"Wer nicht viel Geld hat und sich darum kümmern muss, dass er das Notwendigste hat, der macht sich wenig Gedanken um Klimawandel."

Das Zitat stammt von einer jungen Person zwischen 18 und 25 Jahren. Name, Herkunft und Geschlecht bleiben anonym. Die nachgesprochene Aufnahme ertönt im Raum des Projektzentrums der Stiftung Mercator in Berlin – und sorgt für einen Moment der Stille. Es ist eine von vielen Sprachnachrichten, die an diesem Tag abgespielt werden.

 

Die jungen Menschen wurden im letzten Jahr von der gemeinnützigen Organisation Talking Hope im Rahmen eines sogenannten Scoping-Projekts befragt, einer Art Vorstudie.

Das Ergebnis: Junge Erwachsene, die strukturelle Benachteiligung erleben, haben eine eher skeptische Sicht auf Klimawandel und Klimaschutz – weil sie zum Beispiel in Ostdeutschland oder auf dem Land leben, eine formal niedrigere Bildung oder eine Migrationsgeschichte haben.

Für die jungen Menschen aus diesen vier Gruppen ist die Klimakrise nur eine von vielen Krisen, die ihren Alltag prägen. Laut dem Ergebnisbericht, den Talking Hope und Mercator jetzt vorlegten, wurden rund 1.500 junge Erwachsene befragt.

"Wir sollten nie nur über das Klima reden"

Obwohl der Klimawandel für die Befragten – noch vor Migration – das wichtigste politische Thema ist, bleibt das Interesse ambivalent: 63 Prozent suchen nicht aktiv nach Informationen zum Klimawandel in sozialen Netzwerken.

Viele fühlen sich auch von der bestehenden Klimabewegung nicht angesprochen. "Es ist eher so, dass sie sich ausgegrenzt fühlen und da gar keinen Zugang sehen", sagt Jenny Bischofberger von Talking Hope.

Alle Jugendlichen interessieren sich für ihre Zukunft. Was sie dabei wichtig finden, hängt sehr von ihren Lebensbedingungen ab. (Bild: Speedkingz/​Shutterstock)

Fast zwei Drittel wären dabei sogar grundsätzlich bereit, für den Klimaschutz zu demonstrieren, doch ein Drittel distanziert sich vom Klimaaktivismus. Vor allem junge Menschen mit formal niedriger Bildung zeigen eine geringere Bereitschaft.

Viele der Befragten erleben eine sehr geringe Selbstwirksamkeit auf politischer Ebene und fühlen sich "nicht gehört". Dabei sei Selbstwirksamkeit – neben Resilienz – eine zentrale Ressource für gesellschaftliches Engagement, hebt Eva-Maria McCormack hervor, Gründerin und Geschäftsführerin von Talking Hope.

"Wir können nie nur über das Klima reden, sondern müssen auch über diese vorgelagerten Dinge sprechen", mahnt sie. Fehlende Teilhabe verstärke soziale Isolation und resultiere in zunehmender Distanz zur Politik – ein Kreislauf, in dem geringe Selbstwirksamkeit, wenig Vertrauen in politische Prozesse und ausbleibendes Engagement einander bedingen, wie der Bericht festhält.

Wissenschaftlerinnen fordern Kultur des Zuhörens

"Es gibt eigentlich heute drei Krisen neben der Klimakrise", betont McCormack. Neben der psychosozialen Krise und sozialer Ungleichheit gehöre dazu die Krise der Demokratie – Herausforderungen, die für viele junge Menschen oft noch vor der Klimakrise stünden.

Neben der repräsentativen Befragung wertete Talking Hope auch die sogenannten sozialen Medien aus. Dort prägen apokalyptische Bilder von Hochwasser oder Bränden die Wahrnehmung, beobachtet Jenny Bischofberger.

Die Wissenschaftlerin hat den Eindruck, dass es in Social-Media-Postings vor allem um gesellschaftliche Folgen geht und kaum um persönliche Betroffenheit. Dadurch wirke der Klimawandel abstrakter. Auch der Bericht zeigt: Es fehlt an bestärkenden Narrativen, die zum Engagement motivieren könnten.

Im privaten Umfeld hingegen erleben viele junge Menschen ihre größte Wirksamkeit. 78 Prozent der Befragten gaben an, gesellschaftliche Themen vor allem im Freundeskreis oder in der Familie zu besprechen.

Um junge Erwachsene aus benachteiligten Strukturen stärker in die Klimadebatte einzubeziehen, müsse Klimakommunikation ihre Lebensrealitäten aufgreifen und ihnen auf Augenhöhe begegnen, fordert McCormack. "Es braucht eine Kultur des Zuhörens, der Ermutigung und der Ermöglichung."

Inklusive Kommunikation beginne mit Zuhören. Erst dann könnten Gespräche im privaten Umfeld entstehen, wo weniger Angst vor Ablehnung herrscht.

 

Die inklusive Klima-Kommunikation soll nun in einem auf den Erkenntnissen aufbauenden "Social Climate Project" in der Praxis erprobt werden. Über zwei Jahre hinweg will Talking Hope gemeinsam mit jungen Erwachsenen aus benachteiligten Strukturen konkrete Lösungen entwickeln, wiederum unterstützt von der Stiftung Mercator.

Ausgangspunkt sind die Lebenswelten der vier Teilzielgruppen. In Workshops und Aktionen – etwa Gaming- oder Book-Reading-Abenden – wird der Klimawandel auf andere Weise als bisher behandelt. Dies soll "Klimaschutz greifbar und sozial gerechter machen". 

Außerdem stellt die Stiftung jeder Gruppe einen finanziellen Beitrag zur Verfügung, mit dem sie eigene Ideen umsetzen kann – sei es durch Spenden oder Veranstaltungen. So soll Selbstwirksamkeit erlebbar werden.