Fast zehn Jahre ist die "schönste und friedlichste aller Revolutionen" her, "die Revolution für den Klimawandel". Mit solchem Enthusiasmus begrüßte der damalige französische Staatspräsident François Hollande 2015 das Paris-Abkommen, das von der Weltgemeinschaft verabschiedet worden war.

Das Ziel: Die Erderwärmung sollte möglichst bei 1,5 Grad gestoppt werden, auf jeden Fall aber deutlich unter zwei Grad.

 

Dass das zustande kam, war tatsächlich ein kleines Wunder. Denn noch beim Beginn des UN-Gipfels in Frankreichs Hauptstadt war unsicher gewesen, ob die 197 Teilnehmerstaaten sich überhaupt auf ein klares Temperaturlimit einigen würden, und wenn ja, dann allenfalls auf die Zwei-Grad-Marke.

Inzwischen weiß man, die "Revolution" war nur ein Fake zur (Selbst-)Beruhigung. Denn die Staaten der Welt begaben sich mitnichten auf einen Pfad, der in den 1,5-bis-zwei-Grad-Korridor führt. Die Treibhausgas-Emissionen sind in den zehn Jahren weiter gestiegen, statt, wie laut Paris-Vertrag nötig, zu sinken.

Deswegen ist es gut, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag nun festgestellt hat, dass es so nicht weitergehen kann. Er hat klargemacht: Wenn Staaten völkerrechtlich verbindliche Abkommen wie das von Paris unterzeichnen und ratifizieren, ist das keine bloße Ökolyrik zum Vortrag bei Sonntagsreden. Es erwachsen konkrete Verpflichtungen daraus.

Signalwirkung, aber kein Durchbruch

Die UN-Vollversammlung hatte 2023 den IGH mit dieser Klärung beauftragt. Eine überfällige Aktion.

Damals wurde offensichtlich, dass die Weltgemeinschaft ihre CO2-Reduktionsziele nicht einhält. Das machte klar: Der ungebremste Klimawandel wird ganze (wenn auch kleine) Länder wie den Haupt-Beschwerdeführer, das pazifische Vanuatu, von der Landkarte tilgen.

Dass der Gerichtshof deren Existenzrecht – und das vieler weiterer Klimaopfer in vielen Regionen weltweit – preisgeben würde, war nicht zu erwarten gewesen. Eigentlich ja eine Selbstverständlichkeit.

Der Internationale Gerichtshof im niederländischen Den Haag während einer Sitzung. (Bild: Frank van Beek/ICJ-CIJ/UN-Photo)

Trotzdem dürfte das nun veröffentlichte Gutachten Signalwirkung haben. Den Haag sieht Staaten völkerrechtlich verpflichtet, alles ihnen Mögliche zu tun, um den CO2-Ausstoß zu senken und die Klimakrise zu stoppen, wobei die Richtschnur dafür das schärfere 1,5-Grad-Limit ist.

Wer Klimaschutz verzögert, verstößt gegen Menschenrechte, und ohne Klimaschutz können Menschenrechte nicht gewährleistet werden. Damit dürfte auch der Druck auf die UN-Klimagipfel steigen, endlich wirksame Maßnahmen zu beschießen.

Konkret kann diese Haager Leitlinie bei Streitigkeiten zwischen Staaten zur Anwendung kommen, etwa über die Kompensation von Klimaschäden, die durch die historischen und aktuellen Emissionen der Industriestaaten in Entwicklungsländern verursacht werden.

Der Gerichtshof stellte fest: Staaten, die ihren Klimaschutz-Verpflichtungen nicht nachkommen, begehen "eine völkerrechtswidrige Handlung", und daraus ergeben sich unter bestimmten Bedingungen "rechtliche Konsequenzen" wie Entschädigungszahlungen gegenüber geschädigten Staaten.

Das Gutachten könnte aber auch Entscheidungen nationaler Gerichte beeinflussen, etwa, wenn Großkonzerne wegen der Folgen ihrer CO2-Emissionen zur Verantwortung gezogen werden sollen.

In beiden Fällen geht es um sehr hohe Geldsummen. Die Chancen sind daher gut, dass dies bei Regierungen und in der Wirtschaft das aktuell laufende Klimaschutz-Rollback bremst.

 

Trotzdem darf man nicht blauäugig sein. Gutachten wie das aus Den Haag können die Klimakrise allein nicht lösen. Die Klimawandel-Leugner und Profiteure der fossilen Welt lassen sich so einfach nicht aushebeln.

Ein Land wie die USA, das den Internationalen Gerichtshof nicht einmal anerkennt, lässt sich davon nicht beeindrucken. Unter einem Präsidenten Donald Trump schon gar nicht.

Deswegen kommt es weiter darauf an, dass bisherige Klimaschutz-Vorreiter wie die EU sich dem Rollback widersetzen. Wenn sie juristischen Rückenwind spüren, umso besser.