Ein Streifen Kunstschnee zieht sich über den ansonsten schneefreien Hang in Savognin im schweizerischen Kanton Graubünden.
Schon Ende Dezember und nur Kunstschnee auf der Piste in Savognin im Schweizer Kanton Graubünden. (Foto: Lino Schmid/​Wikimedia Commons)

In den Alpen ist Wintersportsaison. Wie in jedem Jahr nehmen Millionen Touristen die Berge in Beschlag.

Sie stürzen sich auf den verschiedensten Geräten die Pisten hinab, genießen die Natur bei Ski- oder Wandertouren oder üben sich in Trendsportarten wie Snowkiten oder Snowmountainbiking. Die einen wollen Party machen wie auf Mallorca, andere suchen Entspannung und Erholung vom Alltag.

Doch eins haben vermutlich fast alle Touristen gemeinsam: dass sie sich im Urlaub nicht mit dem Klimawandel und dem eigenen Beitrag daran belasten wollen.

Allerdings kommen die Alpenbesucher wohl kaum darum herum. Der Klimawandel ist dort unübersehbar – er ist der sprichwörtliche Elefant im Raum.

Die Temperaturen steigen in den Alpen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Aktuell ist schon ein Plus von zirka zwei Grad erreicht. Besonders sichtbar wird die Erwärmung am Rückgang der Gletscher.

Einzelne dieser ganzjährigen Eisfelder haben seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts bereits mehr als 90 Prozent ihres Volumens eingebüßt und werden in Kürze ganz verschwunden sein. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es in 20 bis 30 Jahren gar kein "ewiges Eis" mehr in den Alpen geben wird.

Die Niederschlagsentwicklung ist zwar schwieriger vorherzusagen als der Temperaturanstieg. Es liegt jedoch nahe, dass sich der beobachtete Trend in den kommenden Jahren und Jahrzehnten fortsetzen wird und dass die winterlichen Schneefallmengen weiter deutlich abnehmen werden.

Regionen leben vom Skitourismus

Für den Wintersport bedeuten die Klimaveränderungen, dass die Schneesicherheit sinkt und die Skisaison kürzer wird.

Die "für den Schneesport geeignete natürliche Schneedecke" werde langfristig bis in den mittleren Lagen im Alpenraum weiter zurückgehen, heißt es im gemeinsamen Positionspapier des Expertenforums "Klima, Schnee, Sport", das die Stiftung Sicherheit im Skisport, das Karlsruher Institut für Technologie und die Deutsche Sporthochschule Anfang des Jahres veranstaltet haben. "Dabei verkürzt sich die Dauer der Schneebedeckung um Wochen im Spätwinter, etwas weniger stark auch im Frühwinter."

In einer dort diskutierten Studie zu Klima und Schnee in Österreich prognostizieren die Autoren, dass der Skibetrieb oberhalb von etwa 1.500 Metern über dem Meeresspiegel zwar bis Mitte des Jahrhunderts "in ähnlicher Form wie heute höchstwahrscheinlich weiterhin möglich" sein wird.

Bis Ende des Jahrhunderts sehen sie aber auch schon Lagen oberhalb von 2.000 Metern in Gefahr – je nachdem, wie stark die Weltgemeinschaft den Klimawandel bis dahin abzuschwächen vermag.

Die Branche ist entsprechend alarmiert, nicht nur in Österreich, sondern auch in den anderen Alpenländern. Der Wintersport hat dort eine große wirtschaftliche Bedeutung, die weit über Hoteliers und Sesselbahnbetreiber hinausgeht: Ganze Regionen leben quasi von ihren Skigebieten.

Laut dem Deutschen Alpenverein (DAV) gibt es in den Alpen rund 600 Skigebiete mit durchschnittlich 55 Pistenkilometern. Zählt man alle Skigebiete mit, auch die ganz kleinen, sind es fast doppelt so viele: Das Testportal Skiresort.de listet 1.132 Skigebiete auf mit insgesamt rund 26.700 Pistenkilometern, die von mehr als 8.000 Skiliften erschlossen werden.

