Container am Hafen von Antwerpen
Ja zum Handel, nein zum Sozial- und Klimadumping: Container im Hafen von Antwerpen. (Foto: Olaf Perkamp/​Pixabay)
 

Unsere multilaterale, regelbasierte Handelsordnung, die ein wesentliches Element der Beziehungen zwischen den Staaten ist, steht unter Druck wie nie und muss verteidigt werden. Donald Trump droht offen mit dem Austritt aus der Welthandelsorganisation WTO, zieht die USA Stück für Stück aus multilateralen Handelsbeziehungen zurück, um neue "Deals" zu verhandeln, und riskiert damit einen globalen Handelskrieg.

Aber auch die Europäische Union ist verstärkt dazu übergegangen, bilaterale und mega-regionale Handelsabkommen auszuhandeln, und hat es verpasst, gemeinsame soziale und ökologische Standards für den Welthandel zu etablieren.

Als Grüne setzen wir uns für eine Handelspolitik ein, in deren Mittelpunkt die Vereinten Nationen und klare Regeln, sozial-ökologische Standards und wirksame demokratische Kontrolle stehen. Die Welthandelsorganisation ist Teil des Problems und muss dringend auf andere Füße gestellt werden.

Angesichts der aktuellen internationalen Entwicklung müssen wir allerdings anerkennen, dass die politischen Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung von Standards und Regeln innerhalb der WTO derzeit nicht gegeben sind. Deshalb müssen wir neue Impulse setzen, um einer fairen Welthandelspolitik zum Durchbruch verhelfen und nationalistische Angriffe auf die regelbasierte Welthandelsordnung abwehren zu können.

Denn es ist offensichtlich, dass die Potenziale für eine gerechtere und nachhaltigere Entwicklung durch eine faire Handelspolitik kaum genutzt wurden, sondern – im Gegenteil – die Nachteile des Freihandels für den globalen Süden zurzeit deutlich überwiegen.

Anton Hofreiter von den Grünen

Zur Person

Anton Hofreiter, Jahrgang 1970, ist promovierter Biologe und seit 2005 Bundestags­abgeordneter der Grünen. Seit fünf Jahren ist er einer der beiden Fraktionschefs. (Foto: Tibor Bozi)

 

Wir müssen entschiedener nach Hebeln suchen, Handel nachhaltiger und fairer zu machen. Die europäische Agrar- und Handelspolitik hat dazu beigetragen, dass lokale Märkte zerstört wurden, es gibt gravierende Menschenrechts­verletzungen in den Lieferketten und die selbstbestimmte Entwicklung wurde zu wenig unterstützt.

Zwar gibt es erste vorsichtige Ankündigungen über ein Freihandelsabkommen mit Gesamtafrika. Aber es ist alles andere als ausgemacht, dass ein solches Abkommen dafür genutzt wird, den regionalen Handel und die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu stärken oder dafür, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards sowie internationale Vereinbarungen zu fördern, wie die UN-Nachhaltigkeitsziele oder das Pariser Klimaabkommen.

Die Demonstrationen gegen die Ceta- und TTIP-Verhandlungen hatten zwar zur Folge, dass inzwischen sogenannte Nachhaltigkeitskapitel mit sozial-, umwelt- und menschenrechtlichen Verpflichtungen in Handelsverträgen eingebaut werden. Diese entpuppen sich aber leider viel zu oft als reine Papiertiger – ohne jegliche Sanktionsmöglichkeit, wenn gegen sie verstoßen wird.

Gleichzeitig ist kein Umsteuern in der europäischen Handelspolitik in Sicht. Verhandlungen über Handelsabkommen sind nach wie vor intransparent und wenig demokratisch, sie sind einseitig auf die Interessen großer Konzerne ausgerichtet, bieten exklusive Klageprivilegien für Unternehmen und sind ein Einfallstor für die Privatisierung kommunaler Daseinsvorsorge.

