2022. Wie wird das Jahr ins Geschichtsbuch eingehen? Als Jahr, in dem ein Moskauer Despot Europa ins letzte Jahrhundert zurückbombte, mit tausenden Toten, Millionen Flüchtlingen und als Kollateralschaden einer Renaissance der Kohle- und Atomkraft-Nutzung?
Oder als Jahr, in dem die westlichen Demokratien der brutalen Mischung aus Nationalismus, Imperialismus und Umweltzerstörung Einhalt geboten und die Basis legten, um den klimafreundlichen Energien zum Durchbruch zu verhelfen?
Das zu entscheiden, ist es noch zu früh. Immerhin, es gibt durchaus Hoffnung, dass Russlands Präsident Putin mit seinem verheerenden Angriff auf die Ukraine und die Menschlichkeit nicht das letzte Wort haben wird.
Das zu Ende gehende Jahr hat eine ganze Reihe guter Nachrichten gebracht, die zeigen, dass die Weltgemeinschaft begriffen hat, was für die inzwischen acht Milliarden Menschen auf dem Spiel steht. Und dabei geht es nicht um Waffen, sondern um die Stabilität des Klima- und Ökosystems Erde.
In Europa beherrschte der Putin-Schock nach dem 24. Februar alles. Kohle hochfahren, LNG-Terminals bauen, von Erdgas auf Öl umstellen – das prägte die Debatte. Dabei ging fast unter, dass in anderen Erdteilen klimapolitische Geschichte geschrieben wurde.
USA, Australien, Indien
Die USA, größte Volkswirtschaft der Welt, riefen im August die Zeitenwende aus. Präsident Bidens "Inflation Reduction Act", mit 369 Milliarden Dollar für grüne Technologien und Infrastruktur, hat das Potenzial, bis 2030 rund 80 Prozent des US-Energieverbrauchs auf Öko-Energien umzustellen.
Auch Australien ging unter seinem neuen Labor-Premierminister Albanese auf Pro-Klimaschutz-Kurs. Das Land hat nun ein Klimagesetz, das den CO2-Ausstoß bis 2030 um 43 Prozent gegenüber 2005 senken soll.
Indien wiederum gab sich ein Gesetz, das die Nutzung sauberer Energiequellen und Gebäude-Energiesparmaßnahmen vorschreibt sowie ein nationales CO2-Handelssystem einführt.
Ob Europa und Deutschland es schaffen, trotz Kohle-Renaissance und LNG-Schwenk die bisherige Klima-Vorreiterrolle zu halten und den Umstieg auf Erneuerbare sogar noch zu beschleunigen? Das haben sie unter dem Eindruck von Putins fossiler Aggression ja versprochen.
Joachim Wille ist Co-Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.
Immerhin, in der EU gab es die Verabschiedung des EU-Klimagesetzes mit dem Ziel von minus 55 Prozent CO2 bis 2030, dazu die jüngste Einigung zum verschärften Emissionshandel. Und hierzulande ein erneuerbares "Osterpaket".
Ja, und nun muss das alles "nur noch" umgesetzt werden, damit 2022 im Rückblick kein Putin-Jahr wird.