Viele Menschen auf Demo bei gutem Wetter, Fronttransparent mit Aufschrift
Wie würden Sie ökologisch arbeiten und leben, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre? (Foto: Stanislas Jourdan/​Flickr)

Manchmal wird behauptet, dass das bedingungslose Grundeinkommen nur den Konsum ankurbeln und damit Wirtschaftswachstum statt Klimaschutz befördern würde. 

Wäre es ökologisch ein Problem, wenn alle Menschen genug zum Leben hätten? Im Gegenteil.

Ein Grundeinkommen fordern sogar viele, die sich mit einer sozial-ökologisch gewandelten Gesellschaft beschäftigt haben – ob Erich Fromm, André Gorz, Naomi Klein, Jason Hickel, Adelheid Biesecker, Erik Olin Wright oder Paul Mason.

Ebenso findet sich das Grundeinkommen in aktuellen Forderungskatalogen, die notwendige politische Maßnahmen gegen den Klimawandel und für eine Gesellschaft ohne Wachstumszwang betreffen – zum Beispiel im Aufruf hunderter Wissenschaftler:innen für ein Europa ohne Wachstum oder im "Klimaplan von unten".

Dafür gibt es gute Gründe.

Zuvor eine kurze Begriffsklärung. Ein Grundeinkommen ist ein Geldbetrag, der allen Menschen individuell garantiert die Existenz sichert und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Der Anspruch auf das Grundeinkommen ist mit keinerlei Zwang zur Arbeit oder zu einer Gegenleistung und mit keinerlei Bedürftigkeitsprüfung – etwa einer sozialadministrativen Einkommens- und Vermögensprüfung – verbunden.

Das Grundeinkommen ist eine monetäre Form der universellen und bedingungslosen Absicherung aller Menschen – neben gebührenfreien Zugängen zu sozialer Infrastruktur und Dienstleistungen und einer Gesundheits- und Pflegeabsicherung für alle.

Wenn das Grundeinkommen die Existenz und Teilhabe eines jeden Menschen absichern soll, in Deutschland etwa mit 1.200 Euro netto, muss es umverteilend konzipiert werden. Das heißt, die oberen Einkommen und Vermögen sowie Gewinne werden so belastet, dass die unteren und mittleren Einkommen gewinnen.

Obwohl das Grundeinkommen allen zusteht, auch den Reicheren, entsteht damit eine gerechtere, egalitäre Gesellschaft. Wenn es stimmt, dass Wirtschaftswachstum ein Ersatz für fehlende Gerechtigkeit oder für Einkommensungleichheit ist – wie es Jason Hickel oder Richard Wilkinson und Kate Pickett dargelegt haben –, dann ist ein Gegenmittel das umverteilende Grundeinkommen.

Denn der Charme des umverteilenden Grundeinkommens liegt – im Gegensatz zu marktbasierten Umverteilungsmechanismen wie Löhnen – darin, dass es Arbeitszeitverkürzung befördert und gleichzeitig allen Menschen der unteren und mittleren Einkommensschichten zugutekommt, nicht nur den abhängig Beschäftigten.

Außerdem hat es anders als marktbasierte Umverteilungsmechanismen eine dekommodifizierende Wirkung, das heißt, es minimiert den Zwang, seine Arbeitskraft zu Markte zu tragen – einen Zwang, dem alle Lohnarbeitsfähigen ausgesetzt sind.

Das wäre aber "nur" die eine, nämlich die distributive Seite der Grundeinkommensmedaille, die eine kapitalismus- und wachstumsnegierende Wirkung hat.

Eine Demokratiepauschale

Die andere Seite der Medaille ist, dass das Grundeinkommen faktisch eine Demokratiepauschale ist. Es versetzt die Menschen keineswegs nur in die Lage, Nein zur Mitwirkung an destruktiver und desaströser Produktion zu sagen – also durch Abstinenz gegen die "Produktion" abzustimmen.

Es stärkt ebenso die Mitbestimmung im Betrieb und ermöglicht die erpressungsfreie Mitwirkung an der Gestaltung der Gesellschaft und der Produktionsziele und -bedingungen. Denn Argumente für vermeintlich notwendige Arbeitsplätze und für Wirtschaftswachstum ziehen in einer grundeinkommensbasierten Demokratie weniger, weil die grundlegende Absicherung aller gegeben ist.

