Das hatte kaum noch jemand erwartet: ein möglicher neuer Anlauf für mehr Klimaschutz beim zweitgrößten CO2-Einheizer-Land der Welt statt des Trumpschen Abrissunternehmens. Kamala Harris hat genügend Delegiertenstimmen hinter sich, um Kandidatin der US-Demokraten für die Präsidentschaftswahl im November zu werden. In der Klimabewegung sorgt das für große Erwartungen und euphorische Kommentare.

Klar ist: Eine US-Präsidentin Harris würde Joe Bidens positive Klimapolitik fortführen, doch ob die bekennende linksliberale Klimakämpferin hier, wie eigentlich nötig, noch einen Zahn zulegen könnte, ist unklar. Sie muss auch auf konservative Wählerschichten Rücksicht nehmen.

 

Die Kalifornierin Harris hat sich in der Vergangenheit noch deutlich engagierter für den ökologischen Umbau eingesetzt als Biden, der aus dem immer noch von Stahl und Kohle geprägten nordöstlichen Bundesstaat Pennsylvania stammt und dort stark in der Arbeiterschaft verankert ist.

Über 350 Prominente aus der Klimaszene unterstützen denn auch ihre Kandidatur. Sie schrieben jüngst in einem offenen Brief: "Wir wissen, dass der Schutz unseres Planeten für uns und zukünftige Generationen die Art von mutiger Führung erfordert, die Kamala Harris ihr ganzes Leben lang bewiesen hat. Wir sind stolz darauf, sie zu unterstützen und gemeinsam mit ihr den Kampf gegen den Klimawandel zu führen."

Große Namen der US-Umweltbewegung stehen unter dem Text, darunter der ehemalige Außenminister und Klimabeauftragte John Kerry, Ex-Außenministerin Hillary Clinton, der Gouverneur von Washington, Jay Inslee, aber auch der bekannte Ökoaktivist Bill McKibben, die Umweltanwältin Catherine Coleman Flowers und der milliardenschwere Grüne-Energie-Investor Tom Steyer.

Votum für oder gegen den industriellen Umbau

Eine ihrer Hoffnungen: Harris dürfte gerade auch in der jungen Wählerschaft punkten, die für die Demokraten besonders wichtig ist. Inslee sagte über Harris: "Ihre Kandidatur hat bei jungen Menschen im ganzen Land sofort ein Feuer entfacht."

Der Klimawandel ist laut US-Umfragen in der jüngeren Generation ein wichtiges Thema. Diese rechnet damit, ohne eine aktive Klimapolitik noch stärker mit den Folgen der Aufheizung des Planeten konfrontiert zu werden – wie mehr Waldbränden, heftigeren Stürmen und schwereren Überflutungen.

Vor vier Jahren wollte Kamala Harris schon einmal US-Präsidentin werden – mit einem ehrgeizigen Klimaprogramm. (Bild: Juli Hansen/​Shutterstock)

Das macht klar: Für die Klimapolitik bedeutet das Duell Harris gegen Trump eine Grundsatz-Entscheidung. Ex-Präsident Donald Trump hat angekündigt, Bidens grüne Gesetze wieder zurückzudrehen, wie den "Inflation Reduction Act", der binnen zehn Jahren 370 Milliarden US-Dollar in die Förderung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und E‑Mobilität pumpt. Ebenso plant er einen erneuten Ausstieg aus dem Pariser Weltklimavertrag.

Harris hingegen hat den Klimawandel als "existenzielle Bedrohung für uns als Spezies" bezeichnet und steht für die Fortsetzung der grünen Transformation. Als Bidens Vize sprach sie Anfang des Jahres davon, die USA würden binnen eines Jahrzehnts "eine Billion Dollar" dafür ausgeben. Auch dass Washington unter Harris die internationale Klimapolitik weiter vorantreiben würde, gilt als ausgemacht.

Harris hat sich bisher klar gegen die fossile Industrie positioniert, teils mit markigen Worten. In ihrer Zeit als kalifornische Generalstaatsanwältin verklagte sie die Betreiberfirma einer Öl-Pipeline wegen eines Lecks und ermittelte gegen den Energiekonzern Exxon Mobil wegen jahrzehntelanger gezielter Falschinformationen zum Klimawandel.

Auf dem UN-Klimagipfel im vorigen Jahr in Dubai, zu dem sie als Vizepräsidentin angereist war, sagte sie zu dem dort verhandelten Plan für einen Ausstieg aus den fossilen Energien: "Fortschritt ist nicht möglich ohne Kampf." In allen Ländern der Welt gebe es Politiker, die "die Klimawissenschaft leugnen, das Handeln verzögern und Desinformation verbreiten". Sie attackierte "Unternehmen, die ihr Nichthandeln grünwaschen und Lobbyarbeit für milliardenschwere fossile Subventionen machen".

Ein so grünes Harris-Programm wie 2020 ist nicht zu erwarten

Als Senatorin für Kalifornien befürwortete Harris 2019 einen "New Green Deal", der die US-Wirtschaft noch viel stärker umgebaut hätte als Bidens Inflation Reduction Act.

Ihr Programm zur Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur 2020, aus der sie allerdings frühzeitig ausschied, enthielt eine ambitionierte Agenda mit Klimaneutralität schon 2045 statt 2050, einem CO2-freien Stromsystem 2030 und einem Verbrenner-Verbot für Neuwagen ab 2035. Sie befürwortete darin die Einführung einer CO2-Steuer sowie Öko- und Infrastrukturmaßnahmen im Umfang von sogar zehn Billionen Dollar.

Theoretisch könnte Harris ein solches Programm nun als Präsidentschaftskandidatin neu auflegen. Doch das halten viele für unwahrscheinlich.

Ein Grund dafür: Sie braucht für einen Wahlsieg auch die Unterstützung aus der Arbeiterschaft, die gegenüber einer radikalen Energie- und Verkehrswende skeptisch eingestellt ist und seit der Wahl von Trump 2016 vielfach von den Demokraten in dessen Lager übergewechselt war.

Zudem müsste sie als Präsidentin damit rechnen, mit einem teilweise oder ganz von den Republikanern dominierten Kongress konfrontiert zu sein – und sich ohnehin mit traditionell demokratisch regierten Bundesstaaten arrangieren, die weiter auf ihre fossile Industrie setzen.

Hinzu kommt, dass wichtige Entscheidungen in der Umwelt- und Klimapolitik von der noch unter Ex-Präsident Trump installierten konservativen Mehrheit im Obersten Gericht torpediert werden könnten, was Harris' Handlungsspielraum einschränkt.

Auf Harris würde also alles andere als ein einfacher Job warten in einem Land, dessen Politik traditionell stark von den Energielobbys beeinflusst wird.