Beim Kampf gegen den Klimawandel liegt das Hauptaugenmerk auf dem wichtigsten Treibhausgas Kohlendioxid. Die Erfolge auf globaler Ebene sind minimal, der CO2-Ausstoß droht nach einem Rückgang während der Covid-Pandemie erneut anzusteigen und die weltweite Temperaturkurve weiter nach oben zu drücken.
Eine gewisse Entspannung könnte hier eine verschärfte Anti-Methan-Strategie bringen. Ziel: Die Emissionen des zweitwichtigsten Treibhausgases schnell abzusenken, das vor allem bei der Kohle-, Erdöl- und Erdgas-Gewinnung, in Mülldeponien sowie in der Viehhaltung entsteht.
Laut einem neuen Bericht des UN-Umweltprogramms Unep könnte mit schnell einzuführenden Maßnahmen gegen Methan-Emissionen erreicht werden, dass die mittlere globale Temperatur bis 2045 um fast 0,3 Grad langsamer anwächst als erwartet.
Damit könnte die Erwärmung merklich gebremst werden, die derzeit rund 0,2 Grad pro Jahrzehnt beträgt. Aktuell ist bereits ein Temperaturplus von 1,25 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten erreicht, und das 1,5-Grad-Limit aus dem Pariser Klimavertrag droht bereits in den 2040er Jahren gerissen zu werden.
Das Unep sieht einen großen Handlungsbedarf. Tatsächlich wachsen die vom Menschen verursachten Methan-Emissionen derzeit schneller als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1980er Jahren. Während die Corona-Lockdowns 2020 ein weiteres Rekordjahr für den CO2-Ausstoß verhinderten, stiegen die Methan-Emissionen auf ein Rekordniveau, meldete jüngst die US-Wetterbehörde NOAA.
Das UN-Umweltprogramm warnt, das sei "besorgniserregend, da Methan ein extrem starkes Treibhausgas ist, das für etwa 30 Prozent der Erwärmung seit der vorindustriellen Zeit verantwortlich ist".
Schnelle Erfolge, positive Nebenwirkungen
Allerdings gebe es auch eine "gute Nachricht". Methan werde im Gegensatz zu CO2, das mehrere hundert Jahre in der Atmosphäre verbleibt, schnell abgebaut, und das meiste davon sei dann nach einem Jahrzehnt verschwunden. Eine Verringerung der Methanemissionen könne die Erwärmung in naher Zukunft also schnell reduzieren.
Unep-Chefin Inger Andersen sagte dazu: "Die Reduzierung von Methan ist der stärkste Hebel, den wir haben, um den Klimawandel in den nächsten 25 Jahren zu verlangsamen, und ergänzt die notwendigen Anstrengungen zur Reduzierung von Kohlendioxid."
Die Vorteile für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt seien zahlreich und überwögen bei Weitem die Kosten. Nötig sei eine internationale Zusammenarbeit, um den Methanausstoß in diesem Jahrzehnt so weit wie möglich zu reduzieren, so Andersen.
Bis 2030 können die Emissionen laut Unep um bis zu 45 Prozent gesenkt werden – und zwar "mit bestehenden Technologien und sehr geringen Kosten".
Empfohlene Maßnahmen sind unter anderem, Methan-Lecks in Pipelines zu stopfen, das Ausströmen von Methan bei Öl- und Gasbohrungen zu stoppen, das Gas aus Mülldeponien aufzufangen, in denen es bei der Vergärung von organischen Reststoffen entsteht, und Methan aus Viehbeständen und anderen landwirtschaftlichen Quellen, etwa dem Reisanbau, zu reduzieren.
Als weiteren positiven Aspekt der Anti-Methan-Strategie bezeichnet der Bericht, dass sie sich auch günstig auf Gesundheit und Ökonomie in den jeweiligen Ländern auswirken würde. Methan ist ein Hauptbestandteil bei der Bildung von bodennahem Ozon – Stichwort Smog – und ein Luftschadstoff.
Eine Reduzierung des Ausstoßes um 45 Prozent würde, so die Unep-Kalkulation, weltweit pro Jahr 260.000 vorzeitige Todesfälle, 775.000 asthmabedingte Krankenhausaufenthalte, 73 Milliarden Stunden Arbeitsausfall durch extreme Hitze und 25 Millionen Tonnen Ernteverluste verhindern.
EU, USA und auch Russland wollen handeln
Der Hauptautor der Studie, der US-amerikanische Klimawissenschaftler Drew Shindell, warnte, derzeit würden die Voraussagen zum Klimawandel von der Realität überholt. Es sei nach wie vor sehr wichtig, CO2 zu reduzieren, allerdings müsse auch "der mächtige Hebel" der Methan-Reduzierung genutzt werden
"Wir sollten dies für das Wohlergehen aller Menschen auf dem Planeten in den nächsten 20 bis 30 Jahren tun", sagte Shindell dem britischen Guardian.
Immerhin, in der Politik kommt das Thema zunehmend an. So hat die Europäische Kommission im letzten Herbst eine EU-Methanstrategie verabschiedet und der US-Senat hat im vorigen Monat der Wiedereinführung von Vorschriften aus der Obama-Ära zur Kontrolle von Leckagen aus Öl- und Gasquellen zugestimmt.
Die von der EU-Kommission vorgelegte Strategie zur Methanreduktion geht Umweltpolitikern allerdings nicht weit genug. "Die Methanstrategie der Kommission sieht nur für den Energiesektor bindende Maßnahmen vor", sagte die EU-Abgeordnete Jutta Paulus von den Grünen gegenüber Klimareporter°. Deshalb müsse die Kommission Vorschläge für den größten Emittenten – die Tierhaltung – vorlegen. "Ohne eine Reduktion der Tierbestände werden wir die Emissionen nicht ausreichend senken können", sagte Paulus.
Zudem entstehen die Methanemissionen der EU nicht nur innerhalb des Staatenbundes. Durch Öl- und Gasimporte fällt ein Teil auch in den Herkunftsländern an. "Die Lieferanten brauchen ein klares Signal, dass eine transparente Erfassung ihrer Emissionen und die Einhaltung von Standards zukünftig Voraussetzung für den Absatzmarkt Europäische Union sein wird", forderte Paulus.
Zwar wies auch der russische Präsident Wladimir Putin unlängst auf das Problem hin. Er rief zu einer "effektiven internationalen Zusammenarbeit bei der Berechnung und Überwachung aller umweltschädlichen Emissionen in die Atmosphäre" auf.
Leckagen in häufig schlecht gewarteten Energie-Anlagen in Russland gelten als eine bedeutende Quelle von Methan-Emissionen. Das sprach Putin allerdings nicht direkt an.