
Hitze gilt als das größte vom Klimawandel ausgelöste Gesundheitsrisiko. Tatsächlich zeigt eine neue Untersuchung: Deutschland hat aufgrund des Klimawandels in den letzten zwölf Monaten rund doppelt so viele extreme Hitzetage erlebt, wie das ohne die Erderwärmung der Fall gewesen wäre. Und nach Daten des Umweltbundesamtes (UBA) gab es hierzulande in den Sommern 2023 und 2024 jeweils etwa 3.000 hitzebedingte Todesfälle.
Angesichts der so dokumentierten Risiken hat ein breites Bündnis aus Organisationen und Initiativen des Gesundheitswesens und weiterer Bereiche dazu aufgerufen, die Hitzegefahren ernster zu nehmen und die Bevölkerung konsequent vor gesundheitlichen Hitzefolgen zu schützen.
Die Entwicklung der extremen Hitzetage wurde jetzt von mehreren Forschungsgruppen, darunter der renommierten World Weather Attribution (WWA), auf der Basis internationaler Klimadaten berechnet. Danach erlebte Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten bis Anfang Mai 50 solcher Tage. 24 davon, also knapp die Hälfte, sind der Analyse zufolge auf den Effekt des Klimawandels zurückzuführen.
Als extreme Hitzetage wurden dabei solche Tage definiert, an denen die Höchsttemperatur jeweils 90 Prozent der im Schnitt lokal gemessenen Temperaturen im Zeitraum von 1991 bis 2020 überstieg. Um herauszufinden, welchen Anteil die menschengemachte Erderwärmung an der Zunahme hat, berechnete das Team ein Klimaszenario ohne Erderwärmung und verglich die tatsächlich beobachtete Zahl der extremen Hitzetage damit.
2023 und 2024 lagen im Mittelfeld
Die Hitzekrise betrifft weltweit fast alle Staaten, von den tropischen bis zu den gemäßigten Zonen. In 195 von 247 untersuchten Ländern und Regionen verursachte der Klimawandel in dem untersuchten Zeitraum laut der WWA-Analyse mindestens eine Verdoppelung der extremen Hitzetage. Vier Milliarden Menschen, also rund die Hälfte der Weltbevölkerung, erlebten mindestens 30 zusätzliche davon.
In Europa war das stärkste einschlägige Ereignis eine Hitzewelle, die sich im vergangenen Sommer von Griechenland über Rumänien Richtung Asien und den Nahen Osten erstreckte. In Chania auf Kreta wurden damals als Spitzenwert 44,5 Grad gemessen.
Laut der vom Umweltbundesamt am Mittwoch, dem diesjährigen "Hitzeaktionstag", veröffentlichten Datenanalyse zur hitzebedingten Sterblichkeit in Deutschland lagen die vergangenen beiden Jahre mit je rund 3.000 Fällen im Mittelfeld des bisherigen Jahrhunderts. In Spitzen-Hitzejahren wie 2003, 2006 und 2018 lagen die Werte noch deutlich höher, 2003 waren es sogar über 9.000.
Als Risikogruppen gelten vor allem Menschen über 75 Jahre mit Vorerkrankungen wie Demenz, Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen.
Laut dem aktuellen Report, den das Robert-Koch-Institut im Auftrag des UBA und des Bundesumweltministeriums anfertigte, stellen schon einzelne heiße Tage eine Hitzebelastung dar, wenn die mittlere Temperatur mehr als 20 Grad beträgt, Tag- und Nachtwerte zusammengerechnet. Sie können, wenn nächtliche Abkühlung ausbleibt, zu einer Erhöhung der Sterblichkeit führen.
Bleibt es über mehrere Tage in Folge so heiß, steigt die Sterblichkeit weiter an und erreicht nach etwa drei bis vier Tagen ein gleichbleibend hohes Niveau.
"Unzureichendes Bewusstsein in Bevölkerung und Politik"
In Städten ist die Hitzebelastung und damit auch die hitzebedingte Sterblichkeit laut dem UBA-Report größer als auf dem Land. Sie bilden sogenannte Wärmeinseln im Vergleich zum kühleren Umland. Das Stadt-Land-Phänomen zeige sich am deutlichsten in West- und Süddeutschland. In Norddeutschland seien die Unterschiede aufgrund der Nähe zu Nord- und Ostsee weniger ausgeprägt.

