Das Geschäftshaus der Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg mit Genossenschaftswohnungen und Läden.
Der Sitz der Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg im Berliner Osten ist gleichzeitig eines von 110 Wohngebäuden der WGLi. (Foto: Angela Monika Arnold/​Wikimedia Commons)

Im heißen Sommer dieses Jahres ging Mietern der Berliner Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg (WGLi) ein Schreiben zu, ihre Betriebskosten betreffend. Unter den vielen Posten, die so ein Schreiben auflistet, beschreibt einer den Aufwand, um ein Mietshaus gegen alle möglichen Schäden und ihre Folgen zu versichern.

Der Posten unter der Rubrik "Versicherungen" wäre normalerweise keiner Erwähnung wert, wenn nicht die von den Mietern zu leistende Vorauszahlung dafür um 40 Prozent erhöht worden wäre.

Noch interessanter allerdings ist eine der Begründungen für die Kostenexplosion: die "in den letzten Jahren gestiegenen Aufwendungen für die Beseitigung von Gebäudeschäden infolge zunehmender Extremwetterereignisse." (Foto unten).

Dass Versicherungen nur noch ungern oder gar nicht mehr das Eigenheim in der beliebten, aber überschwemmungsgefährdeten Flusslage absichern, ist bekannt – neu ist, dass sich die Policen für Mehrfamilienhäuser der Marke "großer Plattenbau" derart verteuern.

Die Anfrage, wie sich das mit dem Extremwetter und den steigenden Versicherungskosten genau verhält, wimmelt die WGLi ab. Solche Daten seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, beschwert sich WGLi-Vorstand Thomas Kleindienst. Die Gebäude seien für den "Normalfall" gerüstet und Extremwetterlagen seien "noch eine Ausnahme". Ob diese auf Dauer häufiger würden, sei "nicht bekannt". Soweit möglich, rüste man bei den Gebäuden "präventiv" nach.

Ausriss über Gebäudeversicherungen.
Der Punkt "Versicherungen" in der Mietkostenberechnung der WGLi: Mehr Extremwetter – höhere Versicherungsprämie – steigende Vorauszahlungen. (Foto: Jörg Staude)

Zwar beträgt die absolute Erhöhung der Versicherungskosten, die die Wohnungsgenossenschaft mit dem Schreiben an die Mieter weiterreicht, weniger als einen Cent pro Quadratmeter. Die WGLi als größte Berliner Wohnungsgenossenschaft verwaltet aber mehr als 10.000 Wohnungen. Da summieren sich auch Centbeträge.

Daten lassen nur Vermutungen zu

Genaue Daten, ob und wie sich Wetterextreme auf die Kosten zum Unterhalt städtischer Gebäude auswirken, sind nur schwer zu bekommen. Die Genossenschaft verweist ihrerseits auf den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU).

Der Branchenverband weist in seiner aktuellen, im Juli dieses Jahres erschienenen Betriebskostenstudie 2017 für eine 62-Quadratmeter-Durchschnittswohnung aus, dass der Mieter jährlich 1.850 Euro Betriebskosten zu zahlen hat. Davon entfallen anteilig fünf Prozent, also mehr als 90 Euro, auf Versicherungen. Das können – laut Mietrecht – Versicherungen gegen Feuer-, Sturm- und Wasserschäden, gegen Elementarschäden oder gegen Glasbruch sein, eine Gebäudehaftpflicht-, eine Öltank- oder eine Aufzugsversicherung.

Obwohl die Versicherungskosten nominell niedrig sind, steigen sie für die von den BBU-Unternehmen vermieteten Gebäude stetig an – von 2016 zu 2017 um sieben Prozent, von 0,14 auf 0,15 Cent je Quadratmeter. Das war der im Jahresvergleich stärkste Anstieg unter allen einzelnen Betriebskosten.

