Eine junge Frau sitzt auf dem Boden einer Hochschule und hält sich den Kopf, ihr Smartphone hält sie unbeachtet in der Hand, neben ihr steht ein Rucksack an die Wand gelehnt.
Gegen Klimaangst helfen soziale Unterstützung und eigenes Engagement. (Bild: Ground Picture/​Shutterstock)

Der Juli hat mit einer weiteren Hitzewelle begonnen. Die Temperaturen stiegen bundesweit auf deutlich über 30 Grad – nicht zum ersten Mal in diesem Jahr. Die körperlichen Auswirkungen sind für viele spürbar: Sonnenstich, Hitzschlag, Kreislaufprobleme oder zumindest Kopfschmerzen. Doch das extreme Wetter hinterlässt auch Spuren in der Psyche.

Denn nicht nur drückende Hitze, sondern auch die offenen Fragen rund um den Klimawandel können nachts wach halten. Dass der Klimawandel anhaltendes Kopfzerbrechen bereitet und es so zu Klimaängsten kommt, ist längst kein Randphänomen mehr. Einige aktuelle Studien zeichnen nun erstmals Konturen in der bislang eher kargen Forschungslandschaft zum Thema Klimawandel und mentale Gesundheit. 

So zeigt eine repräsentative Online-Befragung des Umweltbundesamtes: Mehr als die Hälfte der Deutschen fühlt sich durch den Klimawandel psychisch stark belastet. Die Ursachen reichen von unmittelbaren Erlebnissen wie Stürmen oder Hitzewellen, die sogar posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) auslösen können, bis hin zu Zukunftsängsten und Anzeichen von Depressionen.

Besonders jüngere Menschen und Frauen berichten häufiger von hoher psychischer Belastung durch Folgen des Klimawandels. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch: Schwere Symptome wie ausgeprägte Klimaangst oder posttraumatische Belastungsstörungen sind insgesamt eher selten. Auch bleibt das tatsächliche Anpassungsverhalten in der Bevölkerung bisher unzureichend.

Klimaangst und psychische Belastung sind eng verbunden

Einen genaueren Einblick in die psychische Verfassung junger Erwachsener inmitten der Klimakrise lieferte jüngst die Hochschule HAW Hamburg. Der Schwerpunkt ihrer Untersuchung lag auf Studierenden.

Im Rahmen des Projekts "Klim Ment", das gemeinsam mit der Betriebskrankenkasse MKK durchgeführt wurde, untersuchten die Forschenden, wie Klimaangst und psychische Belastung bei jungen Menschen mit höherer Bildung zusammenhängen.

Im vergangenen Wintersemester wurden bundesweit etwa 4.500 Studierende an fast der Hälfte aller deutschen Hochschulen befragt. "Mit der Studie haben wir Korrelationen zwischen psychischer Gesundheit, psychischer Belastung und Klimaangst berechnet", erklärt Studienautorin Juliane Stolz, Gesundheitswissenschaftlerin an der HAW Hamburg.

Um den Zusammenhang zwischen Klimaangst und psychischer Belastung zu erfassen, wurden die Studierenden gezielt zu ihrer seelischen Verfassung, ihrem Wohlbefinden und ihren Sorgen rund um den Klimawandel befragt. Ergebnis: Rund die Hälfte der Befragten leidet unter sogenannter Klimaangst.

Die Auswertung der Antworten zeigt nach Ansicht der Forschenden, wie eng Klimaangst und psychische Belastung verknüpft sind und welche Faktoren diese Angst besonders beeinflussen. "Gemessen mit einem validierten Screening-Instrument für Depressivität und Angststörungen zeigte sich bei 28,6 Prozent der Teilnehmenden tatsächlich eine psychische Belastung", berichtet Stolz.

Besonders betroffen sind Frauen und diverse Personen. Mehr als die Hälfte der Befragten schätzte ihre psychische Gesundheit als "gut" oder "sehr gut" ein, während 45 Prozent sie als mäßig bis sehr schlecht bewerteten.

Die Auswertung der Klimaangst-Skala ergab: 49 Prozent der Studierenden zeigten keine oder kaum Klimaangst, knapp neun Prozent eine "milde" bis mäßige und 42 Prozent eine starke bis extrem starke Klimaangst. "Das kann von diffusen Zukunftsängsten bis hin zu manifesten psychischen Erkrankungen reichen", betont Stolz. Dabei spielen auch Risikofaktoren eine Rolle.