Drei Vorschläge für eine andere Globalisierung

 

Welche neuen Wege können wir gehen, um die Handelspolitik endlich gerechter und ökologischer zu machen? Wie schaffen wir eine Handelspolitik, in der Klimaschutz, Demokratie und Nachhaltigkeit nicht mehr hinter wirtschaftlichen Interessen zurückstehen müssen und die auf gemeinsamen internationalen Regeln beruht? Wie können wir unseren Leitsatz "Nur fairer Handel ist freier Handel" auch in diesen turbulenten Zeiten hochhalten?

Anders gefragt: Wie schaffen wir es, dass internationaler Handel nicht dazu beiträgt, Krisen zu verschärfen, sondern dazu, Lösungen für die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzubieten: Klimakrise, Ressourcenverschwendung, ökologischer Raubbau, Armut, Hunger und gewalttätige Konflikte, die Millionen Menschen in die Flucht treiben? Wie lässt sich die Globalisierung endlich sozial gerecht und ökologisch gestalten?

Dafür möchte ich drei Ideen beisteuern:

1. Neues FAIR-Bündnis gründen für einen Neustart im internationalen Handel: Es braucht eine "FAIR-Gruppe" mit all jenen progressiven Staaten, die sich klar zur Demokratie, zum Klimaabkommen und zu starken Vereinten Nationen bekennen.

Ausgehend von der Europäischen Union könnten dieser Gruppe weitere Länder wie Kanada, Japan, Australien, Südafrika oder Südkorea angehören. Würden sich etwa die zehn wirtschaftskräftigsten demokratischen Unterzeichnerstaaten des Paris-Abkommens aus allen Kontinenten zusammenschließen, hätte dieses Bündnis mit aktuell geschätzten knapp 800 Millionen Menschen und rund 25 Billionen Dollar Wirtschaftsleistung eine enorme Kraft.

Das wäre eine starke und positive Alternative zur Erpressungspolitik von Donald Trump und würde zeigen, dass wir in der Globalisierung nicht hilflos den Interessen von Großkonzernen ausgeliefert sind, sondern Politik gestalten und die WTO progressiv nach vorne entwickeln können.

Das FAIR-Bündnis könnte sich auch in den Sonderorganisationen der Vereinten Nationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation ILO für fairen Handel einsetzen und dort als gemeinsamer starker Verhandlungsblock auftreten.

2. Sozial- und Klimazölle im Rahmen bestehender Handelsverträge erheben: Bestehende bilaterale Verträge wollen wir mit Klima- und Sozialzöllen belegen, um dem Raubbau an Mensch und Umwelt einen Riegel vorzuschieben.

Klimazölle bewirken, dass zusätzliche Abgaben entsprechend des CO2-Verbrauch des jeweiligen Importprodukts fällig werden. Werden hingegen Produkte unter Missachtung bestimmter Sozialstandards produziert, fallen entsprechende Sozialzölle an.

Wichtig ist, dass verhängte Geldbußen für Projekte zur Verbesserung der Sozial- und Umweltsituation in dem betreffenden Land verwandt werden. Gleichzeitig wirken sie als Schutzmaßnahme für heimische Hersteller vor ausländischen Dumpingprodukten. Frankreich hat erst jüngst ähnliche Grenzausgleichsmaßnahmen ins Spiel gebracht hat.

3. Neue Handelsverträge nur mit Paris-Staaten: Immer noch kommt es vor, dass Regierungen vor Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zurückschrecken, weil sie im Rahmen bereits geschlossener Handelsverträge als Handelsbeschränkung oder ungerechtfertigte Diskriminierung der anderen Vertragsparteien interpretiert werden könnten. Diese ökologischen Fehlanreize und demokratischen Einschränkungen wollen wir verhindern, indem das Pariser Klimaabkommen als "wesentlicher Bestandteil" verbindlich in Handelsabkommen verankert wird.

Neue Handelsverträge sollten von daher nur mit Staaten geschlossen werden, die das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert haben. Dadurch schaffen Handelsabkommen Anreize für mehr Klimaschutz.

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