Berge aus dem Gleichgewicht

Natürlich betreffen die Folgen des Klimawandels in den Alpen nicht nur Skifahrer und andere Wintersportler, sondern auch Bergsportler und – in besonderem Maße – die Menschen, die dort leben.

So wirkt sich das Schmelzen der Gletscher beispielsweise negativ auf die Trinkwasserversorgung aus. Außerdem führt das Auftauen der Permafrostböden zu Bergstürzen, Steinschlägen und Schlammlawinen. Methan wird freigesetzt, was wiederum die Erderhitzung beschleunigt.

Zudem bedroht der Klimawandel die sensible Tier- und Pflanzenwelt der Alpen, das Landschaftsbild verändert sich und Wetterextreme nehmen zu. Bergsteiger müssen immer neue Routen finden. Bestimmte Touren sind nur noch im Winter möglich, weil Steinschlag und fehlendes Eis eine Begehung im Sommer zu gefährlich machen.

Auf der Habenseite steht, dass sich die Hüttensaison durch die Erwärmung verlängert und etwa Wandern und Mountainbiking vielerorts über den Oktober hinaus möglich sind. Doch die Alpenvereine der betroffenen Länder sind sich einig, dass die Nachteile – in Form von Wasserknappheit, Unwettern und zerstörter Infrastruktur – überwiegen.

Trotzdem wird in allen Tourismussparten weiter ausgebaut, die Angebotspalette wird erweitert, und sogar der Skitourismus ist auf hohem Niveau stabil.

Wo die Bedingungen dafür schlechter werden, versuchen Skigebiete durch Neuerschließungen in höhere Bereiche vorzudringen oder die Schneesicherheit durch verbesserte Beschneiungsanlagen zu erhöhen.

Kleineren und finanzschwächeren Skigebieten bleibe oft nur der Anschluss an ein benachbartes Skigebiet übrig, schreibt der DAV und konstatiert: "Bei dieser flächenhaften Ausbreitung der Skigebietsflächen kommen selbstverständlich noch technisch unerschlossene und naturbelassene Täler/​Regionen unter die Räder."

Der DAV, nach eigenen Angaben mit 1,29 Millionen Mitgliedern der größte Bergsportverein der Welt, spricht angesichts von Ausbau und Zusammenlegung von einer "Aufrüstungsspirale der Skidestinationen".

Was er damit meint, verdeutlicht etwa der geplante Zusammenschluss der Tiroler Gletscherskigebiete Pitztal und Ötztal mit zusätzlichen 64 Hektar an Skipisten, drei Gondelbahnen, Beschneiungsanlagen und zugehörigem Speicherteich. Der DAV und sein österreichisches Pendant ÖAV beklagen unter anderem den "Totalverlust einer naturnahen hochalpinen Landschaft" durch das Megaprojekt sowie den "Verlust eines alpinen Lebensraums".

Zudem sei die Mobilitätsfrage in dem ohnehin schon stark durch Verkehr belasteten Gebiet ungelöst und negative Auswirkungen auf den – deutlich nachhaltigeren – Sommertourismus seien zu erwarten.

Schneekanonen, Snowmaker, Snowfarming

Zur "Aufrüstung" gehören auch die Beschneiungsanlagen. Sie werden bereits seit den 1970er Jahren in den Alpen eingesetzt und sind heute aus den allermeisten Skigebieten nicht mehr wegzudenken. Selbst in hohen Lagen werden sie gebraucht, um die Saison zu verlängern und Schneesicherheit an allen Tagen der Saison zu gewährleisten.

Doch auch sie sind witterungsabhängig: Schneekanonen, die nur Wasser versprühen, brauchen Minusgrade, um Schnee zu produzieren. In Anlagen, die dem Wasser spezielle abgetötete Bakterien zusetzen, kristallisiert es hingegen schon bei etwa fünf Grad plus. In Deutschland und Österreich sind sie verboten, in der Schweiz aber beispielsweise nicht.

Das Tiroler Pitztal und der Schweizer Skiort Zermatt setzen bereits auf sogenannte Snowmaker, die ganz unabhängig von der Außentemperatur Schnee produzieren.

