Demokratie
Wie Demokratie auf globaler Ebene funktionieren kann, probiert die "Global Assembly" aus. (Foto: Clker/​Pixabay)

Vor einigen Wochen veröffentlichte der "Bürgerrat Klima" sein über 100 Seiten langes Bürgergutachten, erarbeitet zwischen April und Juni von 160 zufällig ausgewählten Menschen aus ganz Deutschland. Ob und in welchem Maße die Vorschläge von der neuen Bundesregierung angenommen oder überhaupt diskutiert werden, ist noch unklar – deutlich ist aber: Die Bürger:innen sind bereit für mehr Klimaschutz.

Auch in Finnland, Großbritannien und Frankreich wurden nationale Klima-Bürgerräte ins Leben gerufen, deren Vorschläge teilweise erfolgreich waren. Während mehrere Kommunen Großbritanniens alle Forderungen der Bürgerräte übernahmen, berücksichtigte die französische Regierung die meisten Vorschläge nicht.

Speziell bei der Klimakrise entwickelten sich Bürgerräte zu einer wirkungsvollen Form der direkten Demokratie, die die öffentliche Meinung abbildet und den Willen zu mehr Klimaschutz zeigt, der in der Bevölkerung oft größer ist als in der Politik.

Das wird nun erstmals auf internationaler Ebene versucht. Ein Netzwerk von Organisationen, Wissenschaftler:innen und Institutionen hat einen globalen Bürgerrat (Global Assembly) ins Leben gerufen. Das auch von den Vereinten Nationen unterstützte Demokratieprojekt stellte sich am Dienstag bei einer Auftaktveranstaltung vor.

"Stimmen ins Herz der Klimakonferenz"

Ziel der Global Assembly ist es demnach, einen Weg zu finden, um die Klimakrise gerecht und effektiv zu bewältigen. Für die Organisator:innen geht es darum, die "Stimmen der Bürger:innen in das Herz der Klimakonferenz" zu bringen. Gemeint ist der 26. Weltklimagipfel, der im November in Glasgow stattfinden soll.

Zum globalen Bürgerrat gehören im Kern einhundert Menschen, die durch ein Losverfahren ausgewählt wurden und möglichst repräsentativ die Weltbevölkerung abbilden sollen. Dafür wurden mithilfe von Nasa-Daten 100 Orte ausgewählt, an denen sogenannte Community-Moderatoren mögliche Teilnehmer:innen bestimmten. Schlussendlich wurde so die 100er-Gruppe gefunden, die in Bezug auf Geschlecht, Alter, Bildungsstand und Sorge vor der Klimakrise divers aufgestellt ist.

Diese 100 Menschen werden sich ab dem kommenden Freitag über sechs Wochen online vernetzen, voneinander lernen und mit Expert:innen erste Forderungen entwickeln. Eine Vielzahl von Organisationen, die die Arbeit des Bürgerrats begleiten, soll dabei sicherstellen, dass auch Menschen ohne Internetzugang teilnehmen können oder Sprachbarrieren überwunden werden.

Auf der Klimakonferenz in Glasgow sollen die Vertreter:innen des globalen Bürgerrats erste Forderungen präsentieren und sich an den Konferenzdebatten beteiligen. Damit sollen auch von der Klimakrise direkt Betroffene eine Plattform bekommen.

Jede:r kann lokalen Bürgerrat starten

Die 100er-Kerngruppe des Rates stellt aber nur einen Teil des Projekts dar. Um die Beteiligung möglichst offen und zugänglich zu gestalten, gibt es noch sogenannte Gemeinschaftsbürgerräte. So einen Bürgerrat kann praktisch jede:r starten – eine Anleitung dafür ist auf der Website der Global Assembly zu finden. Die Vorschläge der Gemeinschaftsbürgerräte sollen dann in die 100er-Gruppe getragen werden.

Ob und wie die Vorschläge des globalen Rats umgesetzt werden, ist ebenso wie in Deutschland unklar. Die Organisator:innen kündigten an, der Bürgerrat könne ein "neues Betriebssystem der globalen Regierungen" werden.

Für UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist der Rat "ein Weg, der zeigt, wie Klimaschutz durch Solidarität und die Macht der Bürgerinnen und Bürger beschleunigt werden kann".

Druck auf Politiker:innen übt der Rat in jedem Fall aus. Seine Klima-Forderungen werden voraussichtlich deutlich ambitionierter ausfallen als die der Staaten.

Die Vorlage des Abschlussberichts des Bürgerrats ist für den März kommenden Jahres geplant. Der Bericht soll dann auf internationalen Treffen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos eingebracht werden. Das Unterstützungs-Netzwerk hat auch schon die nächste Stufe im Blick – einen 1.000er-Bürgerrat, der seine Ideen dann auf dem 27. Weltklimagipfel in Afrika präsentieren soll.

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