Die knapper werdende Zeit, um den Klimawandel aufzuhalten, spiegelt sich auch in den Titeln der Bücher wider, die über die noch mögliche Rettung des zivilisatorischen Temperaturfensters verfasst werden. "Energierevolution jetzt!" haben Cornelia und Volker Quaschning ihr kürzlich erschienenes Werk überschrieben.
Eine Revolution allein reicht klimapolitisch schon nicht mehr aus, sie muss besser gestern als heute, auf keinen Fall aber später als eben "jetzt" starten. Daran lassen Cornelia und Volker Quaschning in ihrem Buch keinen Zweifel.
Bundesweit sind sie vor allem für ihren Podcast "Das ist eine gute Frage" bekannt, der auch in "Quaschnings Videokolumne" bei Klimareporter° erscheint. Die 27. Folge befasst sich gerade mit klimapolitisch gutem Heizen und Bauen. Einzelne Folgen hätten bis zu 50.000 Aufrufe erreicht, schreiben die beiden im Buch, und so seien sie häufig gefragt worden, ob es Transkripte zum Nachlesen gibt.
Nein, die gibt es leider nicht, lautet die Antwort – dafür aber jetzt das Buch, das die im Podcast behandelten Themen und Argumente aufgreift.
Auf den knapp 300 Seiten räumen die Quaschnings mit einigen Mythen des Klimaschutzes auf, so mit dem, Deutschland habe von 1990 bis 2020 seine CO2-Emissionen um 40 Prozent reduziert. Von den 40 Prozent blieben nach Abzug der Wiedervereinigungsgewinne sowie der Corona-Effekte gerade einmal 20 Prozent an realer Treibhausgasminderung, die Deutschland wirklich erreicht habe, bilanzieren die Autor:innen.
Das Minus von 20 Prozent hält auch der Rezensent für die eigentliche, reale Klimaschutzleistung, will sich Deutschland nicht in die Tasche lügen. Entsprechend klar ist die Folgerung, dass die energetische Revolution größtenteils noch vor uns liegt.
Vor der Revolution muss man auch gar keine Angst haben, versichern die beiden Expert:innen. Denn im Kern gehe es nur darum, der Physik zu folgen.
Und diese besage zum Beispiel: Ersetzen wir die Energie, die bisher aus bequemer fossiler Verbrennung stammt, durch solche aus erneuerbaren Quellen, ist das nur dann sinnvoll und nachhaltig, wenn die grüne Energie möglichst regional erzeugt und verbraucht wird. Jeder zusätzliche Aufwand, um die eingesammelte Ökoenergie umzuwandeln, zu transportieren oder längere Zeit zu speichern, drohe ihre Vorteile deutlich zu mindern oder ganz zu zerstören.
Keine Ökostrom-Überflussgesellschaft
Solarstrom lässt sich in Nordafrika viel billiger erzeugen? Schön und gut. Soll diese Energie dann aber zu den Verbrauchern nach Deutschland verfrachtet werden – über tausende Kilometer per Stromtrasse oder als Wasserstoff und E-Fuels –, ist das mit so viel Aufwand und Verlusten verbunden, dass die heimisch erzeugte Ökoenergie spürbar effizienter und günstiger ist, stellen die Autor:innen klar.
Und woher die Ausgangsenergie auch kommen mag – am Ende benötigt ein Wasserstoffauto für den Antrieb stets doppelt oder sogar dreimal so viel Ökostrom wie ein batterieelektrisches Fahrzeug. "Das ist Physik, und die wird man kaum ändern können", schreiben die Quaschnings.
Der Physik zu folgen bedeutet für sie, die klimaneutrale Welt nicht auf Basis einer gigantischen Öko-Energieverschwendung zu bauen. Von der Vision einer vermeintlichen energetischen Überflussgesellschaft, die Ineffizienz und Ressourcenverschwendung hinter Unmengen billigen Ökostroms versteckt, halten die beiden nichts. Für diejenigen, die die Physik ernst nehmen, ist jede Kilowattstunde wertvoll und ihr sinnvoller Einsatz ein ethisches Gebot.
Auch mit der Annahme, dass sich klimaschädliche Dinge mit leichter Hand durch gute Taten ausgleichen ließen, wird in dem Buch aufgeräumt. Wer unbedingt fliegen will, sollte sich nach Ansicht der Quaschnings nicht mit den üblichen Kompensationsangeboten begnügen, sondern die vollen Umweltkosten berücksichtigen, die laut Umweltbundesamt gegenwärtig bei 195 Euro pro Tonne CO2 liegen.
Das Buch
Volker Quaschning, Cornelia Quaschning: Energierevolution jetzt! Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht? Hanser, München 2022. 288 Seiten, 20 Euro.
Ein Flug von Deutschland nach Australien verursacht dann eben Klimafolgeschäden von etwa 2.500 Euro – während sich der Trip über den Wolken nach Down Under bei einschlägigen Internetportalen für 300 Euro und weniger kompensieren lässt, wie das Autorenpaar kritisiert. "Bei Preisen in Höhe der echten Klimafolgenschäden wäre das Kompensationsgeschäft vermutlich recht überschaubar." Damit dürften sie ziemlich richtig liegen.
Natürlich findet sich im Buch auch die Schlagzeile "Macht die Dächer voll!" – mit Solarstrom-Modulen. Mit der gut begründeten Forderung zieht Volker Quaschning seit mindestens vier Jahren durch die Lande. Bald wird es, sofern die Ampelkoalition ihre Zusage aus dem Koalitionsvertrag einhält, zwar wenigstens eine Solarpflicht für neue Gewerbebauten geben, doch neue private Eigenheime bleiben genauso außen vor wie die Abermillionen von Bestandsbauten.
Damit werden die Dächer nicht einmal halb voll. Dabei wäre die Revolution so einfach, man bräuchte nur der Physik zu folgen – und zwar jetzt!