Autos fahren durch Tausende weinroter Heuschrecken.
Heuschreckenplagen, hier 2004 in Marokko, können zu schweren Ernährungskrisen führen. (Foto: Magnus Ullman/​Wikimedia Commons)

Wegen der Coronakrise sind die meisten Menschen mittlerweile mit exponentiellem Wachstum vertraut. Dennoch erstaunen die Zahlen von der Heuschreckenplage in Ostafrika.

Nach der ersten Welle im Februar kommt nun die zweite, und diese ist 20-mal größer. Für Juni wird die dritte Welle erwartet und diese könnte dann 400-mal größer sein als die im Februar.

Das entspricht einer Verdoppelung alle zwei Wochen. Die Zahl der Tiere wächst aber nicht von Tag zu Tag, sondern steigt alle zwei Monate um den Faktor 20 an, wenn die nächste Generation schlüpft.

Wüstenheuschrecken haben nicht nur eine beachtliche Reproduktionsrate, sondern auch mächtig Hunger. Ein Schwarm mit einem Quadratkilometer Größe braucht jeden Tag so viele Nahrungsmittel wie 35.000 Menschen.

In Kenia gibt es derzeit einen Schwarm, der 2.400 Quadratkilometer groß ist. Er hat den Nahrungsbedarf von 84 Millionen Menschen. Dabei war schon die erste Welle im Februar die schwerste Heuschreckenplage in 70 Jahren.

Die aktuelle Plage erstreckt sich von Ostafrika über die Arabische Halbinsel bis Iran und Pakistan (siehe Karte unten). Besonders betroffen sind Kenia, Äthiopien und Somalia, wie die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO mitteilt. Wie die Situation im Jemen aussieht, ist mangels Daten unklar, aber "wahrscheinlich verschlechtert sie sich".

Laut FAO sind mehr als 20 Millionen Menschen von Hunger bedroht. Auf einer Fläche von 10.000 Quadratkilometern seien dringend Maßnahmen zur Bekämpfung der Heuschrecken erforderlich. Dafür werden große Mengen an Pestiziden und viele Sprühflugzeuge gebraucht.

Optimale Brutbedingungen durch Zyklone

Doch die Anstrengungen der UN-Organisation werden durch die Coronakrise erschwert. "Die größte Herausforderung im Moment ist die Bereitstellung von Insektiziden", sagte der FAO-Verantwortliche Cyril Ferrand. Es gebe Verzögerungen, weil die globale Luftfracht deutlich reduziert ist.

"Oberste Priorität hat für uns, einen Zusammenbruch des Insektizidnachschubs in den Ländern zu verhindern", erklärte Ferrand. "Das hätte dramatische Folgen für die Menschen, deren Ernährungssicherheit vom Erfolg unserer Kampagne abhängt."

Karte der Heuschreckenplage rund um Jemen seit 2018.
So hat sich die Heuschreckenplage seit 2018 dank mehrerer Zyklone entwickelt. (Karte: FAO Emergency Center for Locust Operations)

Die aktuelle Krise ist eine Folge des Jemen-Kriegs und mehrerer schwerer Stürme. Im Mai 2018 brachte der Zyklon "Mekunu" Regen in die Wüste Rub al-Chali an der Grenze zwischen Saudi-Arabien, Oman und Jemen. Im feuchten Sand hatten die dort lebenden Heuschrecken dann optimale Brutbedingungen.

Das wäre nicht weiter problematisch gewesen, wenn nicht im Oktober 2018 der Zyklon "Luban" erneut Regen gebracht hätte. "Das schuf günstige Bedingungen für eine weitere Brutgeneration", sagte Keith Cressmann von der FAO. "Statt eines 400-fachen Anstiegs wuchs die Zahl der Tiere um das 8.000-Fache."

Zudem wurde die Bekämpfung der Heuschrecken durch den Jemen-Krieg erschwert. Der Chef des jemenitischen Heuschreckenprogramms Adel al-Shaibani sitzt in der von Huthi-Rebellen kontrollierten Hauptstadt Sanaa. Der britischen Zeitung The Guardian sagte Shaibani: "Vor dem Krieg konnten wir ganz Jemen gut erreichen."

Kein Verlass auf Vorhersagen mehr

Doch das hat sich geändert: "Trotz unserer Anstrengungen sind einige Gebiete aus Sicherheitsgründen außerhalb unserer Kontrolle – Gebiete entlang der Grenze zu Saudi-Arabien. Dort trat der Heuschrecken-Ausbruch auf, Schwärme formten sich und bewegten sich dann in andere Gebiete."

Ende vergangenen Jahres hatten die Heuschrecken, die bis zu 150 Kilometer pro Tag zurücklegen können, dann das Horn von Afrika erreicht. Dort sorgte der Zyklon "Pawan" im Dezember 2019 in Somalia wiederum für optimale Brutbedingungen.

Die ungewöhnlich vielen Zyklone und großen Regenmengen in der Region sind Folge eines Phänomens, das dem El Niño im Pazifik ähnelt: des Indischer-Ozean-Dipols (IOD). Derzeit ist das Wasser an Afrikas Ostküste besonders warm und in Australien besonders kalt. Das sorgt für Regen in Ostafrika und für Dürre und Waldbrände in Australien.

Das Auftreten des IOD-Phänomens ist auch eine Folge der Klimaerwärmung, sagte Caroline Lukas vom US-Forschungsinstitut Woods Hole Oceanographic Institution: "Klimamodelle deuten eine Tendenz an, dass solche Ereignisse häufiger und stärker werden."

Das wiederum erschwert die Arbeit von Keith Cressmann, der für die FAO die Entwicklung von Heuschrecken-Populationen prognostiziert. "Bis vor fünf Jahren hat die Vorhersagemethodik ziemlich gut funktioniert", sagte Cressman. "Jetzt funktioniert sie gar nicht mehr gut, wegen der Niederschläge, des Verlaufs und der Verteilung. Es ist jetzt ganz anders."

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