Mensch geht auf angerosteter Pipeline schnurgeradeaus über Sumpflandschaft.
Russland exportiert Rohstoffe und importiert fast alles. (Foto: Rodion Kuzajew/​Wikimedia Commons)

Die Welt braucht Russland mehr als umgekehrt. Das legt zumindest ein Blick auf die Handelsbilanz des Landes nahe: Russland exportiert sehr viel mehr, als es importiert. Im Jahr 2020 lag der Überschuss bei über 90 Milliarden US-Dollar.

Die vielen Exporte bestehen fast ausschließlich aus Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas oder Metallen sowie Chemikalien wie Dünger. Bei den Importen dominieren hingegen keine bestimmten Produkte. Russland importiert einfach alles, von Autos über elektronische Geräte bis zu Medikamenten.

Der mit Abstand wichtigste Handelspartner Russlands ist die EU. Mehr als ein Drittel der russischen Im- und Exporte wird mit EU-Ländern abgewickelt. Umgekehrt ist Russland für die EU zwar immer noch der fünftgrößte Handelspartner, aber kommt nur auf einen Anteil von fünf Prozent.

Ähnlich sieht es bei den ausländischen Direktinvestitionen (FDI) aus. Firmen aus der EU sind auch hier führend und besaßen 2019 Anteile an russischen Unternehmen im Wert von über 300 Milliarden Dollar. Zum Teil handelt es sich hier allerdings um "Phantom-FDI", also russisches Geld, das vom Ausland aus in Russland investiert wird.

Anders lässt sich die enorm prominente Position Zyperns kaum erklären. Das Land mit 1,2 Millionen Einwohnern ist für knapp ein Drittel der Investitionen in Russland verantwortlich.

Geholfen hat dabei wohl auch, dass Zypern bis vorletztes Jahr "goldene Pässe" verkauft hat. Wer zwei Millionen Dollar auf der Insel investierte, bekam einen zypriotischen Pass und kann sich seither frei in der EU bewegen.

Russland verfügt über große Währungsreserven 

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Russland sind hingegen mikroskopisch im Vergleich zu denen der EU. Einzig bei den russischen Importen rangieren die USA unter den Top Ten mit einem Anteil von fünf Prozent. US-Firmen haben auch kaum Geld in Russland investiert – weniger als sechs Milliarden Dollar.

Welche Rolle die Sanktionen aus früheren Jahren hier spielen, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen. Allein wegen der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014 wurden 317 natürliche und 490 juristische Personen mit EU- und US-Sanktionen belegt.

Hinzu kommen Sanktionen infolge russischer Cyberangriffe, der Einmischung in die US-Wahlen und wegen Menschenrechtsverstößen. Alle diese Sanktionen zeigen Wirkung: Eine Studie des US-Thinktanks Atlantic Council schätzt, dass das russische Wirtschaftswachstum seit 2014 um 2,5 bis drei Prozentpunkte niedriger ausfiel als ohne Sanktionen.

Das hat Russland allerdings nicht davon abgehalten, seine Finanzen wetterfest zu machen. Die Staatsschulden belaufen sich auf nur 18 Prozent der Wirtschaftsleistung. Außerdem sitzt Russland auf Währungsreserven im Wert von 630 Milliarden Dollar – den viertgrößten der Welt.

Der Großteil dieses Horts besteht zudem nicht aus tatsächlichen Dollar. Die US-Währung macht nur 16 Prozent der Reserven aus. Der russische Finanzminister Anton Siluanow sagt daher, sein Land habe "einen finanziellen Schutzschild in Form von Gold und Devisenreserven, einem Haushaltsüberschuss und niedrigen Schulden".

Adam Tooze, Wirtschaftshistoriker an der US-Universität Columbia, stimmt dem zu: "Das gibt Putin seine strategische Handlungsfreiheit. Die Devisenreserven versetzen das Regime in die Lage, Sanktionen gegen die übrige Wirtschaft zu widerstehen. Sie können auch genutzt werden, um einen Ansturm auf den Rubel zu bremsen."

"Deutlich schärfere Sanktionen als 2014"

Siluanow zeigt sich sogar zuversichtlich, dass Russland nicht zwingend auf Swift angewiesen ist, das System, mit dem Banken internationale Zahlungen abwickeln: "Wir erwarten, dass sich das Finanzsystem des Landes im Rahmen der Strategie 'Festung Russland' weiter nach innen orientiert."

Edward Fishman, ein Spezialist für Sanktionen in der Regierung des früheren US-Präsidenten Barack Obama, ist sich da allerdings nicht ganz sicher. "Es ist möglich, dass sie zu selbstbewusst ist", sagte Fishman gegenüber der New York Times über die russische Regierung. "Die Sanktionen, die jetzt auf dem Tisch liegen, nämlich die vollständige Sperrung der größten russischen Banken, sind um ein Vielfaches schärfer als die, die 2014 überhaupt in Erwägung gezogen wurden."

Ein weiterer Ansatzpunkt sind Computerchips. Nachdem der frühere US-Präsident Donald Trump den Verkauf bestimmter Chips an den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei verboten hatte, brachen dessen Verkäufe ein. Das Gleiche dürfte für russische Firmen gelten, die ausländische Chips verbauen.

Zudem würde Russland vom technologischen Fortschritt auf der Welt abgeschnitten werden. Dies wirke wie eine "langsame Strangulierung durch die US-Regierung", sagte Dan Wang, ein Technologieanalyst von der Beratungsfirma Gavekal Dragonomics in Shanghai.

Trotz der relativ geringen Abhängigkeit Russlands vom Westen und seinen großen Reserven könnte der Westen mit schnell wirkenden Sanktionen gegen das Finanzsystem und langsamer wirkenden Exportverboten für Hightech-Produkte der russischen Wirtschaft also durchaus schaden.

Wehrlos ist Russland allerdings nicht, schließlich bezieht die EU 40 Prozent ihres Erdgasbedarfs aus dem größten Land der Erde. Fallen diese Lieferungen weg, geht in Europa zwar nicht sofort das Licht aus, aber Strom und Wärme werden sehr teuer.

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