Maga-Bewegung einbringen, die gehofft hatten, mit ihm ziehe wieder ein "konservativerer Wind" in den Vatikan ein.
Franziskus hatte die Klimafrage 2015 mit seiner Enzyklika "Laudato Si'" überhaupt erst auf die globale kirchliche Agenda gesetzt. Das Schreiben gilt bis heute als Grundlagentext einer ökologischen Theologie. Darin erklärte der damalige Papst den menschengemachten Klimawandel zu einer moralischen Frage und verknüpfte ihn mit der sozialen Gerechtigkeit.
"Viele wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass der Mensch in letzter Zeit wesentlich zur globalen Erwärmung beigetragen hat", schrieb Franziskus, der sich von führenden Klimaforscher:innen dazu hatte beraten lassen. "Die Entwicklung alternativer Energiequellen muss unverzüglich vorangetrieben werden", meinte er.
Franziskus und die ökologische Frage
Franziskus forderte eine "kulturelle Revolution", eine Abkehr von "Konsumismus und Wegwerfmentalität", eine Bewegung hin zu einer neuen Lebensweise, die das gemeinsame Haus Erde schützt.
Damit verschob er die ökologische Frage aus der Umweltpolitik in die Mitte der katholischen Glaubenslehre – mit weitreichenden Folgen. So verpflichtet der Vatikan sich unter ihm auf Klimaneutralität bis 2050, und Franziskus gründete die Laudato-Si'-Aktionsplattform, die Pfarreien und Orden zu nachhaltigem Handeln anregt.
Vor zwei Jahren aktualisierte der Papst seine Position mit dem Schreiben "Laudate Deum", in der er die Klimakrise als "beunruhigende Realität" bezeichnete, "deren menschliche Ursachen nicht länger geleugnet werden können". Franziskus wurde damit eine Instanz in Sachen Umwelt, was über die katholische Kirche hinaus Einfluss hatte.
Doch die Fronten innerhalb der Kirche verschärften sich. Vor allem in den USA kritisierten konservative Bischöfe seine "Politisierung" der Glaubenslehre, sahen in Laudato Si' eine "Einmischung in die Wirtschaft". Und gegen solche Positionen richtet sich nun auch die Kritik an seinem Nachfolger.
Leo XIV., geboren in Chicago, ist der erste Papst aus den USA. Seine persönliche Biografie, unter anderem geprägt durch Seelsorge in armen Gemeinden Lateinamerikas, erklärt seine Sensibilität für soziale und ökologische Fragen. Doch seine jüngsten Äußerungen haben ihn mitten in den US-Kulturkampf gebracht.
Wenn Lebensschützer für die Todesstrafe sind
Als in seiner Heimatstadt Kardinal Blase Cupich, ein enger Freund Leos, den demokratischen Senator Dick Durbin für sein Engagement für Zugewanderte ehren wollte, reagierten konservative Katholiken empört – unter anderem wegen Durbins liberaler Haltung in der Abtreibungsfrage. Leo aber verteidigte das Vorhaben und betonte Durbins jahrzehntelange Verdienste.
Er fügte hinzu, es sei nicht wirklich lebensschützend, wenn jemand zwar Abtreibung ablehne, aber die Todesstrafe befürworte oder die "unmenschliche Behandlung von Migranten" dulde. Damit griff er indirekt die Doppelmoral vieler US-Konservativer an.
Der Sturm aus rechten Medien folgte prompt. Der katholische Aktivist Jack Posobiec schrieb auf dem Portal "X": "Manche Päpste sind ein Segen. Manche eine Buße." Der konservative Kommentator Matt Walsh sprach von einem "enttäuschenden" Papst, und der frühere Bischof von Tyler (Texas), Joseph Strickland, warnte, Leos Worte stifteten "Verwirrung".
