Barack Obama und Joe Biden unterhalten sich auf einem Solardach mit Blake Jones, dem Chef von Namaste Solar Electric, im Hintergrund Hochhäuser von Denver.
2009: US-Präsident Obama (rechts) und sein Vize Joe Biden sprechen mit dem Chef einer Solarfirma in Denver (Colorado) über die Möglichkeiten der Photovoltaik. (Foto: Pete Souza/​GPA/​Flickr)

Die USA sind wieder da – als Nation, die Verantwortung für das Weltklima übernimmt. Die fossile Trump-Ära ist Geschichte. Das ist das Signal, das Präsident Joe Biden mit seinem zweitägigen Klimagipfel setzen will, an dem – im virtuellen Format – rund 40 Staats- und Regierungschefs teilnehmen.

Man kann jetzt schon sagen: Das ist ihm gelungen. Bidens Ankündigung zum Auftakt des Treffens, den CO2-Ausstoß seines Landes bis 2030 um die Hälfte gegenüber dem Wert von 2005 zu vermindern, bedeutet einen unerwartet kräftigen Push für die internationale Klimapolitik.

Es könnte der Auslöser sein, der die 2020er Jahre zum Wendejahrzehnt macht, in dem die Staatenlenker ihrer Verantwortung zur Eindämmung des Klimawandels endlich gerecht werden.

Die Zeit bis 2030 ist kritisch. Um die Chance zu wahren, die Erderwärmung noch bei 1,5 Grad zu stabilisieren, müssen die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis dahin gegenüber heute um rund die Hälfte sinken, wie der Weltklimarat IPCC vorgerechnet hat. Das erfordert eine radikale Trendwende.

Bislang erschien das völlig illusorisch, und auch das etwas weniger ehrgeizige Reduktionsszenario für das Zwei-Grad-Limit sah wenig realistisch aus. Der globale CO2-Ausstoß ist in den letzten Jahrzehnten fast durchweg angestiegen, trotz Rio-Erdgipfel, trotz Kyoto-Protokoll, trotz Paris-Vertrag. Und auch nach der Corona-Lockdown-Delle droht es so weiterzugehen. Wenn die Politik den Schalter nicht endlich umlegt.

Biden verspricht, das zu tun. Sein neues CO2-Ziel bedeutet nicht nur die Revision von Trumps Credo, Amerika mit mehr Kohle und Erdöl "great again" zu machen. Es bedeutet auch eine Verdoppelung der Reduktionsleistung, die Bidens Vor-Vorgänger Barack Obama im Rahmen des Paris-Vertrags 2015 zugesagt hatte.

Ein Signal zum Umbau der Industriegesellschaft

Entscheidend dabei: Der Präsident will das Ganze auch mit einem gigantischen, billionenschweren Investitionsprogramm untermauern.

Schafft er es, das – auch gegen Widerstände im Kongress – umzusetzen, werden die USA in seiner Amtszeit einen Quantensprung unter anderem bei Wind- und Solarenergie, E-Mobilität und der energetischen Gebäudesanierung erleben. Und zudem ein grünes Jobwunder, das Millionen neue Arbeitsplätze schafft

Es wäre ein Signal zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft, der den Rest der Welt nicht unbeeindruckt lassen kann. Die USA sind bekanntlich immer noch die größte Volkswirtschaft der Erde.

Es ist nicht übertrieben zu sagen: Davon, ob Biden Erfolg hat, hängt ab, wie es mit dem Weltklima weitergeht. Ob der Öko-Umbau auch in den anderen wichtigen Ländern und Wirtschaftsblöcken schnell genug kommt – oder die Bremser aus den alten Industrien ihn weiter wie bisher verzögern.

Ein erfolgreicher Biden würde zum Beispiel der Europäischen Union den Spielraum geben, ihr soeben ausgehandeltes 2030er Ziel von "mindestens 55 Prozent" CO2-Reduktion nach oben Richtung 60, 65 Prozent anzuheben.

Der Staatenbund stellt ja derzeit noch den Einäugigen unter den Blinden beim Klimaschutz dar. Das EU-Ziel liegt über dem aller anderer Big Player. Nur: Ausreichend für das 1,5-bis-zwei-Grad-Limit ist es eben nicht. Zumal der Beschluss auch noch die Anrechnung der CO2-Speicherfähigkeit von Wäldern zulässt, was den tatsächlichen Zielwert auf rund 53 Prozent drückt.

Wer dominiert die grünen Märkte?

Dabei soll nicht unterschlagen werden: Auch schon die 55 oder 53 Prozent stellen eine große Herausforderung dar, zumindest gegenüber dem bisher auch in der EU praktizierten Klimaschutz in Zeitlupe.

Die Europäische Union hat 20 Jahre gebraucht, um die aktuell erreichten 25 Prozent CO2-Minderung zu schaffen. Nun sollen 30 Prozentpunkte oder mehr binnen knapp zehn Jahren draufgesattelt werden. Das bedeutet viel radikalere Maßnahmen in allen Sektoren, von Energiewirtschaft über Verkehr bis Industrie. Doch an ihnen führt, dass sollte die Zuspitzung der Klimakrise in den letzten Jahren gezeigt haben, kein Weg mehr vorbei.

US-Präsident Carter bei einer Rede 1979 vor der neu installierten Solaranlage auf dem Weißen Haus in Washington.
1979: US-Präsident Jimmy Carter weiht eine Solaranlage auf dem Dach des Weißen Hauses ein. Sein Nachfolger Ronald Reagan baute sie wieder ab und stoppte alle Forschungs- und Förderprogramme für erneuerbare Energien. (Foto: White House Museum)

Der für Juni angekündigte Maßnahmenplan der EU-Kommission "Fit for 55" wird sich an Bidens Klimaagenda messen lassen müssen. Die EU sollte eher die Sorge umtreiben, von Washington abgehängt zu werden, als die Angst, "zu viel" Klimaschutz zu machen.

Wichtiger noch fürs globale Klima ist freilich, wie das Biden-Momentum auf China wirkt, den in absoluten Zahlen größten CO2-Produzenten des Planeten. Auch in Peking könnte die Sorge, in den grünen Märkten der Zukunft zurückzufallen, Wunder wirken.

Das Land hat sich zwar schon bewegt, in dem es sich im vorigen Jahr überraschend zum Ziel der Klimaneutralität bekannte – wenn auch erst bis 2060. Doch ein belastbarer Plan fehlt eben noch, wie das Land, in dem heute noch fast 60 Prozent der Energieversorgung aus Kohle stammen, dorthin kommen will. 

Immerhin haben Peking und Washington jüngst jenseits aller sonstigen Differenzen gemeinsam betont, beim Klimaschutz vorangehen zu wollen. Und wenn der historische und der aktuelle Obereinheizer des Planeten das tatsächlich schaffen, ist es mehr als die halbe Miete. Dann können die 2020er Jahre tatsächlich die Wende bringen.

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