Vor gut fünf Jahren beherrschte die Klimadebatte das öffentliche Bewusstsein. Fridays für Future mobilisierte zu Massendemos, dann machte das Bundesverfassungsgericht Druck, und die Merkel-Bundesregierung verschärfte das Klimagesetz. Das Thema schien ganz oben angekommen.

Doch inzwischen gibt es ein Rollback. Ein Viertel der Bevölkerung findet sogar eine Partei gut, die bestreitet, dass es überhaupt einen menschengemachten Klimawandel gibt, und die Energiewende zurückdrehen will.

 

Die am Montag vorgestellte turnusmäßige Umfrage des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes (UBA) zum Umweltbewusstsein belegt: Das Thema "Schutz von Umwelt und Klima" hat bei den meisten Menschen zwar immer noch einen hohen Stellenwert, doch seine Bedeutung nimmt weiter ab.

Erst die Corona-Pandemie, dann die Energiekrise mit Putins Angriff auf die Ukraine, zuletzt die Stagnation der Wirtschaft mit steigender Arbeitslosigkeit: Diese Multi-Krise hat Spuren in den politischen Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger hinterlassen.

Viele von ihnen empfinden andere Themen als wichtiger, so die Situation im Gesundheits- oder im Bildungssektor, die wirtschaftliche Entwicklung sowie öffentliche Sicherheit und Kriege. Für die aktuelle Studie wurde im Herbst 2024 eine repräsentative Befragung unter 2.552 Bürgern durchgeführt.

Mehrheit findet Umwelt- und Klimaschutz "sehr wichtig"

Immerhin hält gut die Hälfte der Befragten – 54 Prozent – den Umwelt- und Klimaschutz nach wie vor für "sehr wichtig", weitere 34 Prozent meinen: "eher wichtig".

Der Wert für "sehr wichtig" ist laut UBA in den vergangenen Jahren allerdings zurückgegangen: 2020 bewerteten fast zwei Drittel (65 Prozent) das Thema so, 2022 waren es dann nur noch 57 Prozent. Offenbar bewirkten in dem Jahr vor allem die Energiekrise und der Ukraine-Krieg, die Erdgas- und Strompreise extrem ansteigen ließen, den rasanten Zustimmungsschwund.

Umweltbewusstseinsstudie

Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt lassen seit 1996 alle zwei Jahre repräsentative Daten zu den umweltbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung in Deutschland erheben. Für die aktuelle Studie wurde im Herbst 2024 eine repräsentative Befragung unter 2.552 Bürgern und Bürgerinnen ab 18 Jahren durchgeführt, und zwar überwiegend online. Die Konzeption und Auswertung der Studie führte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) durch. Mit der Feldarbeit war das Institut Verian betraut.

Besonders ins Auge fällt dabei, dass die Zustimmung gerade bei jungen Menschen schwach ist. Bei den 18- bis 29-Jährigen waren es nur 44 Prozent – bei den über 65-Jährigen hingegen 63 Prozent.

Parallel verlor auch das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, an Rückhalt: Nur noch 57 Prozent halten dieses Ziel für sehr wichtig – fünf Prozentpunkte weniger als 2022.

Eine weitere, kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt denn auch, dass die Mehrheit der Deutschen das Ziel der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, für unrealistisch hält. 67 Prozent glauben nicht, dass es zu schaffen sei, nur 29 Prozent stimmen zu, wie die repräsentative Erhebung des Instituts Infas für die Wochenzeitung Die Zeit ergab.

Anhänger der Linken (58 Prozent) und der Grünen (42) sind dabei deutlich optimistischer als die Anhänger von Union (26) und SPD (18). Unter AfD-Anhängern geht nur jeder zehnte davon aus, dass das Klimaziel erfüllt werden kann.

Das von der letzten Merkel-Groko beschlossene Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland 2045 per Saldo keine Treibhausgase mehr ausstößt. Die Vorgabe wurde im aktuellen Koalitionsvertrag bekräftigt.

Die Industrie tut genug, sagen jetzt schon 22 Prozent

Auch die UBA-Umfrage zeigt, dass mit Blick auf die Folgen des Klimawandels der Optimismus der Bürger und Bürgerinnen schwindet: Nur ein knappes Drittel der Befragten ist noch davon überzeugt, dass Deutschland die Folgen des Klimawandels angemessen bewältigen kann. Dies ist der niedrigste Wert in dieser Umfragereihe seit 2002.

