Klimawandelleugnung ist ein weltweites Phänomen. Das stetig wachsende Anti-Klima-Netzwerk aus Unternehmen, Thinktanks und Interessensverbänden gibt jedes Jahr Millionen aus, um Zweifel an den menschengemachten Klimaveränderungen zu säen.
Das Herz der "Gegen-Klimabewegung" – ein Begriff, den der Soziologe und Beobachter des Netzwerks Robert Brulle geprägt hat – liegt nach wie vor in den USA.
Rechtslibertäre Klimaskeptiker-Thinktanks genießen einen großen Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit. Die pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen des Heartland Institute werden weltweit von einschlägigen Organisationen, Politiker:innen und Medien aufgegriffen. Die deutsche Lobbyorganisation "Europäisches Institut für Klima und Energie" (EIKE) nutzt dieselben Argumente, dieselben Sprachbilder und Narrative – die dann über EIKE auch Einzug in die AfD-Rhetorik finden.
Große Bedeutung für die Szene hat auch die von dem Thinktank organisierte, jährlich stattfindende "International Conference on Climate Change" (ICCC). 2015 fand diese Klimawandelleugnungskonferenz im Haus der Technik in Essen statt.
Die Heritage Foundation schaffte es mit ihrem rechten Polit-Programm "Project 2025" sogar in das Wahlprogramm des US-Präsidenten Donald Trump. Dieser griff in seinem Wahlkampf zahlreiche Punkte daraus auf und orientierte sich auch klimapolitisch an den Inhalten des Thinktanks. Über großzügige finanzielle Zuwendungen unter anderem aus der fossilen Industrie durften sich beide Organisationen in der Vergangenheit freuen.
Erwähnenswert ist auch das Atlas Network, das vor allem als Verbindungsglied zwischen klimaskeptischen Organisationen weltweit auftritt. Der Hauptsitz liegt auch hier in den USA.
Von den rund 550 Organisationen des globalen Anti-Klima-Netzwerks stammen über 60 Prozent aus den Vereinigten Staaten. Mittlerweile gibt es aber in über 50 Ländern mindestens eine Organisation mit dem Ziel, Klimaschutz zu verhindern. Die Zahl stammt von einer Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2022, gegenwärtig dürfte die Zahl noch größer sein.
Anti-Klimaschutz als Teil eines umfassenderen Kulturkampfes
Woher kommt diese Bewegung? Insbesondere mit Blick auf die USA war die einfache wie überzeugende Erklärung bislang: Um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen zu schützen, schüren interessierte Kreise, namentlich die fossile Industrie, Skepsis gegenüber dem menschengemachten Klimawandel.
Sozialwissenschaftliche Studien belegen genau diesen Zusammenhang zwischen Anti-Klimaaktivismus und fossilen Geschäftsinteressen. In einer breit angelegten Netzwerk- und Textanalyse konnte eine Studie aus dem Jahr 2015 nachweisen, dass populäre klimaskeptische Narrative, verbreitet in der US-Öffentlichkeit, auf eine kleine Gruppe von Organisationen zurückzuführen waren, die wiederum in einer engen Beziehung zur fossilen Privatwirtschaft standen.
Die Ergebnisse könnten erklären, schlussfolgerte der Sozialwissenschaftler und Studienautor Justin Farrell, "warum die Ablehnung der Klimawissenschaft in den Vereinigten Staaten im Vergleich zu anderen Industrienationen so ausgeprägt ist". Schließlich fördert das Land mehr Öl und Gas als jedes andere.

Ganz so einfach ist die Frage nach dem Warum aber wohl nicht zu beantworten oder zumindest nicht mehr, wie eine Forschungsgruppe um den Stanford-Soziologen Jared Furuta zeigt. Die zunehmende Internationalisierung des Netzwerks könne nicht durch fossile Geschäftsinteressen erklärt werden, heißt es in ihrer im Fachjournal Plos One erschienen Studie.
Erstens folge die Bewegung nicht mehr nur klassisch konservativen oder wirtschaftlichen Interessen. Die Anti-Klimaschutz-Bewegung sei "jetzt Teil eines umfassenderen Kulturkampfes mit populistischen und wissenschaftsfeindlichen Dimensionen, der durch die allgemeine Erosion der internationalen liberalen Ordnung geprägt ist".
