Aufgehaltene Hand mit einigen größeren Centmünzen.
Ein paar Euro für den Klimaschutz geben – wer lässt sich dazu bewegen? (Foto: Lewis Ronald/​Wikimedia Commons)

Was würden Sie tun, wenn Sie fünf Euro geschenkt bekämen? Würden Sie das Geld behalten? Oder wären Sie bereit, die fünf Euro zu spenden, wenn damit Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden, mit denen eine bestimmte Menge an CO2 eingespart wird?

Und wenn ja, wie viel von der Summe würden Sie spenden? Alles? Oder nur ein, zwei Euro?

Die Frage ist nicht nur ein Gedankenexperiment. Der Statistiker Johannes Reichl vom Energieinstitut der Universität Linz hat gemeinsam mit seinem Team Menschen aus ganz Europa tatsächlich vor diese Entscheidung gestellt: Spenden oder nicht?

Für das Forschungsprojekt nahmen knapp 16.000 repräsentativ ausgewählte Menschen aus 27 EU-Ländern an einer Umfrage teil, in der es um ihre Einstellung zum Klimawandel ging. Für ihre Teilnahme erhielten die Befragten fünf Euro. Und sie wurden gefragt, was sie mit dem Geld machen wollen. Soll es in ihre eigene Tasche fließen oder wollen sie es für Emissionsreduktion hergeben?

Die Frage zielt auf ein zentrales Problem der Klimapolitik. In Umfragen spricht sich regelmäßig eine überwältigende Mehrheit der Bürger:innen für mehr Klimaschutz aus. Doch wenn es um die konkrete Umsetzung geht, bröckelt die Zustimmung rapide. Die geäußerte Unterstützung für Klimaschutz wird dann von anderen Erwägungen, Bedenken, Motivationen förmlich verschluckt und bleibt bloße Theorie. Wollen und Machen scheinen einfach nicht zusammenzupassen. Oder?

Es ist eine offene Forschungsfrage, was Menschen tatsächlich zu klimapositivem Handeln bewegt. Unzählige Studien haben sich damit beschäftigt und einzelne Aspekte herausgearbeitet, etwa dass die persönliche Einstellung zum Klimawandel eine Rolle spielt, auch das Umfeld, in dem man sich bewegt, oder auch der Zusatznutzen, den man Klimaschutzmaßnahmen zuschreibt, wie saubere Luft oder die Schaffung neuer Jobs. Dennoch bleibt vieles unklar (und die Fortschritte beim Klimaschutz sind entsprechend dürftig).

Insofern füllt das Linzer Spendenexperiment eine Lücke. Zum einen, weil es nicht nur um ein einzelnes Land geht, sondern um 27, die man dann miteinander vergleichen kann. Zum anderen, weil nicht nur Einstellungen abgefragt wurden, sondern eine ganz handfeste Entscheidung zu treffen war. Das macht die soeben im Fachmagazin Global Environmental Change publizierten Ergebnisse relevant und aussagekräftig.

Rund drei Viertel gaben gar nichts

Drei Erkenntnisse sind besonders wichtig. Erstens: Wer davon überzeugt ist, dass es den Klimawandel gibt und er menschengemacht ist, spendet am meisten. Das entspricht dem, was man erwarten würde.

Überraschend ist hingegen, dass – zweitens – auch diejenigen, die vom anthropogenen Klimawandel nicht überzeugt sind, nicht etwa gar nichts spenden. Bei ihnen ist die Spendenbereitschaft immerhin noch halb so groß wie bei den Überzeugten – ein erstaunlicher Wert.

"Viele der Skeptiker finden es trotzdem gut, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird", sagt Projektleiter Johannes Reichl im Gespräch mit Klimareporter°. "Sie halten es beispielsweise für wirtschaftspolitisch clever, wenn in Erneuerbare investiert wird, anstatt fossile Energie teuer zu importieren."

Hier könnte die Klimapolitik ansetzen und das Argument des Zusatznutzens in der öffentlichen Kommunikation stärker in den Vordergrund stellen.

Drittens hängt die Spendenbereitschaft davon ab, wie ambitioniert in einem Land Klimaschutz betrieben wird – und zwar umgekehrt proportional. "Das hat uns am meisten überrascht", sagt Reichl.

Konkret heißt das: Je ambitionierter das Land, desto geringer die Spendenbereitschaft. Und umgekehrt. Der Klimaschutzvorreiter Dänemark war das Land, in dem die Leute am wenigsten spenden wollten. Im Kohleland Polen dagegen war die Bereitschaft besonders hoch.

Das Berlaymont-Gebäude, Sitz der EU-Kommission, mit einem Banner:
"Du kontrollierst den Klimawandel." Mit dieser Kampagne appellierte die EU-Kommission vor 15 Jahren an die Verantwortung des Individuums. Umweltpsychologen halten das für weniger wirksam. (Foto: Georges Boulougouris/EU)

"Wenn die Leute sehen, dass der Staat schon einiges tut, ziehen sie sich zurück", erläutert Reichl. Crowding-out-Effekt wird das genannt, Verdrängungseffekt.

Für die Klimapolitik ist das wichtig. "Sie muss Maßnahmen setzen und gleichzeitig klarmachen, dass alle Verantwortung übernehmen müssen", sagt Reichl. "Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, braucht man beides und kein Entweder-oder."

Und es gibt noch eine vierte Erkenntnis. Für mich war sie am überraschendsten: Insgesamt war die Spendenbereitschaft sehr bescheiden. (Die ausführlich aufbereiteten Daten finden Sie hier.)

Überhaupt gar nichts spendeten 71,5 Prozent aller Teilnehmenden. In Deutschland lag der Wert sogar bei rund 77 Prozent. Nur einen Euro spendeten 15 Prozent (Deutschland: zwölf Prozent).

Die gesamten fünf Euro waren lediglich sieben Prozent bereit zu geben (Deutschland: vier Prozent). Im Gesamtdurchschnitt ergab das eine Spendensumme pro Person von lediglich 66 Cent.

Wenn man bedenkt, dass Leute sich von geschenktem Geld leichter trennen als von dem, das sie schon haben, sind das Werte, die wenig optimistisch stimmen.

Oder man begreift sie als Aufforderung, sich bei der Klimakommunikation mehr Mühe zu geben, um mehr Menschen von der Wichtigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu überzeugen.

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