"Insgesamt kommt es aber auch in ländlichen Kreisen regelmäßig im Sommer zu einer deutlichen Hitzebelastung und zu hitzebedingten Todesfällen", so das Amt. UBA-Präsident Dirk Messner warnte: "Aufgrund des Klimawandels wird sich das Problem der Übersterblichkeit im Sommer in Zukunft noch weiter verschärfen." Umso wichtiger sei es, dass Umwelt- und Gesundheitsschutz Hand in Hand gehen.
Ähnlich argumentiert das breite Bündnis zum Hitzeaktionstag, das unter anderem von der Bundesärztekammer, der Klima-Allianz, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat initiiert wurde. Hitze sei das größte durch die Klimakrise bedingte Gesundheitsrisiko in Deutschland, und das Risiko werde in den kommenden Jahren weiter zunehmen.
"Doch das Bewusstsein für die Gefahren von Hitze und die Maßnahmen zum Schutz, insbesondere für gefährdete Personen, sind in der Bevölkerung und in der Politik noch unzureichend", so das Bündnis. Das müsse sich ändern.
Dem Bündnis haben sich 93 Institutionen und Verbände angeschlossen. Es beteiligen sich auch große Verbände außerhalb des Gesundheitssektors wie die Bundesarchitektenkammer oder der Deutsche Olympische Sportbund, um auf notwendige Maßnahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz in allen Sektoren hinzuweisen.
Investitionen sollen Klimawandel berücksichtigen
Das Bündnis legt mehrere Hauptforderungen an die Politik vor. Danach muss Hitzeschutz vor Ort als Aufgabe verbindlich gemacht und durch Bund und Länder finanziell und personell ausreichend unterstützt werden. Zudem müsse der vorhandene Hitzeschutzplan des Bundesgesundheitsministeriums sektorenübergreifend weiterentwickelt und umgesetzt werden, wobei Gesundheits-, Pflege- und Sozialwesen einzubinden seien.
Weiterer Punkt: "Hitze muss als zentrale Herausforderung in den Katastrophenschutz integriert werden." Zudem müsse die Anpassung an den Klimawandel bei Investitionen grundsätzlich berücksichtigt werden, um die Resilienz des Landes zu stärken. Außerdem solle die Bundesregierung ein umfassendes Klimaschutz-Sofortprogramm zur Einhaltung der gesetzlich verankerten Klimaziele vorlegen.
Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt sagte dazu: "Hitzewellen gefährden Menschenleben – und sie werden häufiger, länger und intensiver. Darauf müssen wir uns vorbereiten." Deutschland brauche dringend verbindliche Hitzeschutzpläne, klare Zuständigkeiten und gezielte Unterstützung für besonders gefährdete Menschen.
Hitzeschutz beginne nicht erst in Arztpraxen und Krankenhäusern, sondern in den Städten, Schulen, Unternehmen, Pflegeeinrichtungen – und in jedem Zuhause. "Daher müssen Politik, Kommunen und Gesellschaft gemeinsam handeln", so Reinhardt.
Stefanie Langkamp von der zivilgesellschaftlichen Klima-Allianz Deutschland ergänzte das um die Forderung nach besserer Vorbeugung: "Gut gemachter Klimaschutz ist für uns alle deutlich günstiger, als nichts zu tun."
Sie erklärte, die Regierung sei laut dem gültigen Klimaschutzgesetz verpflichtet, bis Ende September ein wirksames Klimasofortprogramm vorzulegen. "Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie Wort hält: Sie muss das Sondervermögen für Klimaschutz nutzen, um unser Leben und unsere Zukunftsaussichten zu verbessern."
In den Infrastrukturmitteln von 500 Milliarden Euro, die noch vom letzten Bundestag beschlossen wurden, sind 100 Milliarden speziell für diesen Sektor vorgesehen. Es gab zuletzt jedoch Debatten darüber, ob die neue Bundesregierung das Geld wirklich zusätzlich für Klima-Investitionen einplant oder andere Mittel dadurch ersetzt.