Zweitens: Selbst in Ländern ohne oder mit kaum eigener fossiler Produktion, wie Neuseeland, Schweden oder Burkina Faso, gebe es Anti-Klima-Organisationen.
Um das wachsende Anti-Klimaschutz-Netzwerk besser zu verstehen, analysierten die Forschenden Hunderte solcher Organisationen in über 160 Ländern.
Überraschenderweise erhöhen laut der Analyse weder die Wirtschaftsstärke noch die Höhe der Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen oder die Öleinnahmen eines Landes die Wahrscheinlichkeit für die Existenz einer klimaskeptischen Organisation. Stattdessen entstünden derartige Organisationen vor allem in Ländern mit einer ambitionierten Klimapolitik und einer einflussreichen Umweltbewegung.
Die politischen Anstrengungen für eine nachhaltige Gesellschaft rufen demnach eine Gegenreaktion hervor. Diese habe ein größeres Mobilisierungspotenzial als tatsächliche ökonomische Sorgen aufgrund einer fossilen Ressourcenabhängigkeit, erläutern die Autor:innen.
Die wahrgenommene Gefahr für die eigene und die nationale Identität befeuere nicht nur das Aufkommen klimaskeptischer Organisationen, sondern auch die internationale Vernetzung und Koordination der Gruppen.
"Kritik an sozialen Herausforderungen nicht den Rechten überlassen"
Das Konzept des "Double Movement" ist nicht neu und wurde schon in diversen Kontexten beschrieben: Je stärker sich eine Gesellschaft für etwas engagiert, desto größer ist das Potenzial für die Entstehung einer Gegenbewegung – so die grundsätzliche Logik.
Ganz getrennt lässt sich dieser reaktionäre Gegenreflex aber nicht von dem Interesse mächtiger Akteur:innen betrachten, ihre politische und wirtschaftliche Macht zu erhalten. Viel mehr ist es das Ziel populistischer Narrative, die ihren Ursprung in den klassischen, fossil finanzierten Thinktanks haben, Deutungshoheit in der Öffentlichkeit zu erlangen.
Wer Zweifel sät, hofft darauf, dass sie in einem Teil der Gesellschaft Wurzeln schlagen und diese dann ohne Eigeninteresse – oder vielmehr gegen ihr eigenes Interesse – dafür einstehen.
Die Studie widerlege nicht den Einfluss der fossilen Industrie auf die Szene und ihre Narrative, betont Johanna Siebert von der Denkfabrik Progressives Zentrum. Doch auch für die Politökonomin ist die Leugnung des Klimawandels mittlerweile Teil eines breiteren Kulturkampfes.
Mit EIKE und einigen Einzelpersonen wie den beiden ehemals beim Energiekonzern RWE angestellten Autoren Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning gibt es auch in Deutschland umtriebige Figuren der Szene. Zwar ist ihr Einfluss bislang sehr viel geringer als in den USA, aber mit der AfD wächst er.
Siebert: "Die AfD macht jenen, die auch aus gutem Grund Sorge vor den sozialen Auswirkungen der Transformation haben, ein politisches Angebot und unterfüttert die Ängste der Menschen mit klassischen Leugner-Narrativen: Der Klimawandel ist nicht menschengemacht oder Klimaschutz ein grünes Ideologieprojekt."
Eine Mitschuld daran trügen auch die Mitte-Links Parteien, so Siebert. Indem sie die sozialen Folgen der aktuellen Klimapolitik kaum thematisierten, überließen sie das Thema den Rechten.
Die Studienautor:innen schließen aus ihren Ergebnissen: Klimapolitische Maßnahmen müssen auch danach beurteilt werden, inwiefern sie eine erwartbare Gegenreaktion auslösen. Johanna Siebert wird konkreter: "Es braucht eine linke Kritik an den sozialen Herausforderungen der Transformation. Anstatt gegen die Akteur:innen von Klimaschutz müsste sich die Wut gegen die Verursacher der Klimakrise und die ungerechte Verteilung der Kosten von Klimaschutz richten."