Verglichen mit dem Niveau von 1995 legten die Versicherungskosten in Berlin bis 2017 laut BBU sogar um 150 Prozent zu. Darüber liegt in dem Zeitraum nur der Posten Kabel/Antenne mit plus 175 Prozent. Alle anderen Betriebskosten zusammen erhöhten sich in den gut zwei Jahrzehnten um gerade einmal 13 Prozent.

Die Versicherungen für die Gebäude gehören also eindeutig zu den Kostentreibern. Über die Gründe dafür schweigt sich der BBU aus.

Die zuständige Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erhebt, wie eine Sprecherin mitteilt, selbst keine Statistiken zu den Betriebskosten, auch nicht über die entstandenen Schäden aufgrund von Extremwetter.

Versicherer halten sich bedeckt

Die Versicherungswirtschaft selbst hält sich ebenfalls mit Daten zurück, die einen Zusammenhang von Wetterextremen und steigenden Versicherungsprämien für städtische Gebäude belegen könnten. Außer Frage steht aber, dass Extremereignisse große Schäden anrichten können. Allein das Sturmtief Eberhard im März dieses Jahres soll bundesweit Schäden in Höhe von 700 bis 800 Millionen Euro hinterlassen haben.

Die Schadensummen steigen aber auch deshalb, weil bundesweit immer mehr Wohngebäude, Hausrat und Unternehmen versichert sind. Laut dem Branchenverband GDV hatten beispielsweise unter den Wohngebäuden im Jahr 2002 nur 19 Prozent eine erweiterte Naturgefahrenversicherung, heute seien es 41 Prozent. Die Versicherungsdichte der Wohngebäude-Versicherungen gegen Sturm- und Hagelschäden stieg in der Zeit von 86 auf 93 Prozent.

Bis dato widmete sich auch die Forschung dem Problemfeld wenig. Der Schwerpunkt beim Thema Klimaschutz und Gebäude habe eher bei der CO2-Reduktion gelegen, wird selbstkritisch eingeräumt.

Zum Schutz von Gebäuden vor Feuchte- und Wasserschäden gibt die Versicherungsbranche nur allgemeine Hinweise. Wer "wasserresistente Wände" will, setze demnach auf einen Rohbau aus Stahlbeton oder Mauerwerk aus keramischen oder mineralischen Steinen. Als besonders gefährdet gilt die Wärmedämmung: Materialien wie Mineralwolle oder Polystyrol seien nach Durchfeuchtung unbrauchbar.

Bundesinstitut informiert online – teilweise

Auch das Immobilienvermögen in Deutschland ist zunehmend durch klimawandelbedingte Naturgefahren bedroht, heißt es beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Um die Risiken durch Naturgefahren jedoch beurteilen zu können, existieren bislang für Immobilieneigentümer "keine adäquaten Informationsgrundlagen", räumt das BBSR ein. Insbesondere fehle eine Risikoabschätzung, mit der sich eine Schadenserwartung für das jeweilige Gebäude ermitteln lässt.

Diese Lücke soll ein seit dem Frühjahr 2019 laufendes Webtool namens "GIS-Immorisk Naturgefahren" schließen. Mit dem Tool können Eigentümer und Investoren laut BBSR einschätzen, wie stark ihre Immobilien an jedwedem Standort in Deutschland extremer Hitze, Erdbeben, Waldbränden, Blitzschlag, Hagel, Sturm und starken Niederschlägen ausgesetzt sind. Außerdem lässt sich herausbekommen, wie gut Immobilien gegen Extremwetter gewappnet sind und wie die Widerstandsfähigkeit gegenüber Naturgefahren verbessert werden kann.

Aufgrund fehlender Daten funktioniert "Immorisk" bisher aber nur eingeschränkt, wie das Bundesinstitut einräumt. Bei Schneelast, Waldbrand, Erdbeben und Blitzschlag könne derzeit lediglich die Gefährdung für den jeweiligen Standort angegeben werden. Für Hochwasser fehle es noch an flächendeckenden Daten, um überhaupt Risiken einschätzen zu können.

Ob die Versicherungskosten künftig weiter steigen – diese für Mieter interessante Frage beantwortet das System leider auch nicht.

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