Megafon auf grauem Boden
Wer am lautesten brüllt, findet am ehesten Gehör? (Foto: George Hodan/​publicdomainpictures.net)

Es ist ein Streit, der längst, aber wirklich längst vorbei ist. In der Klimaforschung herrscht seit Jahrzehnten Konsens darüber, dass es einen potenziell katastrophalen Klimawandel auf der Erde gibt, der größtenteils durch die Wirtschaft der Menschen verursacht wird und wurde.

Normalerweise sind Medien ständig auf der Suche nach großen Neuigkeiten. Bei der Klimakrise bringen sie aber doch immer wieder den Schnee von sonstwann, indem sie Menschen zu Wort kommen lassen, die die Klimakrise oder ihren Ursprung leugnen.

Für die englischsprachige Medienlandschaft haben Forscher der University of California die  Sichtbarkeit von 386 wichtigen Klimawandelleugnern aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen untersucht – und zum Vergleich dasselbe mit den 386 renommiertesten Klimaforschern getan. Die Studie erschien in dieser Woche im Fachmagazin Nature Communications.

Den untersuchten Klimaleugnern wird darin eine erstaunliche Präsenz attestiert: Sie werden in 49 Prozent mehr medialen Beiträgen erwähnt als die gegenübergestellten Klimaforscher.

Nicht ganz überraschend: Die beiden Gruppen sind jeweils in unterschiedlichen Medien besonders erfolgreich. Untersucht wurden drei Arten von Medien, nämlich Fachmagazine, Mainstream-Medien und Blogs.

  • In der Wissenschaft sind die Klimaforscher erwartungsgemäß aktiver und anerkannter als die Leugner des Forschungsstands. Von denen hat gerade die Hälfte überhaupt wissenschaftliche Expertise, obwohl es sich um die führenden Stimmen handelt. Nur 224 haben jemals einen wissenschaftlichen Artikel in einem Fachmagazin veröffentlicht. Damit der Vergleich nicht hinkt, haben die Studienautoren in dieser Kategorie auch nur 224 der Klimaforscher berücksichtigt.

    Das Ergebnis: Mit 12.665 Artikeln haben die Klimaforscher 3,8-mal mehr veröffentlicht als die Leugner. Außerdem werden die Artikel 7,6-mal häufiger von anderen zitiert – sind also in der wissenschaftlichen Community viel relevanter.
  • In Mainstream-Medien kommen beide Gruppen etwa gleich oft vor. Nicht berücksichtigt ist allerdings der Kontext der Nennung. Wenn also eine Zeitung einen Klimaleugner nur erwähnt, um seine Irrtümer und Fakes auseinanderzunehmen, zählt die Studie das trotzdem mit.

    Das ist verständlich – nicht nur, weil alles andere die Studie ungleich aufwendiger gemacht hätte, sondern auch, weil selbst diese Art von Plattform eigentlich schon zu viel des Schlechten ist. Zu anderen abseitigen Meinungen schreiben Journalisten schließlich auch nicht ständig Faktenchecks.
  • Ganz anders sieht es in den vielen kleinen und großen Ecken des Internets aus: in der Blogosphäre. Die Präsenz in den "neuen Medien" ist es, die die Sichtbarkeit der wichtigsten Leugner in absurde Höhen katapultiert.

    Zählt man also Blogs mit, kommt man auf die um 49 Prozent höhere Sichtbarkeit der untersuchten Klimaleugner gegenüber den Klimaforschern. Soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Youtube sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Die Studie führt zu mehreren beunruhigenden Schlüssen. Erstens: Die Szene der Klimaleugner betreibt offenbar aggressives Marketing auf Blogs – wo es anders als bei Zeitungen oder Fachmagazinen keine üblichen Regeln der Qualitätssicherung gibt.

Susanne Schwarz ist Redakteurin bei Klimareporter°.

Zweitens geben aber auch normale Zeitungen Klimaleugnern eine unerhört große Plattform, nämlich genauso viel wie den renommierten Klimaforschern, obwohl die Forscher viel mehr wissenschaftliche Autorität haben.

Das ist falsch verstandene journalistische Ausgewogenheit. Das Prinzip von Stimme und Gegenstimme kann nicht bedeuten, dass über einwandfrei widerlegte Behauptungen berichtet wird. Oder was soll es bringen, auf eine nach den Regeln des Peer-Review geprüfte Studie von Top-Wissenschaftlern zu einem Detail der Klimakrise einen wissenschaftlichen Außenseiter oder gar Laien dahinsagen zu lassen, dass er nicht an den Klimawandel glaube? Höchstens den Anschein eines Konflikts, was einen Artikel spannender machen mag, aber wohl kaum informativer.

Ein schwacher Trost: Eine Studie der Universität Hamburg hat vor zwei Jahren immerhin nahegelegt, dass ein solches Ausmaß an unverdienter Aufmerksamkeit für Klimaleugner vor allem im englischsprachigen Raum verbreitet ist – zumindest was die klassischen, journalistischen Medien betrifft.