Wenige Monate nach den Erfolgen rechtspopulistischer Parteien bei der Europa- und den Landtagswahlen steht der nächste Urnengang an, der diesen Trend fortsetzen könnte. Die vorgezogene Bundestagswahl im Februar fällt in eine Zeit politischer Umbrüche, in der autoritäre Politik an Zuspruch gewinnt und beim Klima- und Umweltschutz große Rückschritte drohen.
Auch in diesem Moment der Unsicherheit und der Umbrüche bleibt die Klimakrise allgegenwärtig. Rekordhitze und sintflutartige Hochwasser, wie jüngst in Mitteleuropa und in Spanien, sind zur katastrophalen Normalität geworden.
Neben ehrgeizigem Klimaschutz ist deshalb auch eine effektive Anpassung an die Folgen des Klimawandels äußerst dringlich – und gleichzeitig durch eine erstarkende populistische Rechte ernsthaft bedroht.
Grüne Fassade, braune Agenda
Das Thema Klimaanpassung wird von diesen Parteien zunehmend genutzt, um unter diesem Deckmantel rechtspopulistische Ideologien zu verbreiten.
So schlug Andreas Jurca, Landtagsabgeordneter der AfD in Bayern, nach den verheerenden Hochwasserereignissen im Juni dieses Jahres den rassistischen Bogen von mangelndem Hochwasserschutz zu Migration: "Stellen Sie sich vor, man hätte Deiche gebaut, anstatt kriminellen Ausländern Rückkehrhilfe zu zahlen."
Vivianne Rau
ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet beim Thinktank Adelphi in Berlin zum Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels. In ihren Projekten zu kommunaler Klimaanpassung und Anpassungspolitik geht es darum, die aktuellen Aushandlungsprozesse inklusiv und gerecht zu gestalten.
Auch die Wahlprogramme der AfD zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zeichnen eine Anpassungspolitik, der völkischen Natur- und Heimatschutz und einen "neuen Regionalismus" propagiert.
Im selben Atemzug wird der Klimaschutz zum Feindbild erklärt und gegen Klimaanpassung ausgespielt. Karsten Hilse, der umweltpolitische Sprecher der AfD im Bundestag, forderte statt dem "zum Scheitern verurteilten 'Schutz des Klimas'" die Einrichtung eines Klimaanpassungsfonds.
Das Wahlprogramm der Brandenburger AfD zur Landtagswahl 2024 macht es noch deutlicher: "Unsere Energiepolitik geht von dem Grundsatz aus: Klimaanpassung statt Klimaschutz."
Rechte Ideologie getarnt als Klimaanpassung
Die Vorstellung, dass Klimaschutz und Anpassung ein Entweder-oder darstellen, ist wissenschaftsfeindlich und populistisch. Ambitionierter Klimaschutz ist unerlässlich, um die Grenzen der Anpassungsfähigkeit nicht zu überschreiten.
Doch die AfD hat kein echtes Interesse an effektiver Vorsorge und will auf perfide Weise von Katastrophen wie Hochwasser oder Waldbränden profitieren, indem sie sich in Krisensituationen als Retter inszeniert und die Verzweiflung der Menschen nutzt, um ihre Ideologie zu verbreiten.
Lara Möllney
arbeitet bei Adelphi im Bereich Klimaanpassung, vor allem zu Klimarisikoanalysen und regionalen Klimaresilienz- und Anpassungsstrategien, von der Ermittlung der Risiken bis zur Umsetzung und Bewertung geeigneter Maßnahmen. Seit 2023 ist sie zudem Bundesvorsitzende der Naturfreundejugend.
Teil dieser Ideologie ist es, die schützenswerte Natur zu einem Symbol von Heimat und Patriotismus zu stilisieren und die Klimaanpassung für eine rückwärtsgewandte, auf eine ethnisch homogene Gesellschaft ausgerichtete Politik zu instrumentalisieren.
Eine Klimaanpassung im Sinne der AfD gefährdet besonders die Menschen, die schon heute stark unter den Folgen der Klimakrise leiden. Nicht die tatsächlichen Bedürfnisse und Vulnerabilitäten der Betroffenen entscheiden für die AfD darüber, wer besonderen Schutz erfahren sollte, sondern ihre faschistische Agenda.
In Wahrheit erfordert effektive Anpassung internationale Zusammenarbeit, Synergien mit Klimaschutz und den Schutz besonders verletzlicher Gruppen. Werden diese essenziellen Aspekte vernachlässigt, sind Gesundheit und Sicherheit der Menschen ernsthaft bedroht.
Für eine stabile Brandmauer braucht es einen starken Gegenentwurf
Auf den ersten Blick mag eine anlassbezogene Zusammenarbeit mit der AfD als das kleinere Übel erscheinen, um Mehrheiten für die Klimaanpassung zu gewinnen. Doch es muss klar werden, dass effektive Klimaanpassung und rechtspopulistische Ideologien unvereinbar sind.
Um dies stärker zu durchleuchten, sollten öffentliche Hand und Zivilgesellschaft untersuchen, wie sich die Zusammenhänge zwischen Rechtspopulismus und Klimaanpassung in Deutschland und Europa entwickeln.
Zudem braucht es eine Öffentlichkeit, die die Instrumentalisierung von Klimaanpassung anprangert, sowie klare Qualitätskriterien für die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen. Auf diese Weise könnte das Fundament für einen sozial gerechten und nachhaltigen Gegenentwurf entstehen.
Der Wahlkampf zur kommenden Bundestagswahl stellt eine entscheidende Gelegenheit für alle demokratischen Parteien dar, sich auch in der Klimaanpassung klar von rechtspopulistischen Narrativen abzugrenzen. Denn um unsere Städte und Gemeinden klimafit, lebenswert und gesund für alle zu gestalten, braucht es vieles – aber ganz sicher nicht die AfD.