Die Erhebung zeigt zudem, dass viele Menschen schon heute unter den Folgen der Klimaveränderungen leiden. Zwei Drittel fühlen sich durch Hitzeperioden gesundheitlich belastet, und 85 Prozent wünschen sich besseren Schutz. Ein Viertel der Befragten gibt an, dass der Hitzeschutz im Wohnumfeld bisher nicht ausreicht, ein ähnlich großer Anteil sorgt sich vor einer Verschlechterung in der Zukunft.

Bei der Frage, ob wichtige Akteure genug für den Umwelt- und Klimaschutz tun, gibt es eine Verschiebung. Den Umweltverbänden attestieren das 62 Prozent der Befragten (2022: 69 Prozent), der Wissenschaft 49 Prozent (57), der Bundesregierung 28 Prozent (30), den Bürgerinnen und Bürgern 26 Prozent (23) sowie der Wirtschaft und Industrie 22 Prozent (15).

Panorama-Ansicht der Kleinstadt Birkenfeld in Rheinland-Pfalz bei Sonnenuntergang.
Acht von zehn Deutschen sind mit dem Umweltzustand in ihrer Kommune zufrieden – nur gut die Hälfte sagt das für Deutschland insgesamt. (Bild: Igor Link/​Shutterstock)

UBA-Präsident Dirk Messner sagte bei der Vorstellung der Umfrage in Berlin: "Die Wissenschaft ist sich einig: Wir können den sich weiter beschleunigenden Klimawandel mit weitreichenden Folgen für Mensch, Umwelt und Wirtschaft nur verhindern, wenn wir jetzt den Schutz des Klimas rasch und konsequent umsetzen. Andernfalls bürden wir den folgenden Generationen enorme Kosten und Risiken auf."

Klima- und Umweltschutz gehörten "ganz oben auf die politische und öffentliche Agenda", so Messner. Die Ampel-Bundesregierung habe hier gegenüber der Groko-Vorgängerin deutlich stärkeres Engagement gezeigt.

Die neue Bundesregierung muss laut dem UBA-Chef konsequent auf eine soziale Ausgestaltung der Klimapolitik achten. Er erinnerte an das von seinem Amt vorgelegte Modell eines sozial gestaffelten Klimageldes, das die steigende Belastung aus der CO2-Bepreisung von Sprit und Heizenergie ausgleichen würde.

Die neue Bundesregierung hat das bisher nicht vorgesehen, sondern will alternativ den Strompreis senken. Messner wurde gefragt, ob er doch noch eine Chance für ein Klimageld sehe. Antwort: "Das kann ich nicht sagen."

Klimafreundlich wohnen, aber bezahlbar

Interessanterweise zeigt die Umfrage, dass die Mehrheit der Deutschen (79 Prozent) mit dem Zustand der Umwelt in ihrer Stadt oder Gemeinde mehr oder minder zufrieden ist. Sogar mehr als 80 Prozent der Befragten empfinden den Zugang zu Grünflächen, die Trinkwasserqualität und die Sauberkeit in ihrem Wohnumfeld als zufriedenstellend.

Wird nach Deutschland insgesamt gefragt, liegt der Wert mit 55 Prozent deutlich niedriger – und die Lage der "globalen Umwelt" wird von der übergroßen Mehrheit als negativ bewertet. Nur sieben Prozent sind der Ansicht, dass diese sich in einem guten Zustand befindet.

Allerdings sehen viele auch im eigenen Umfeld durchaus noch Raum für eine weitere Verbesserung der Lebensqualität. Hier werden unter anderem die Verringerung der Luftverschmutzung und eine bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr genannt.

Nicht zuletzt spielt die Frage der Bezahlbarkeit des Wohnens eine große Rolle. So finden 87 Prozent der Befragten, das Angebot von klimafreundlichem Wohnraum solle verbessert werden, dieser müsse jedoch auch bezahlbar sein.

 

Befragt nach konkreten aktuellen Umweltproblemen, nannten die Leute neben dem Klimaschutz Themen wie Plastikvermüllung, Artenschwund, Schutz von Wäldern, Mooren und anderen Ökosystemen sowie die sichere Entsorgung von Atommüll. Einige davon wurden sogar für etwas wichtiger gehalten als bei der Umfrage 2022.

Hingewiesen wurde bei der Vorstellung der Studie auf ein Manko bei der Vermittlung des Wissens über die tatsächliche ökologische Lage und die sich daraus ergebenden zukünftigen Risiken. Die Befragung habe gezeigt, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse nur teilweise im Bewusstsein der Menschen niederschlagen.

So weise die Umweltforschung zum Beispiel auf den prekären Zustand der Biodiversität im Zusammenspiel mit dem Klimawandel und deren gravierende Auswirkungen auf Landwirtschaft und Ernährung hin. "Diese komplexen Umweltrisiken werden von den Befragten eher unterschätzt", so das Fazit.