Wenn Wut und Ohnmacht überhandnehmen

Schon das Wissen um die Klimakrise kann dabei Gefühle wie Angst, Wut, Ohnmacht und Erschöpfung auslösen, erklärt die Gesundheitswissenschaftlerin. Wer selbst Extremwetter erlebt hat, sei besonders gefährdet – bis hin zu Angststörungen oder posttraumatischen Belastungen. Auch extreme Hitze könne zu Schlafproblemen, Depressionen oder Suizidalität führen.

"Sobald Emotionen wie Wut oder Ohnmacht ein Ausmaß erreichen, das die eigene Bewältigungsfähigkeit übersteigt, kann die psychische Gesundheit ernsthaft leiden", so Stolz. Zu den Risikofaktoren zählen auch bestehende Gesundheitsprobleme wie Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch psychische Vorerkrankungen.

Ebenso spielt eine Rolle, ob jemand im Umweltschutz aktiv oder Umweltproblemen besonders stark ausgesetzt ist. Für Studierende kommen das jugendliche Alter und ein oft niedriger sozioökonomischer Status hinzu – was sie bei dem Untersuchungsthema zu einer relevanten Gruppe macht. "Sie befinden sich zusätzlich in einer Lebensphase mit ohnehin erhöhter psychischer Anfälligkeit", hebt Stolz hervor.

Ähnliche Ergebnisse zeigt eine große Meta-Analyse der Universität Leipzig und der TU Dortmund, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Global Environmental Change. Besonders stark betroffen von Klimawandel-Angst sind danach ebenfalls jüngere Menschen und Frauen.

Auch Menschen mit linker politischer Orientierung, starker Zukunftssorge, ausgeprägten ökologischen Werten oder hoher Naturverbundenheit berichteten häufiger von Klimaangst. Wer sich regelmäßig mit Klimawandel-Fragen beschäftigt oder sich persönlich von den Folgen betroffen fühlt, ist ebenfalls stärker gefährdet.

Die Überblicks-Studie zeigt zudem: Menschen, die den Klimawandel als reale Bedrohung wahrnehmen, hohe Risiken sehen und überzeugt sind, dass die Wissenschaft sich einig ist, berichten im Schnitt mehr von Klimawandel-Angst als Skeptiker oder Menschen mit geringer Risikowahrnehmung.

Klimaangst ist ein eigenständiges psychologisches Phänomen

Wie zu erwarten, steht die Klimaangst laut Analyse in einem negativen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden, sie geht also mit mehr psychischer Belastung und geringerer Lebenszufriedenheit einher. Gleichzeitig zeigen die untersuchten Studien: Klimaangst motiviert stärker zu klimafreundlichem Verhalten und gesellschaftlichem Engagement als allgemeine Angststörungen.

Die große Mehrheit der ausgewerteten Arbeiten stammt bisher aus westlichen und vor allem europäischen Ländern. Die Forschenden betonen daher, dass die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Weltregionen übertragbar sind.

Zudem handelt es sich meist um sogenannte Querschnittsstudien, also Momentaufnahmen. Deshalb lässt sich nicht sagen, ob bestimmte Faktoren Klimaangst verursachen – oder ob umgekehrt die Klimaangst diese Faktoren beeinflusst.

Die Auswertung macht aber deutlich, dass Klimawandel-Angst ein eigenständiges psychologisches Phänomen ist, das sich klar von genereller Angst unterscheidet – sie bleibt bestehen, wenn allgemeine Ängstlichkeit "herausgerechnet" wird.

 

Aber was hilft, um psychisch widerstandsfähig zu bleiben? Das Umweltbundesamt betont: Ein guter Zugang zu Naturräumen, "sinnfokussiertes Coping" – also das Vertrauen in die Lösbarkeit der Klimaprobleme – sowie soziale Unterstützung und persönliches Engagement stärken die Resilienz.

Genau an diesen Punkten setzt auch das "Klim Ment"-Projekt der HAW Hamburg an. Es soll gezielt die psychische Widerstandskraft von jungen Menschen stärken. "Wir entwickeln gemeinsam mit Studierenden und der Krankenkasse MKK präventive Maßnahmen, die wir in Fokusgruppen testen und weiter verbessern", erklärt Juliane Stolz.

Nach der Erprobung werden die Programme evaluiert und sollen als Grundlage für eine nachhaltige Gesundheitsförderung an Hochschulen dienen.

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