Windräder in Chile
Windräder bei Coyhaique im Süden Chiles. (Foto: Sergejf/​Flickr)

Mit Mundschutz und Sicherheitsabstand voneinander haben Chiles Minister:innen für Umwelt, Energie und Wissenschaft am gestrigen Donnerstag das verbesserte Klimaziel ihres Landes für das kommende Jahrzehnt per Video vorgestellt. Die Botschaft: Die Coronakrise erzwingt besondere Maßnahmen – die Klimakrise aber auch.

UN-Klimachefin Patricia Espinosa, die bei der Online-Präsentation zugeschaltet war, dankte Chile, das nach der Leitung des Klimagipfels COP 25 in Madrid formal noch immer die COP-Präsidentschaft innehalt. Das südamerikanische Land zeige mit seinen verbesserten Plänen, dass gegen den Klimawandel entschlossenes Handeln nötig sei, trotz der aktuellen Herausforderungen.

Nach dem wenig erfolgreichen Klimagipfel Ende letzten Jahres unter chilenischem Vorsitz zeigt Chile mit seinen neuen Plänen nun die klimapolitische Führung, die es bei der COP 25 vermissen ließ. Chile ist erst das siebte Land, das seiner Verpflichtung nachgekommen ist, in diesem Jahr verbesserte Klimaziele für das Paris-Abkommen einzureichen.

Zuvor hatten nur die Marshallinseln, Surinam, Norwegen, Moldawien, Japan und Singapur ihre Pläne vorgelegt. Die sieben Länder stehen laut einer Auswertung des US-Thinktanks World Resources Institute auf der Plattform "Climate Watch" zusammen für 2,8 Prozent der weltweiten Emissionen. Japan und Singapur haben dabei lediglich ihr bisheriges Versprechen bekräftigt, jedoch nicht erhöht.

Ganz anders Chile. Das gestern vorgestellte neue Klimaziel geht deutlich über den bislang versprochenen Klimabeitrag – die sogenannte Nationally Determined Contribution (NDC) – hinaus, mit dem Chile sich an der Erfüllung des Pariser Klimaabkommens beteiligen will.

Bisher enthielt Chiles NDC aus dem Jahr 2015 lediglich die Selbstverpflichtung, die CO2-Intensität der Wirtschaft bis 2030 um 30 bis 45 Prozent unter das Niveau des Jahres 2007 zu senken. Nun ist erstmals eine absolute Begrenzung der Emissionsmenge vorgesehen.

Im Jahr 2025 sollen die chilenischen Treibhausgasemissionen ihren Höhepunkt erreichen und bis 2030 auf 95 Millionen CO2-Äquivalent sinken. In einem früheren Entwurf der neuen Ziele war noch 2027 als Peak-Jahr vorgesehen, die Höchstmenge für 2030 lag bei 97 Millionen Tonnen.

Relativ niedrige Pro-Kopf-Emissionen

Insgesamt will Chile im Zeitraum von 2020 bis 2030 noch maximal 1.100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent emittieren. In dem früheren Entwurf war noch von bis zu 1.175 Millionen Tonnen die Rede.

Derzeit stößt Chile rund 85 Millionen Tonnen pro Jahr aus. Ein weiterer Anstieg ist also eingeplant. Dieser soll jedoch sehr viel geringer ausfallen als in den vergangenen Jahren. Seit 1990 hat sich der CO2-Ausstoß des Landes mehr als verdoppelt. Allein seit 2007 stieg er um 20 Prozent.

Allerdings, so betont die chilenische Regierung in ihrer Präsentation, liege der Pro-Kopf-Ausstoß des Landes lediglich bei 4,7 Tonnen CO2. "Das ist erheblich weniger als der Durchschnitt der OECD-Staaten, der bei 9,2 Tonnen pro Kopf liegt." Die Zahlen beziehen sich auf 2018. Chile ist seit 2010 OECD-Mitglied.

Zudem will Chile, wie schon letztes Jahr angekündigt, ab 2040 keine Kohle mehr verbrennen. Bis 2024 wolle man sieben Kohlekraftwerke stilllegen, kündigte der konservative Präsident Sebastián Piñera an. Drei habe man bereits vom Netz genommen.

Derzeit liegt der Kohleanteil am chilenischen Strommix noch bei rund 40 Prozent. Bis 2050 will das Land Klimaneutralität erreichen.

Weitere Vorhaben sind der Ausbau der Elektromobilität sowie umfangreicher Waldschutz. Die Emissionen aus der Entwaldung sollen bis 2030 um 25 Prozent sinken. Jeweils 200.000 Hektar Wald sollen neu gepflanzt sowie mit nachhaltigen Methoden erhalten werden.

Zudem sollen eine Million Hektar Land renaturiert werden. Auch eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft ist vorgesehen.

Mit "sozialem Pfeiler"

Erstmals enthalten ist auch eine soziale Komponente, "sozialer Pfeiler" (social pillar) genannt. Offenbar als Reaktion auf die Proteste des vergangenen Jahres sollen die Klimaziele mit Nachhaltigkeitszielen verknüpft werden.

Ausdrücklich nennt der Plan dabei einen gerechten Strukturwandel (just transition), Geschlechtergerechtigkeit, aktives Engagement der Zivilgesellschaft, Kosteneffizienz sowie Wassersicherheit. Chile ist das einzige Land auf der Welt, in dem die Wasserversorgung komplett privatisiert ist.

Wegen der Proteste letztes Jahr sah sich Chile nicht imstande, die COP im eigenen Land abzuhalten, sodass eine Verlegung nach Madrid erforderlich wurde.

Trotz der deutlich gestiegenen Ambition bewertet die internationale Wissenschaftsinitiative Climate Action Tracker Chiles neues Klimaziel dennoch nicht als ausreichend für die Pariser Klimaziele. Nach einer Analyse des Entwurfs stufte der Thinktank Chiles Klimabeitrag von "hochgradig ungenügend" lediglich auf "ungenügend" hoch. "Ungenügend" bedeutet, es reicht nur für eine Drei-Grad-Welt, nicht für zwei Grad oder 1,5 Grad.

Nach der Coronakrise will Chile darauf achten, dass Konjunkturprogramme zur Erholung der Wirtschaft nachhaltig ausgelegt sind, und sowohl die Klimakrise als auch die sozialen Auswirkungen berücksichtigen.

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