Außerdem gewährleistet das Grundeinkommen die materielle Basis des politischen und bürgerschaftlichen Engagements. Darüber hinaus ist es ein sicheres Fundament für den Aufbau solidarischer Ökonomien. Die Demokratisierung der Gesellschaft und der Produktion sowie deren Ausrichtung an den Bedürfnissen der Menschen sind zwei zentrale Forderungen der wachstumskritischen oder Degrowth- oder Postwachstums-Bewegung, die auch dem Schutz des Klimas verpflichtet ist. Das Grundeinkommen befördert diese Demokratisierung.

Porträtaufnahme von Ronald Blaschke.
Foto: privat

Ronald Blaschke

ist Philosoph und Pädagoge, Mitgründer des Netzwerks Grund­einkommen und Mitheraus­geber mehrerer Bücher zum Grund­einkommen. Er lebt in Dresden.

Aber würden der Konsum und damit die Wirtschaft nicht klimaschädlich wachsen? Richtig ist, dass sich mit einem Grundeinkommen endlich auch die unteren Einkommensschichten die teureren, weil ökologisch nachhaltigeren, energieeffizienteren und emissionsärmeren Konsumgüter leisten könnten.

Die Stärkung der geringen und mittleren Einkommen ist erst recht nötig, wenn mittels Öko- oder Ressourcensteuern ökologisch unverträglicher Konsum verhindert und ökologisch verträglicher Konsum befördert werden soll. Das Grundeinkommen bewirkt, dass dabei die unteren und mittleren Einkommensschichten nicht abgehängt werden.

Daher ist in vielen Grundeinkommensmodellen parallel zur Besteuerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs auch ein Ökogrundeinkommen beziehungsweise Ökobonus Bestandteil des Gesamtkonzepts. Damit erfolgt ebenfalls eine Umverteilung von oben nach unten, weil in der Regel die oberen Einkommensschichten einen höheren Energie- und Ressourcenverbrauch haben, also mehr zahlen, als sie über den Ökobonus zurückbekommen.

Weniger arbeiten, produzieren, konsumieren müssen

Ein weiteres Argument gegen die unterstellte unökologische Steigerung des Konsums durch ein Grundeinkommen ist die allgemeine Reduktion der Arbeitszeit. Viele Befragungen stützen die Annahme, dass ein Grundeinkommen Arbeitszeitverkürzung direkt befördert. Nachgewiesen ist ferner, dass Gesellschaften mit kürzeren Arbeitszeiten einen geringeren ökologischen Fußabdruck aufweisen.

Auch ist eine per Grundeinkommen demokratisch organisierte Produktion und Konsumtion weniger oder gar nicht mehr dem Profitprinzip unterworfen. Schon von daher wird die kapitalimmanente Steigerung von Produktion und Konsumtion minimiert oder sogar gestoppt.

Eine egalitäre Gesellschaft infolge der Umverteilung von Geld und Zeit durch ein Grundeinkommen wird ebenfalls dazu führen, dass sich gesellschaftliche Positionen und sozialer Status eher an Handlungen und Erfolgen der Menschen in verschiedenen Arbeits- und Tätigkeitsbereichen festmachen und weniger an Einkommensunterschieden, die sich im Konsum von Statusgütern und Positionsgütern niederschlagen.

Nicht zuletzt wird eine mit dem Grundeinkommen demokratisch organisierte Produktion große Teile der entfremdeten und nicht als sinnvoll erachteten Produktion überflüssig machen und den daraus resultierenden kompensatorischen Konsum erheblich minimieren.

Es gibt also viele gute Gründe, warum eine Gesellschaft mit einem Grundeinkommen eine freundlichere, schonendere Haltung gegenüber der Natur, dem Klima und den natürlichen Ressourcen einnehmen würde als die bestehende Gesellschaft.

Eine Strategie zur sozial-ökologischen Transformation kommt deshalb ohne einen wesentlichen Punkt nicht aus: das bedingungslose Grundeinkommen.

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