Noch heftiger wurde der Gegenwind, als Leo wenige Tage später anlässlich des zehnten Jubiläums von Laudato Si' auf einer Klimakonferenz in der früheren Papst-Residenz Castel Gandolfo bei Rom sprach. Dort rief er zum entschlossenen Handeln gegen den Klimawandel auf und verurteilte "jene, die immer noch die Fakten leugnen oder verzerren".
Bei der Zeremonie segnete er symbolisch einen Eisblock, der als Zeichen für die schmelzenden Gletscher stand – eine Aktion, die in rechten Netzwerken in den USA schnell für Karikaturen benutzt wurde. Doch Leo blieb bei seiner Linie.
"Nicht an den Luxus der Ignoranz gewöhnen"
"Wir dürfen uns nicht an den Luxus der Ignoranz gewöhnen", sagte er. "Der Glaube verlangt, die Schöpfung zu bewahren, nicht, sie zu benutzen." Mit diesen Worten knüpft er unmittelbar an Franziskus an, der ökologische Verantwortung als Ausdruck christlicher Nächstenliebe bezeichnete.
Franziskus' Formel vom "Schrei der Erde und dem Schrei der Armen" hat Leo in seine Sprache übernommen. Der neue Papst versteht die Klimafrage nicht nur als technisches, sondern als moralisches Problem – eines, das mit Migration, Armut und Ungleichheit verknüpft ist.
Im Vatikan führt er denn auch die umweltpolitischen Initiativen seines Vorgängers fort. Ein neues Ausbildungszentrum für ökologische Theologie und nachhaltige Entwicklung, das Borgo Laudato Si', entsteht derzeit in Castel Gandolfo. Außerdem hat Leo eine spezielle "Messe für die Sorge um die Schöpfung" genehmigt, mit der katholische Gemeinden weltweit für den Schutz der Umwelt beten sollen.
Doch in den USA, wo Politik und Religion teils eng verschränkt sind, ist Leos Kurs umstritten. Teile der katholischen Kirche dort sympathisieren offen mit der republikanischen Rechten, viele Gläubige lehnen Klimaschutz ab oder sehen ihn als Bedrohung der Wirtschaft.
Schon Franziskus' Aufruf von 2015, fossile Brennstoffe zu ersetzen, wurde von einem Teil der US-Bischöfe ignoriert. Einige von ihnen investierten kirchliche Gelder weiterhin in Ölkonzerne.
Leo versucht, diese Gräben zu überbrücken. Er meidet scharfe Töne, attackiert niemanden direkt, ruft zum Dialog auf – aber seine Botschaft bleibt eindeutig. Bei einer Begegnung mit Jugendlichen in Rom sagte er kürzlich: "Wer den Klimawandel leugnet, leugnet nicht nur die Wissenschaft, sondern die Verantwortung vor Gott."
Dass er damit in seinem Land gegen mächtige politische Lager steht, nimmt er offenbar bewusst in Kauf. Gerade US-Präsident Donald Trump betont ja immer wieder, der Klimawandel sei ein "Schwindel", und dreht die klimapolitischen Ambitionen seines Landes zurück, um die fossilen Energien auch künftig weiter ausbeuten zu können.
Der Papst sagt dagegen: "Die Erde ist kein Besitz, sie ist ein Geschenk. Und wer ein Geschenk zerstört, der beleidigt den Geber." Dass unter anderem Trump damit gemeint ist, das kann man zwar vermuten. Direkt sagen würde es Leo natürlich nicht.

Der Text hat mir sehr gut gefallen. Er ist unterhaltsam geschrieben und enthält doch alle notwendigen Informationen.
(Oh doch, das ist die Hervorhebung wert! Man liest heutzutage viel zu viel Journalismus, der entweder das eine oder das andere missen lässt!)
Das macht Lust auf mehr; ich werd nicht das letzte Mal hier gelesen haben.
Inhaltlich erfüllt es mich auch mit ein bisschen Schadenfreude, dass die konservativen US-Christen es sich so ganz anders vorgestellt hatten, einen "eigenen" Papst zu haben.
Mit freundlichem Gruß,
Julia Peh