Hungersnöte, Ressourcenknappheit und Migrationsströme – all das sind Folgen des Klimawandels. Immer mehr Kriege und Konflikte der Gegenwart werden mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht.
Doch innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft ist umstritten, wie darauf reagiert werden soll. Vor einer Woche scheiterte genau zu dieser Frage eine Resolution im UN-Sicherheitsrat.
Der von Irland und Niger eingebrachte Resolutionsentwurf definierte den Klimawandel als ein zentrales Risiko für den weltweiten Frieden. Es wäre die erste Resolution gewesen, die die Klimakrise als eigenes Sicherheitsthema benannt hätte.
Ein Veto von Russland blockierte schließlich die Resolution. Ein Recht, das Russland als eines von fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats ausüben kann. Auch Indien votierte gegen den Entwurf. China enthielt sich. Die restlichen 13 Ratsmitglieder stimmten dafür.
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja begründete das Veto damit, dass Russland verhindern wolle "ein wissenschaftliches und wirtschaftliches Thema in eine politisierte Frage" zu verwandeln. Auch Indien und China zweifeln an der Behauptung, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Konflikten und Klimaveränderungen.
Seit 2007 diskutiert der Rat die Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Sicherheit kontrovers. Im Mittelpunkt der Diskussion steht, inwiefern der Sicherheitsrat das richtige Gremium ist, um sich mit den Folgen des Klimawandels zu befassen. Kritiker:innen befürchten eine Militarisierung der Frage. Russland machte deutlich, dass der Rat durch die Resolution die Möglichkeit hätte, in jedem Land der Welt zu intervenieren.
Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht diese Gefahr nicht. Die Resolution schaffe gar nicht die Voraussetzungen für ein derartiges Vorgehen.
Befürworter:innen argumentieren, dass dem Rat mit der Resolution eine Vielzahl an Instrumenten zum Beispiel für Präventionsmaßnahmen zur Verfügung stünde. Die irische UN-Botschafterin Geraldine Byrne Nason betonte, es sei "längst überfällig", dass das wichtigste UN-Gremium klimabezogene Sicherheitsrisiken in seine Arbeit integriere.
Der Klimawandel kann Konflikte begünstigen
Tatsächlich zeigt sich unter Wissenschaftler:innen kein einheitliches Bild. Breite Übereinstimmung besteht allerdings darüber, dass Klimaveränderungen Konflikte begünstigen, zumindest unter bestimmten Bedingungen. Der Weltklimarat IPCC warnte bereits 2007 in seinem vierten Sachstandsbericht davor, dass der Klimawandel zu einem Haupttreiber für Konflikte werden könne.
Eine Studie von 2019 zeigte nochmals deutlich, wie es in Regionen mit starken Trockenheitsperioden vermehrt zu Konflikten kam (siehe Karte). Die dahinterstehenden Mechanismen werfen jedoch nach wie vor Fragen auf.
"Der Klimawandel wirkt als Multiplikator für Konflikte", sagt Susanne Dröge. "Oft lässt sich der Klimaanteil an einem Konflikt allerdings erst lange nach dem eigentlichen Konfliktgeschehen feststellen." Mit der Resolution wäre ein Rahmen geschaffen worden, um solche Zusammenhänge schon frühzeitig zu erkennen.
Einige Studien zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen Klima und Konflikten. Forschungsergebnisse zeigen etwa einen Anstieg der Mordraten in besonders heißen Perioden. Zurückgeführt wird das auf psychologische und physiologische Effekte. Sowohl hohe als auch niedrige Temperaturen führen zu einem steigenden Leidensdruck und dadurch zu einer erhöhten Aggressivität.
Andere Studien konnten diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Die Untersuchungen verwenden unterschiedliche Modelle und betrachten verschiedene Zeiträume und Regionen, wobei sich jeweils die geopolitischen und sozialen Bedingungen ändern. Das macht es schwierig, die Studien zu vergleichen und zu wissenschaftlich belastbaren Aussagen zu kommen.
Ein weiterer Forschungsstrang widmet sich den indirekten Zusammenhängen zwischen Klima und Konflikten. Im Mittelpunkt stehen dabei die landwirtschaftlichen Erträge, die wirtschaftliche Situation und Migrationsfragen sowie deren Beeinflussung durch Klima und Wetterereignisse.