In Zermatt läuft die Maschine, die 1.900 Tonnen Schnee pro Tag erzeugen kann, nach Angaben von Zermatt Tourismus an etwa 20 Tagen pro Jahr, vor allem im Frühherbst. Der Saisonstart im Oktober ist damit garantiert.

Eine weitere Methode ist die Schneelagerung. Dazu schieben Pistenraupen den Schnee am Saisonende zusammen. Gut isoliert und abgedeckt übersteht ein Großteil den Sommer und kann danach wieder auf der Piste verteilt werden.

Das österreichische Kitzbühel praktiziert dieses auch als "Snowfarming" bekannte Verfahren schon seit einigen Jahren und verlängert dadurch seine Saison. In diesem Jahr startete sie am 19. Oktober bei um die 20 Grad Lufttemperatur.

Andere Destinationen träumen von vollständig überdachten Pisten, die mit der nötigen Kühlung ähnlich wie Skihallen im Flachland das ganze Jahr über betrieben werden können.

All diese Verfahren benötigen sehr viel Energie und im Falle von Kunstschnee auch extrem viel Wasser und sind deshalb umstritten. Anwohner machen zudem gegen Großprojekte mobil, die starke Eingriffe in bisher unberührte Natur mit sich bringen. Auch juristische Wege werden beschritten.

Naturschutz versus Profit

So klagte der österreichische Alpenverein mit Unterstützung des DAV erfolgreich gegen den geplanten Zusammenschluss der Skigebiete Rendl in St. Anton und Kappl, den die Tiroler Landesbehörde genehmigt hatte.

Das Bundesverwaltungsgericht in Wien stufte die Interessen des Naturschutzes höher ein als die wirtschaftlichen Vorteile des Projekts und stoppte es mit seinem Urteil im November 2018. "Die Entscheidung des Gerichts ist wegweisend und gibt Hoffnung: Unerschlossene Natur hat einen Wert bekommen", kommentierte der DAV.

Deutschlands Alpenverein ist als Naturschutzverband anerkannt und sieht sich selbst als "Anwalt der Alpen". Auf der diesjährigen Hauptversammlung hat er eine Resolution verabschiedet, um Kommunen, Länder und vor allem die Bundesregierung zu einer konsequenteren Klimapolitik aufzurufen.

Der DAV will aber auch selbst einen größeren Beitrag leisten: Ab 2021 zahlt jedes Mitglied einen Euro zusätzlich, der in Klimaschutzmaßnahmen fließen soll, vor allem in der alpinen Infrastruktur und Mobilität. Ein entsprechendes Konzept ist in Arbeit.

Auch das Schweizer Pendant, der Schweizer Alpen-Club, bekennt sich zum Klimaschutz und will eine Klimastrategie erarbeiten. Die Jahreshauptversammlung, die dort Abgeordnetenversammlung heißt, hat im Juni beschlossen, die Gletscher-Initiative zu unterstützen, deren Ziel netto null Emissionen bis 2050 sind.

Der österreichische Alpenverein wiederum unterstützt die Petitionsforderungen von "Climbers for Future", mit denen mehr Klimaschutz in Österreich erreicht werden soll. Und der französische Dachverband FFCAM hat im Juli in Paris für Klimaschutz demonstriert.

Doch selbst bei einer besseren Klimapolitik muss sich auch der Tourismus in den Alpen wandeln. Der Erhitzung, auf die der Erdball in jedem Fall zusteuert, wird ein Großteil der Wintersportgebiete langfristig auch mit verstärkten technischen Maßnahmen und Innovationen nicht standhalten.

Eine DAV-Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Skigebiete im bayerischen Alpenraum von 2013 schlussfolgert unmissverständlich, dass "die Beschneiung als Übergangslösung zu betrachten (ist), welche einen zeitlichen Spielraum verschafft, das touristische Angebot in den nächsten Jahrzehnten umzustellen – weg vom rein schneebasierten Angebot hin zu einem breiteren schneeunabhängigen Angebot".

Sechs Jahre sind seit der Veröffentlichung schon vergangen, ohne dass ein deutlicher Kurswechsel im Alpentourismus eingeleitet worden wäre.

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