Der Vize von US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, Tim Walz, wurde bisher porträtiert als Ex-Lehrer und Ex-Fußballtrainer mit Militärerfahrung, als passionierter Jäger und Eisfischer. Als volksnaher Midwest-Mann, der auch die weiße Arbeiterschaft wieder für die Demokraten wählbar machen kann. Kaum beachtet wurde indes seine Haltung in Energie- und Klimafragen.
Doch gerade diesem Thema könnte der Gouverneur von Minnesota einen Push geben, denn in diesem Amt stand es hoch auf seiner politischen Agenda – etwa mit dem Plan für 100 Prozent CO2-freien Strom in dem US-Bundesstaat bis 2040.
Die Kampagne des Harris-Konkurrenten Trump sieht hier einen Angriffspunkt, sie stürzte sich gleich auf Walz' Klimapolitik. Diese werde "die Arbeitsplätze aller nach China verlagern".
Als Harris in dieser Woche ihre Wahl für den Posten des Vizepräsidenten bekannt gab, war die Freude bei vielen in der US-Umwelt- und Klimabewegung groß. Das Sunrise Movement zum Beispiel, eine von Jugendlichen gegründete Aktivistengruppe, nannte Walz "einen starken Verfechter des Klimaschutzes und der arbeitenden Bevölkerung".
Der Geschäftsführer der NGO Clean Energy for America Action, Andrew Reagan, sagte, bei den Verfechtern der sauberen Energien herrsche bereits großer Enthusiasmus, "und das verstärkt das noch". Bei der Umweltorganisation Natural Resources Defense Council wiederum hieß es: "Das ist das Gewinnerticket für das Klima." Walz habe Minnesota zu einem "nationalen Klima-Vorreiter" gemacht.
Gesetz für komplette Stromwende bis 2040
Der Gouverneur regiert in Minnesota, einem agrarindustriell geprägten Bundesstaat an der Grenze zu Kanada, seit 2019. Während seiner zwei Amtszeiten hat er sich zu einem der stärksten Befürworter im Kampf gegen den Klimawandel in den USA entwickelt.
In der ersten Periode initiierten Walz und die in dem Bundesstaat regierenden Demokraten rund 40 Klima-Initiativen, darunter im vorigen Jahr ein Strommarktgesetz. Es verpflichtet die Energieversorger, ihre Kohle- und Erdgaskraftwerke nach und nach außer Betrieb zu nehmen und den Strom bis 2040 komplett aus Wind, Sonne und anderen CO2-freien Quellen zu erzeugen.
Walz trieb den Ausbau des Hochspannungsnetzes der Region voran, um die Erneuerbaren besser einzubinden, er unterstützte die Einführung schärferer Auto-Abgasstandards wie in Kalifornien sowie von Zuschüssen für E‑Fahrzeuge und effizienteren Energie-Standards für Gebäude.
Bemerkenswert ist: Bei den Initiativen, etwa im Stromsektor, schaffte Walz es oft, nicht nur die Unterstützung der Umweltschützer zu erreichen, sondern auch Industrie und Gewerkschaften einzubinden. So arbeitete er zusammen mit Gouverneuren anderer Midwest-Staaten daran, Kommunen, die von der Schließung von Kohlekraftwerken betroffen sind, eine neue wirtschaftliche Perspektive zu schaffen.
Im Juni, bei der Unterzeichnung eines Gesetzes zur Beschleunigung von Energie-Genehmigungen, sagte er: "Wir bauen Bürokratie für Unternehmen ab, helfen beim Start weiterer Projekte und unterstützen den Beschäftigungssektor im Bereich sauberer Energien, um den Übergang zu einer sauberen Energiewirtschaft zu erleichtern."
Walz erinnerte dabei an die verheerenden Überschwemmungen, die Teile von Minnesota heimgesucht hatten. Solche extremen Wetterereignisse würden durch den Klimawandel verschärft, betonte er.
"Normale arbeitende Menschen stehen bei ihm im Mittelpunkt"
Parteifreunde loben Walz' Strategie. Er habe eine "natürliche Art", ein positives Interesse an Themen der Demokraten wie Energie und Abtreibungsrecht zu erzeugen, wobei er die Politik mit dem Alltag der normalen Menschen verbinde, sagte der Parteistratege Faiz Shakir, der 2020 die Vorwahl-Kampagne des linken Senators Bernie Sanders für dessen Präsidentschaftskandidatur bei den Demokraten leitete. Walz sei unter den Politikern insofern einzigartig, als er instinktiv "normale Menschen aus der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt seines Denkprozesses" stelle.
Einen Schatten auf Walz' grünes Image wirft allerdings sein Agieren bei einem anderen Energieprojekt. Dabei ging es um eine umstrittene Ölpipeline, die seine Regierung durchwinkte. Kritiker hatten Walz aufgefordert, den Neubau der 370 Kilometer langen Trasse "Line 3" zu verhindern. Doch er folgte dem nicht.
Collin Rees, Politikchef der Umweltorganisation Oil Change International, sagte dazu: "Seine Weigerung, die Line‑3-Pipeline zu stoppen, zeigt eine beunruhigende Rücksichtnahme auf die Interessen fossiler Brennstoffe." Trotzdem senkte Rees deswegen nicht den Daumen. Walz' neue Rolle zusammen mit Harris sei "eine Gelegenheit für Walz, die Menschen vor die Profite der fossilen Brennstoffe zu stellen".
Interessant ist freilich, dass Klima und Umwelt im neuen Job von Walz als "Running Mate" von Harris praktisch noch keine Rolle spielen. Bei der Bekanntgabe der Personalie wurde sein Klima-Schwerpunkt nicht erwähnt, und auch beim ersten gemeinsamen Auftritt des Duos in Philadelphia nannte Harris viele Details aus Walz' Lebenslauf, sagte aber nichts zu seinen grünen Ambitionen.
Walz selbst sei seine Vision von Amerika durchgegangen, habe Trump bei den Themen Demokratie, Recht auf Abtreibung und Steuererleichterungen für Reiche attackiert, dessen Position als Klimawandel-Leugner aber nicht angesprochen, bemerkte das Magazin Politico.
Möglicherweise ist das eine Reaktion darauf, dass das Thema Klima bisher im US-Präsidentschaftswahlkampf generell nur eine geringe Rolle spielte. Vielleicht aber auch der Versuch, Trumps Republikanern keine Angriffsfläche zu bieten.
Die nämlich hatten bei Walz' Klima-Image gleich eingehakt. Trumps Vize J. D. Vance attackierte die Energiepolitik seines Kontrahenten heftig, sie schade den USA und nütze dem Rivalen China. In einer Rede in Philadelphia sagte Vance: "Ich kann nicht glauben, dass das ein Typ ist, der versucht zu behaupten, dass er für die arbeitende Bevölkerung steht, und der dennoch eine Energiepolitik verfolgen will, die die Arbeitsplätze aller nach China verlagert."
Und Karoline Leavitt, die Pressesprecherin der Trump-Kampagne, ätzte: Walz sei besessen davon, "die gefährlich liberale Agenda Kaliforniens überall zu verbreiten". Etwas Schlimmeres ist im Kosmos der Republikaner offenbar nicht denkbar.