Es existiert eine Vielzahl an Belegen, die Ernteausfälle, dadurch ausgelöste Hungersnöte, angestiegene Nahrungsmittelpreise und wirtschaftliche Einbußen mit zivilen Konflikten in Verbindung bringen.
Forscher:innen erklären auch prägende Phasen der Zivilisationsgeschichte mit klimatischen Schwankungen. So war das Klima während der Römerzeit auffallend stabil. Hohe Temperaturen und viel Niederschlag begünstigten die Landwirtschaft. Ab dem Jahr 250 wurde das Klima deutlich kälter und unbeständiger.
In diese dreihundert Jahre andauernde, von Klimaschwankungen geprägte Phase fiel die Völkerwanderung. Wieder ansteigende Temperaturen und Niederschläge ab dem 7. Jahrhundert werden mit dem kulturellen Aufstieg und der folgenden Blütezeit des Mittelalters assoziiert.
Starke Dürren gingen dem syrischen Bürgerkrieg voraus
Für viele weitere gesellschaftliche Umbrüche und Perioden der Stabilität sehen Forscher:innen die klimatischen Bedingungen als eine der Ursachen. Ein neueres Ereignis, das immer wieder mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wird, ist der seit zehn Jahren wütende Bürgerkrieg in Syrien.
Durch eine von 2006 bis 2010 andauernde Dürreperiode verbunden mit staatlichem Versagen verloren hunderttausende Syrer:innen ihre Lebensgrundlage. Die landwirtschaftlichen Erträge sanken um bis zu zwei Drittel. Es begann eine große Binnenmigration der Landbevölkerung in die überlasteten Städte.
Der syrische Bürgerkrieg wurde nicht durch klimatische Veränderungen allein verursacht, sie begünstigten ihn aber. Konflikte sind nie auf nur eine Ursache zurückzuführen, sondern entstehen in einer Wechselbeziehung aus zahlreichen Faktoren. Nachbarstaaten Syriens, wie der Libanon oder Irak, waren ebenfalls von Dürren geprägt, ohne dass ein Bürgerkrieg ausbrach.
In einer wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Situation, in der Gesellschaften anfälliger für klimatische Veränderungen sind, ist es wahrscheinlicher, dass ungünstige Klimabedingungen zu Gewalt und Konflikten führen. Regionen, die stark von der Landwirtschaft abhängig sind und deren Institutionen nicht in der Lage sind, von Krisen betroffene Teile der Bevölkerung aufzufangen, sind dementsprechend besonders anfällig. Das trifft überwiegend auf Gebiete zu, die ohnehin am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.
Sind entsprechende Vorbedingungen erfüllt, können Klimaveränderungen also durchaus Kriege und andere Konfliktformen auslösen oder verschlimmern.
Die Resolution wurde gestoppt, das Problem bleibt
Enttäuscht von Russlands Sicherheitsrats-Veto zeigte sich der nigerische UN-Botschafter Abdou Abarry. Das Veto könne zwar die Resolution verhindern, aber nicht die Realität verbergen, sagte er. Niger ist, wie viele Länder in Westafrika, selbst stark von Dürreperioden und Binnenmigration betroffen.
Viele Länder haben den Klimawandel bereits als Sicherheitsrisiko anerkannt. Vor drei Jahren warnte der damalige deutsche Außenminister Heiko Maas vor den Gefahren zukünftiger Klimakriege. Ähnlich vernahm man in diesem Jahr US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, der von globalen Sicherheitsrisiken durch den Klimawandel sprach.
Nach Ansicht von Susanne Dröge ist es auch in Zukunft unwahrscheinlich, dass eine derartige Klimaresolution vom Sicherheitsrat angenommen wird. "Entweder es scheitert an der nächsten republikanisch geführten US-Regierung, an China oder eben wieder an Russland", meint Dröge.
Da jedes der fünf ständigen Mitglieder ein Veto aussprechen kann, können nach jeweils eigener Präferenz Beschlüsse verhindert werden. In der Vergangenheit haben die drei großen Vetomächte USA, China und Russland immer wieder Beschlüsse blockiert.
Ein besseres wissenschaftliches Verständnis der Zusammenhänge von Klima und Konflikten könnte den Sicherheitsrat immerhin in einen größeren Rechtfertigungszwang bringen. Denn sicher ist: Die Folgen des Klimawandels werden sich in den nächsten Jahren weiter verschlimmern.